Kommentar

Wie ein Fels in der Brandung

Berlin - 01.03.2017, 18:30 Uhr

Bleibt dabei: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will weiterhin den Versand mit Rx-Arzneimitteln verbieten. Dass Gröhe so hartnäckig sein Ziel verfolgt, ist durchaus verständlich, meint DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer (Foto: dpa)

Bleibt dabei: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will weiterhin den Versand mit Rx-Arzneimitteln verbieten. Dass Gröhe so hartnäckig sein Ziel verfolgt, ist durchaus verständlich, meint DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer (Foto: dpa)


Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ist in den Medien derzeit einer der unbeliebtesten Bundesminister. Es vergeht keine Woche, in der sich Gröhe nicht von großen Zeitungen als „Apothekenlobby-Minister“ bezeichnen lassen muss, weil er am Rx-Versandverbot festhält. Dabei ist es kein bisschen verwunderlich, dass der Minister dabei bleibt, meint DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer.

Schon vor Wochen begann die Medienschelte. Die für Gesundheit zuständigen Journalisten in den Publikumsmedien stürzten sich darauf, dass der Gesundheitsminister nach nur einem Treffen mit der ABDA deren Maximalforderung, das Rx-Versandverbot, übernahm. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung knickte der Minister vor der Apothekerlobby ein, nicht einmal eine „Schamfrist“ habe er eingehalten. Für die Frankfurter Rundschau ist Gröhe ein „Apotheker-Freund“, die Süddeutsche Zeitung titelte schon im November: „Reingefallen, Herr Gröhe!“.

Der Spiegel legte in der vergangenen Woche nach: Obwohl derselbe Redakteur wenige Wochen zuvor die SPD als „Apothekerpartei“ bezeichnete, war es nun Gröhe, der die Schelte abbekam. Die Apothekerlobby bejubele den Minister, „weil er ihr die Konkurrenz aus dem Internet vom Hals schaffen will“. Der neueste Angriff kommt erneut aus München: Auf einer ganzen Seite widmet sich die Süddeutsche Zeitung am heutigen Mittwoch dem Thema. Der Tenor: Mit der Abschaffung der exklusiven Zyto-Verträge und dem Versandverbot kommt Gröhe erstaunlich schnell den Wünschen der Apotheker nach. Immerhin: Im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen hat sich die SZ mit Zahlen und Fakten aus dem Apothekenmarkt auseinandergesetzt. Sehr differenziert schlüsselt die Zeitung auf, wie es um die Apothekenzahl, die wirtschaftliche Situation der Pharmazeuten, die Packungszahlen und das Apothekenhonorar bestellt ist.

Aber wie reagiert der Minister selbst auf die anhaltende Kritik?

Trotz heftigen Widerstandes vom Regierungspartner, der Opposition und teils auch aus seiner eigenen Partei boxt Gröhe das Versandhandelsverbot von Instanz zu Instanz. In den wenigen Interviews, die er zu dem Thema gibt, beharrt er auf der Feststellung, dass die Versandhändler mit ihren Boni-Angeboten und Gerichtsverfahren die derzeitige Situation herbeigeführt hätten und dass das Rx-Versandverbot nun einmal die einzige Lösung sei, die so wertvollen Apotheken vor Ort vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Auch auf den neuen Artikel der SZ reagiert ein BMG-Sprecher gelassen: „Wir bleiben auf Kurs. Im Übrigen möchten wir das Rx-Versandverbot nicht, um irgendwelchen Lobbyinteressen nachzukommen, sondern weil es für die Versorgung der Patientinnen und Patienten die beste Lösung ist.“

Macht Gröhe Politik für Apotheker?

Dass Gröhe so beharrlich an seinem Plan festhält, ist alles andere als verwunderlich. Denn aus politischer Sicht hat Gröhe längst den „Point of no return“ erreicht. Wenn er den Entwurf jetzt wegen der Kritik an seiner Person zurückzieht, steht er als Verlierer da. In seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen stehen außerdem bald Wahlen an. Sowohl die CDU als auch die SPD wollen während des laufenden Wahlkampfes aber keinen Krieg mit den Apothekern im Land haben. Offenbar hat die NRW-Politik große Angst vor der Kampagnen-Fähigkeit der Apotheker. Mit Klaus Michels, Thomas Preis, Lutz Engelen und Gabriele Regina Overwiening gibt es in Gröhes Heimatland zudem vier politisch aktive, umtriebige Verbands- und Kammerfunktionäre, die schon bewiesen haben, dass sie politische Themen über ihre Mitglieder in die Öffentlichkeit bringen können.

Aber auch aus versorgungs- und ordnungspolitischer Sicht ist es absolut nachzuvollziehen, dass Gröhe weiterhin das Rx-Versandverbot verfolgt. Seine Kritiker meinen, dass das BMG nicht nachweisen könne, dass Rx-Boni und der Rx-Versand die Apotheken vor Ort wirklich gefährden würden. Das stimmt auch in Teilen: Fakten darüber, dass viele Apotheken schließen müssten, wenn Rx-Boni erlaubt sein würden, hat das Ministerium bislang ganz einfach nicht präsentiert.

Umgekehrt haben weder die Versandhändler, noch die SPD oder die Grünen bis zum jetzigen Zeitpunkt Zahlen darüber vorgelegt, dass die Apotheken-Versorgung bei einer Steigerung ihres Marktanteils unverändert bliebe. Es ist schlichtweg nicht möglich, die Auswirkungen einer Marktöffnung im Preisbereich verlässlich vorauszusagen. Ein Bundesgesundheitsminister kann sich auf Spekulationen aber nicht verlassen. Er muss dafür sorgen, dass die Versorgung im ganzen Land funktioniert. Anstatt den Markt auf Rx-Boni reagieren zu lassen, geht Gröhe lieber auf Nummer sicher. Mit dem Versandverbot weiß er, was er bekommt – mit Boni, Rabatten und Honorar-Experimenten nicht.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Minister für Volksgesundheit ...

von Christian Timme am 05.03.2017 um 9:46 Uhr

Herr Gröhe macht keine Politik für Apotheker sondern für die Patienten. Viele werden es irgendwann begreifen. Bis dahin fließt aber noch sehr viel Wasser den Rhein runter. Der Mann ist einfach nur BESSER ... als Merkel.

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Gröhe als Apoklienteur?

von Heiko Barz am 02.03.2017 um 11:19 Uhr

Man stelle sich vor, der "über das Wasserschreiter, SPD-Messias Martin" würde anstelle des 'hart arbeitenden Bäckers" in dessen Konflikt mit den ab zockenden und steuerflüchtigen Kaffeekonzernen das gleiche Bild für den Deutschen Apotheker in dessen Konflikt mit den Arzneimittel-Auslandsversendern und deren ähnlich bis gleichen Kapitalheuschrecken im Hintergrund anwenden, er hätte sicherlich bei der fanatischen Klientel, die ich gestern im Zelt von Passau bei wilder Gutgläubikkeit vorgesetzt bekam, kaum einen politisch wirksamen Erfolg eingefahren.
Ein hart arbeitender Bäcker ist für einen Sozi natürlich bedeutender als ein hart arbeitender und geldgeiler Apotheker.
Dessen soziale Verpflichtung und Verantwortung wollen wir hier mal mal großzügig außer acht lassen.

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Die meinungsverbildende Zunft radiert an sich selbst ... und del geht auch noch.

von Christian Timme am 01.03.2017 um 16:37 Uhr

Die noch schreibende Hartz-IV-Elite von FAZ, Spiegel und Süddeutsche haben nach IVW (1. Quartal 2015 zu 2016) alle "Federn" gelassen. Die FürAllesZeitung marschiert mit fast - 10% voll auf "Downsizing is sexy". Objektive Inhalte sind "zu teuer" da recherchieren in Arbeit ausarten könnte und Chefredakteure auch nur Menschen sind. Wenn der IQ dann auch noch "geschmeidig" wird um den Leser nicht zu "überfordern" geht die Auflage noch weiter runter obwohl die Zielgruppe immer größer wird. Wer alles will, bekommt halt doch nix ... und die FR wird durch die IVW schon nicht mehr geprüft. Wenn die drei o.g. Titel, keine Auflagen mehr melden, ist Hartz IV auch in diesen Redaktionen eingezogen ... da hilft auch Digi nix mehr und auch mit elektrifiziertem Papier lebt man nicht länger sondern leidet nur doppelt.

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Abwanderung zum Versandhandel

von Peter Bauer am 01.03.2017 um 15:49 Uhr

Genauso wie die Anzahl der öffentlichen Apotheken schleichend,aber kontinuierlich abnimmt,genauso geht die Abwanderung von Kunden der Vor-Ort-Apotheken zum Versandhandel schleichend.Er wird aber einem Schneeball gleich an Masse kontinuierlich zunehmen.Ich in meiner Apotheke weiß schon von zwei Kunden definitiv die nun beim Versandapotheker bestellen.Rezepturen sollen allerdings wir machen(!!),weil ansonsten braucht Sie angeblich keine Medikamente mehr.

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