Verfassungsbeschwerde gescheitert

Verfassungsgericht bügelt DocMorris ab

Berlin - 23.02.2017, 07:20 Uhr

Auch nach dem EuGH-Urteil hat die niederländische Versand-Apotheke DocMorris kein Glück vor deutschen Gerichten. (Foto: DocMorris)

Auch nach dem EuGH-Urteil hat die niederländische Versand-Apotheke DocMorris kein Glück vor deutschen Gerichten. (Foto: DocMorris)


DocMorris ist erneut mit einer Verfassungsbeschwerde gescheitert. Die niederländische Versandapotheke sah sich in Grundrechten verletzt, weil der Bundesgerichtshof im Januar 2016 einen Boni-Rechtsstreit nicht weiterführen wollte. Nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 witterte DocMorris Morgenluft. Doch das Bundesverfassungsgericht hat nach wie vor nichts an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu bemängeln.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich einmal wieder mit DocMorris befasst – und die niederländische Versandapotheke erneut abblitzen lassen. Diesmal ging es um eines der zahlreichen Verfahren, das die Apothekerkammer Nordrhein gegen DocMorris geführt hat. Das Oberlandesgericht Köln hatte im Februar 2014 entschieden, dass die Auslobung von Rezept-Boni gegen das Arzneimittelpreisrecht verstößt und wettbewerbswidrig ist. Die Revision ließ es nicht zu.

DocMorris legte jedoch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Zum einen verwies der DocMorris-Anwalt auf ein Mahnschreiben der EU-Kommission an die Bundesrepublik vom November 2013, mit dem das Vorverfahren für ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde. Hintergrund hierfür war, dass Deutschland die Arzneimittelpreisbindung auch auf EU-ausländische Apotheken erstreckte. Damit seien die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegeben gewesen, argumentierte der Anwalt. Zudem beantragte er, die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde auszusetzen, bis der EuGH im mittlerweile anhängigen Verfahren der Wettbewerbszentrale gegen die Deutsche Parkinsonvereinigung geurteilt hat.

Bundesgerichtshof ließ Revision nicht zu

Doch der Bundesgerichtshof hielt es im Januar 2016 für unnötig, dass sich der EuGH mit der Frage befasst, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht mit Unionsrecht vereinbar ist. Er sah sich daher auch nicht veranlasst, auf die Entscheidung aus Luxemburg zu warten. Die Rechtsfrage sei bereits hinreichend geklärt, so die Richter. Gründe für eine Revision lägen nicht vor – auch nicht im Hinblick auf das Vertragsverletzungs- und das Vorlageverfahren.  

Die Nichtzulassung der Revision wollte DocMorris nicht hinnehmen – die Niederländer starteten daher einen erneuten Anlauf vor dem Bundesverfassungsgericht. Schon im vergangenen Jahr war DocMorris-Anwalt Diekmann mit zwei Verfassungsbeschwerden gescheitert. Nun sahen er und seine Mandantin sich offensichtlich durch das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 gestärkt. Sie rügten eine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz – GG) durch § 78 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) – den Passus, der die Arzneimittelpreisverordnung ausdrücklich auf EU-Versandapotheken erstreckt. Denn dieser sei verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber ihn vor seiner Änderung nicht bei der EU-Kommission notifzierte und er überdies gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoße. Darüber hinaus rügten die Anwälte einen Entzug des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), weil die Revision nicht angenommen und eine EuGH-Vorlage abgelehnt wurde.   

Beschwerde fehlt die „verfassungsrechtliche Substanz”

Doch der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Beschwerde auch in diesem Fall nicht zur Entscheidung angenommen. Unabhängig davon, ob die Verfassungsbeschwerde „angesichts ihrer weitgehend fehlenden verfassungsrechtlichen Substanz“ den gesetzlichen Anforderungen genüge, habe sie „jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung“, so die Richter. Sie stellen klar: „Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt“.

Eine Verfassungsbeschwerde kann sich nur darauf stützen, dass Grundrecht beziehungsweise grundrechtsgleiche Rechte verletzt wurden. Doch die DocMorris-Anwälte setzten sich dem Beschluss zufolge nicht näher mit diesen verfassungsrechtlichen Fragen auseinander und gingen auch nicht auf die „reichhaltige Rechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts zur Arzneimittelpreisregulierung ein. Die behaupteten Verletzungen einer Notifizierungspflicht gegenüber der Europäischen Kommission und der Warenverkehrsfreiheit gründeten nicht auf Verfassungsrecht und hätten – da dem Unionsrecht kein Geltungsvorrang vor nationalem Recht zukomme – nicht die Nichtigkeit des § 78 Abs. 1 AMG zur Folge, so die Richter.

Keine willkürliche Annahme eines „acte clair”

Dadurch, dass der Bundesgerichtshof den EuGH nicht angerufen habe, sei auch nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden. Denn er habe sich intensiv mit der europäischen Rechtslage auseinandergesetzt und dargelegt, warum ihn das Schreiben der EU-Kommission an die Bundesrepublik aus dem November 2013 nicht überzeuge. Die Bundesrichter seien insoweit dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom August 2012 gefolgt, der die Anwendbarkeit der deutschen Arzneimittelpreisvorschriften auch im grenzüberschreitenden Versandhandel bejaht hatte. Auf jeden Fall habe das Gericht nicht willkürlich gehandelt – es sei vielmehr von einer klaren Rechtslage ausgegangen, einem sogenannten „acte clair”. 

Mit dem aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat DocMorris somit abermals ein Niederlage vor einem deutschen Gericht einstecken müssen. Erst Ende November hatte das Bundessozialgericht trotz des EuGH-Urteils eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, in der es um den Anspruch auf Herstellerrabatte aus der Zeit vor DocMorris` Beitritt zum Rahmenvertrag ging.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2. Februar 2017, Az.: 2 BvR 787/16



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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