DocMorris-Chef Heinrich

„Es ist schwer, den Rx-Markt aufzubrechen“

Stuttgart - 27.02.2017, 14:30 Uhr

DocMorris-Chef Olaf Heinrich sagte im Interview mit der „Frankfurter Rundschau“, seine Versandapotheke mache „doch
niemanden platt“. (Foto: DAZ.online / Sket)

DocMorris-Chef Olaf Heinrich sagte im Interview mit der „Frankfurter Rundschau“, seine Versandapotheke mache „doch niemanden platt“. (Foto: DAZ.online / Sket)


Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe würde mit dem Rx-Versandverbot die Lebensqualität von Millionen Menschen verschlechtern, behauptet DocMorris-Chef Olaf Heinrich im Interview mit der „Frankfurter Rundschau“. Aktionen der ABDA sieht er als PR für seine Versandapotheke – die „doch niemanden platt“ mache.

Grenzüberschreitender Arzneimittel-Versand, Fremdbesitzverbot und Rx-Boni: Die niederländische Versandapotheke DocMorris stand schon oft im Konflikt mit Interessen deutscher Vor-Ort-Apotheken sowie der ABDA. Dabei hätten „die Apotheker“ mit ihren „unablässigen Aktionen“ den niederländischen Versender in die Medien gebracht und bekannt gemacht, erklärt DocMorris-Vorstandschef Olaf Heinrich nun in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“. „Ihr Widerstand ist immer auch kostenlose PR für uns“, sagt er – während es auf der anderen Seite „nicht immer leicht“ sei, „der Pionier in einer Branche zu sein“.

Die aktuelle Unterschriftenaktion er ABDA bezeichnet Heinrich als legitim, spricht aber gleichzeitig von „bewusst falschen Informationen und Verleumdungen“, ohne dies näher zu begründen. Schon 2002 habe eine Unterschriftenaktion den Zusammenbruch der Arzneimittelversorgung durch den Versandhandel beschworen, erklärt Heinrich. Dabei betrage der Rx-Anteil nun gerade einmal rund ein Prozent – im OTC-Sektor mache der Versand rund 15 Prozent aus.

„Bei rezeptpflichtigen Medikamenten gibt es dagegen sehr tradierte Beziehungen zwischen Patienten, Arzt und Apothekern“, sagt der DocMorris-Chef. „Hier ist es schwer, den Markt aufzubrechen.“

Gröhe würde Lebensqualität verschlechtern

Bei dem niederländischen Versender sieht es nach eigenen Angaben allerdings deutlich anders aus, als bei der durchschnittlichen deutschen Versandapotheke: Im Interview mit DAZ.online sprach Strategievorstand Max Müller von rund drei Viertel des Umsatzes, der über Rx-Arzneimittel generiert werde. Heinrich macht es nun konkreter: Circa 200 von 331 Millionen Euro Umsatz seien 2016 auf rezeptpflichtige Medikamente entfallen, sagt er im Interview. Das wären rund 60 Prozent. Die offiziellen Zahlen, die die DocMorris-Mutter Zur Rose veröffenticht, sagten bislang nichts zu den Anteilen – sie können daher nicht überprüft werden.

Doch beim vom Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplanten Rx-Versandverbot ginge es „nicht nur ums uns“, sagt der DocMorris-Chef – er hebt auf mögliche Nachteile für Patienten ab. „Der Gesundheitsminister würde die Lebensqualität von Millionen Menschen verschlechtern, für die der Weg zur nächsten Apotheke sehr weit oder zu beschwerlich ist“, sagt er gegenüber der „Frankfurter Rundschau“. 

„Staatlich verfügter Entzug der Geschäftsgrundlage“

Gleichzeitig würde der Versandapotheke „über Nacht zwei Drittel unseres Geschäftes wegbrechen“, betont Heinrich. „Das wäre ein staatlich verfügter Entzug der Geschäftsgrundlage von einem Tag auf den anderen“, erklärt er. „Schon allein daran können Sie ersehen, dass ein Verbot weder nach deutschem noch nach europäischem Recht rechtens sein kann.“ In anderen EU-Mitgliedsstaaten ohne Rx-Versand sei dieser nie erlaubt worden – daher trägt seiner Ansicht nach ein Vergleich mit diesen nicht. DocMorris werde sich „mit allen rechtlichen Mitteln“ gegen das Rx-Versandverbot wehren und vor die zuständigen Gerichte ziehen, erklärt Heinrich.

Auch ist der Markt in Deutschland nach Ansicht des DocMorris-Chefs deutlich regulierter, betont er – mit Verweis auf das Fremdbesitzverbot. „Uns bleibt daher nur der Versandhandel, um in Deutschland tätig sein zu können“, betont Heinrich.

DocMorris macht „doch niemanden platt“

Dass Vor-Ort-Apotheken angesichts des wirtschaftlichen Drucks von Rx-Boni schließen müssten, wie es auch die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml kürzlich wieder betont hat, bezeichnet er als „Unsinn“. Die Apotheker würden selbst zugeben, dass andere Gründe dafür verantwortlich seien. „Wenn der Arzt im Dorf aufgibt, fehlen die Rezepte“, erklärt Heinrich. Fehlende Nachfolger oder zu wenige Investitionen in die Ausbildung junger Leute seien weitere. DocMorris mache „doch niemanden platt“, sagt der Vorstandsvorsitzende. „Den Apothekern geht es darum, ihren Markt mit aller Macht zu verteidigen und abzuschotten.“

Auf die Frage, ob es nicht problematisch ist, dass nur EU-Versandapotheken Rx-Boni anbieten dürfen, kommt von Heinrich „kein Widerspruch“. Es brauche ein neues Preissystem, sagt er. „Es hat sich doch gezeigt, dass die bestehende Preisbindung nicht geholfen hat, die Versorgung in der Fläche dauerhaft zu sichern“, erklärt der DocMorris-Chef. Die Apothekenzahl sinke seit langem, obwohl die Apotheker-Honorare stiegen. „Die ABDA wird der Politik aber auch keine Garantie geben können, dass sich die Lage durch ein Verbot des Versandhandels ändert.“

Ältere Menschen seien keine vertrottelten Greise

Über einen Ausgleichstopf sollten Apotheker auf dem Land mehr Honorar pro Arzneimittel erhalten, schlägt Heinrich vor – alternativ auch ein Höchstpreismodell. Die Bevölkerung würde hiervon profitieren, „denn mit einem solchen Modell gäbe es endlich einen Anreiz für Apotheker, aufs Land zu gehen“, erklärt er. Dass das SPD-Modell einer Obergrenze für Rx-Boni von einem Euro sowohl die ABDA als auch DocMorris nicht ganz glücklich mache, sieht er als positiv an. „Insofern ist es ein Vorschlag, der, erst recht in einem Wahljahr, zielführend sein kann, um danach dann zu einer dauerhaften, für alle Beteiligten sinnvollen Lösung zu kommen“, erklärt Heinrich.

Aus seiner Sicht zieht das Argument, dass für die immer älter werdende Bevölkerung eine persönliche Beratung wichtig sei, nicht. „Tun wir doch nicht so, als seien die älteren Menschen vertrottelte Greise“, erklärt der DocMorris-Chef – denn auch diese hätten Smartphones und Tablets und würden die Video-Beratung des Versenders nutzen. „Mir ist schleierhaft, warum nur die Beratung an der Ladentheke eine gute Beratung sein soll, erklärt Heinrich. Entscheidend sei die Qualität. „Wenn ich das auch vom Sofasessel aus bekommen kann, weil ich nicht mehr so mobil bin, dann hat das doch nur Vorteile“, sagt er.

Mehr Sicherheit bei DocMorris

Insgesamt sei der Versandhandel „kein Risiko, sondern eine Chance“, argumentiert Heinrich. Er behauptet sogar, dass DocMorris mehr Sicherheit als die Apotheke vor Ort biete. „Sollte es zum Beispiel Rückrufe von Medikamenten geben, sind wir über unsere Datenbanken sofort in der Lage, die Patienten zu informieren“, erklärt er. Und selbst bei kühlpflichtigen Arzneimitteln sei der Versand „der sicherere Weg“ – denn DocMorris gewährleiste, dass die Medikamente gekühlt bis zur Wohnungstür kommen, sagt Heinrich.

An einem Punkt stimmt er ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zu: Das Aufgabengebiet von Apothekern sollte breiter werden – es reiche nicht, nur Arzneimittel abzugeben. „Es fällt mir schwer, aber ich muss ihm recht geben“, erklärt der DocMorris-Chef. Medikationspläne und die Überprüfung der Einnahme würden immer wichtiger. „Es gibt genug neue Aufgaben, bei denen die Apothekerschaft gemeinsam vorangehen könnte“, sagt Heinrich. Doch darf bezweifelt werden, ob auch seine Äußerung, dass „Ewiggestrige“ sich in einem Stellungskrieg verkämpften, von Seiten der ABDA als Friedensangebot interpretiert werden wird.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Verantwortlich für das, was man nicht getan hat ...

von Christian Timme am 28.02.2017 um 3:40 Uhr

Sie und damit meine ich die Apotheker, haben sich selbst in mehreren Stufen in die Abhängigkeit der "Politik" gebracht. Aus "Fehlerchen" wurden "Fehler" und noch mehr ... sie sind eine Säule des Systems, die Betonung liegt auf 1. Wer Fehler macht, das fängt mit "schlafen" an der muss jetzt mehr tun als das was man gerade tut ... das fängt ganz weit OBEN an und hört ganz weit UNTEN auf ... Sorry, aber das sollte auch mal gesagt werden.

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Entzug der Geschäftsgrundlage

von Reinhard Rodiger am 27.02.2017 um 16:16 Uhr

Die Preisfreigabe bei OTC war die Erfolgsgarantie für den Versand.Dies war ein wesentlicher Entzug der Geschäftsgrundlage für die Vor-Ort-Apotheken.Er führte zu weniger Apotheken und nachhaltiger Schwächung der finanziellen Situation.Nicht zuletzt mit illegalen Mitteln.

Eine neuerliche einseitige Erfolgsgarantie im Rx-Bereich verschärft die finanziellen Engpässe, die allein schon durch fehlende Anpassung an die Entwicklung grösser geworden sind.

Das entscheidende Moment ist die Einseitigkeit. Eine Kapitalgesellschaft scheut keine Verlustzeiten, um die Konkurrenz zu eliminieren.Was geschieht danach? Alle Beispiele vergleichbarer Situationen weisen Preiserhöhungen auf, sobald das Gleichgewicht einseitig verändert wurde.

Es ist die Dynamik durch Konzentration der Marktmacht, die eine Begrenzung notwendig macht.Darüber helfen vordergründige Wohltaten nicht hinweg.Der Entzug der Vertrauensbasis durch individuelle Vorteilsgewährung ist als Geschäftsmodell langfristig nicht tragfähig.Es führt zu Ressourcenverschleiß und entzieht der Allgemeinheit Mittel.

Es ist einfach Irreführung, diese Zusammenhänge auszublenden.

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Herr Heinrich

von Frank Zacharias am 27.02.2017 um 14:58 Uhr

Es brauche ein neues Preissystem, sagt er. „Es hat sich doch gezeigt, dass die bestehende Preisbindung nicht geholfen hat, die Versorgung in der Fläche dauerhaft zu sichern“, erklärt der DocMorris-Chef. Die Apothekenzahl sinke seit langem, obwohl die Apotheker-Honorare stiegen. „Die ABDA wird der Politik aber auch keine Garantie geben können, dass sich die Lage durch ein Verbot des Versandhandels ändert.“

Das Preissystem an sich funktioniert in Deutschland ausgezeichnet, was man ja auch daran erkennen kann, dass es eine flächenmässige Versorgung gibt und innerhalb 30 min jeder eine Apotheke findet, sowie einen Notdienst usw. Aber es muss auch den steigenden Kosten und Anforderungen angepasst werden, damit es so bleibt und der Beruf weiterhin attraktiv bleibt. Das allerdings wurde seit 2004 versäumt.
Im übrigen haben wir in Deutschland ein sehr liberalisiertes System - ohne Niederlassungsbeschränkungen und Bedarfsplanungen, und mit Rx-und OTC-Versand. Das nun der Rx-Versand auf EU-Mehrheit zurückgefahren wird, haben doch die Versender provoziert.

Aber vielleicht kann Herr Heinrich einmal erklären, warum DocMorris vor dem EuGH von einem zu geringen Rx-Anteil geklagt hat, wegen der Einschränkungen im Preisbereich? Plötzlich machen sie 2/3 Rx-Arzneimittel. Vielleicht liegt die Erklärung im Unterschied von weniger Neukunden zu weniger Kunden?!

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Sehr verräterisches Wording !

von gabriela aures am 27.02.2017 um 14:56 Uhr

"Bei rezeptpflichtigen Medikamenten gibt es dagegen sehr tradierte Beziehungen zwischen Patienten, Arzt und Apothekern“, sagt der DocMorris-Chef. „Hier ist es schwer, den Markt aufzubrechen.“

Na, endlich wurde mal ganz offen gesagt, worum es DocMo geht:
Marktmacht.
Nicht der Patient, nicht die Versorgungssicherheit, nicht der Service. Alles völlig sekundär.
Danke, Herr Heinrich für diese Klarstellung des einzigen Beweggrundes.
Daß jeder Patient am platten Land trotzdem irgendwie zum Arzt muß, um sich sein RX verordnen zu lassen, davon wird natürlich nicht gesprochen.

BTW: bisher hat DocMo von jeder (gab ja nur eine...) Honorarerhöhung im gleichen Maße profitiert wie die Vor-Ort-Apotheken und der NaNoFo ist ein durchlaufender Posten, den auch DocMO - trotz aller Versuche, es als mildtätige Spende darzustellen, mitnichten aus eigener Tasche zahlt.
Ansonsten , Herr Henrich :

laut Aussage Ihres DocMo-SM-Beauftragten JB bei Facebook beträgt der durchlaufende Posten für den NaNoFo jährlich 500.000 €.
Ich hab's in meinem (digitalen) Sammel-Album "Die schönsten Pannen - Screenshots Facebook" gespeichert.
Das entspricht einer Zahl von ( üppig gerechnet!) 3,2 Millionen RX p.a.
DAS ist Ihre Geschäftsgrundlage ?
Zuwenig Ertrag mit OTC ?
Oder gehen die Gutscheine, die DocMo zunehmend verteilen muß, um verärgerte Kunden wieder "einzufangen", langsam doch arg ins Geld ?
Dann würde ich Ihnen und besonders Ihren Investoren ganz schnell zu einem anderen Business-Plan raten :-)

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AW: Sehr verräterisches Wording

von Christiane Patzelt am 27.02.2017 um 21:26 Uhr

Meine liebe Kollegin,
Wie immer grandiios, dein Kommentar. Und wie du den Dolch nicht nur punktgenau setzt, sondern ihm auch noch eine viertel Drehung im Fleische gönnst, einfach phänomenal!
Für DocMo ein echtes Pech, dass wir so halsstarrig sind (mein Gott, was sind mir schon Männer weggelaufen aufgrund dieser Hartnäckigkeit). Ich habe noch nicht so die rechte Idee, wie man diese " Geschäftsleute in feinen Anzügen" vom Hofe jagen kann, mag aber mal "ein dickes Dankeschön" an unsere Kunden sagen, die uns trotz massiver Werbung der Versender jeden Tag aufs Neue frequentieren!

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