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Das „Cannabis als Medizin“-Gesetz ist seit einer Woche in Kraft. Mit dem Startschuss waren aus Praxissicht noch längst nicht alle Punkte bis ins Detail geklärt. Wir haben versucht, auf zehn Fragen, bei denen es augenscheinlich Redebedarf gibt, Antworten zu geben – nach aktuellem Kenntnisstand wohlgemerkt, denn beim Thema Cannabis ist das letzte Wort definitiv noch nicht gesprochen.
Muss sich die Apotheke bei Vorlage des BtM-Rezepts noch einmal wegen der Kostenübernahme bei der Krankenkasse rückversichern?
Bei Erstverordnung von Cannabis-basierten Therapien bedarf es einer Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Darum muss sich der Patient mit Unterstützung seines Arztes selbst kümmern. Für die versorgende Apotheke besteht arzneimittelrechtlich keine Prüfpflicht, aber es wird empfohlen, sich bei der Krankenkasse zu versichern, dass die Kosten auch tatsächlich übernommen werden. Bei Folgeverordnungen kann aber von einer Genehmigung seitens der Krankenkasse ausgegangen werden.
Müssen Cannabis-Arzneimittel im Kühlschrank gelagert werden?
In der DAC-Monografie „Cannabisblüten“ (C-053, Stand DAC 2016-1) wird eine Lagerung bei 2 bis 8°C vorgeschrieben. Das führt zu Verwirrung, weil es diese Empfehlung in Kanada und in den Niederlanden nicht gibt und importierte Blüten ungekühlt geliefert werden. Dieser Passus wird in der rechtlich verbindlichen DAB-Monografie, die für Mai 2017 angekündigt wurde, dahingehend geändert, dass eine Lagerung bei Temperaturen bis 25°C vorgeschrieben wird. Derzeit spricht nichts gegen eine Lagerung in einem üblichen BtM-Schrank bei Raumtemperatur.
Der standardisierte Cannabisblüten-Extrakt kann, muss aber nicht im Kühlschrank gelagert werden. Vor Entnahme sollte die Lösung aber unbedingt einige Zeit bei Raumtemperatur stehen, um eine gleichmäßige Größe der Tropfen zu gewährleisten. Dronabinol-Tropfen sollten nach NRF nicht im Kühlschrank gelagert werden, um die Gleichförmigkeit der Tropfen nicht nachteilig zu beeinflussen. Das Fertigarzneimittel Canemes® darf laut Fachinformation nicht über 25°C gelagert werden, Sativex® muss dagegen im Kühlschrank bei 2 bis 8°C gelagert, nach Anbruch aber bei Raumtemperatur aufbewahrt werden. Um die Kühllagerung als BtM in der Apotheke korrekt zu gewährleisten, ist nach Aussage des BfArM ein abschließbarer Arzneimittelkühlschrank ausreichend.
Grundsätzlich gilt, alle Cannabis-basierten Arzneimittel lichtgeschützt und mindestens unter 25°C aufzubewahren, da die wirksamen Inhaltsstoffe oxidationsempfindlich sind.
Werden Cannabisblüten als Einzelimport oder Rezeptur abgerechnet?
Diese Frage kam vor dem Hintergrund auf, dass Cannabisblüten zur medizinischen Anwendung aus den Niederlanden stellenweise offenbar wie Fertigarzneimittel gehandhabt werden.
Die Bundesapothekerkammer (BAK) trifft dazu eine klare Aussage: Verordnet der Arzt Cannabisblüten, sind diese als Rezepturarzneimittel mit der Kennzeichnung gemäß § 14 ApBetrO in der Apotheke abzugeben. Das bedeutet: Werden die Blüten in unverändertem Zustand umgefüllt, abgefüllt, abgepackt oder gekennzeichnet an den Patienten abgegeben, ist der Preis nach § 4 AMPreisV zu bilden. Werden Cannabisblüten gemäß NRF-Vorschriften, das heißt unter Zerkleinern und Sieben der Droge und ggf. Abpackung in Einzeldosen, zu einem Rezepturarzneimittel verarbeitet, gilt § 5 AMPreisV.
Dass die Abrechnung während der Zeit der Ausnahmegenehmigungen nicht eindeutig gehandhabt wurde, zeigt die Kritik des Arztes Dr. Franjo Grotenhermen auf der Website der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM). Er befürchtet, dass sich die Ärzte wegen der höheren Kosten einer Rezeptur gänzlich gegen eine Verordnung von Cannabisblüten entscheiden könnten. Nach seiner Erfahrung gibt es Apotheken, die Cannabisblüten als importiertes Fertigarzneimittel abrechnen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schreibt zu dieser Frage etwas uneindeutig: „Solange keine Fertigarzneimittel abgegeben werden, handelt es sich um Rezepturarzneimittel“. BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer betonte aber im Interview, dass es sich bei Cannabisblüten eindeutig um einen importierten Ausgangsstoff handelt, der zu Rezepturen weiterverarbeitet wird, und nicht um ein importiertes Fertigarzneimittel. Diese Aussage wurde uns von mehreren Landesapothekerverbänden bestätigt.
Korrektur: In einer früheren Version des Artikels hieß es Cannabisblüten zur medizinischen Anwendung seien in den Niederlanden als Fertigarzneimittel zugelassen. Und offenbar gibt es auch Apotheken, die Cannabisblüten als importiertes Fertigarzneimittel abrechnen. Eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob das so rechtens ist, haben wir bislang nicht.
Was hat es mit der Sonder-PZN auf sich?
Für die Abrechnung von Verordnungen über Cannabisblüten, Cannabis-haltige Zubereitungen bzw. Cannabis-haltige Fertigarzneimittel aus dem Ausland gibt es seit 1. März 2017 zwei Sonder-Pharmazentralnummern:
- Sonderkennzeichen 06460665 für die Abrechnung von Cannabis-haltigen Zubereitungen (Rezepturarzneimittel) oder von unverarbeiteten Cannabisblüten und
- Sonderkennzeichen 06460671 für die Abrechnung von Cannabis-haltigen Fertigarzneimitteln ohne Pharmazentralnummer (Importe nach § 73 Abs. 3 AMG)
Diese Sonder-PZN wurden für statistische Auswertungen vergeben, vermutlich im Rahmen der nicht-interventionellen Begleiterhebung, die nach Verkündung als Rechtsverordnung in einigen Wochen starten wird.
Kann man mit den derzeitigen Methoden prüfen, um welche Sorte Cannabisblüten es sich handelt?
Die verfügbaren Cannabisblütensorten unterscheiden sich in der Hauptsache in ihrem Gehalt an Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Laut Dr. Michael Hörnig, Leiter des Prüflaboratoriums vom Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC), ist eine halbquantitative Abschätzung der Konzentrationen an THC und CBD mit den in der DAC-Monografie beschriebenen DC-Methoden theoretisch möglich. Rein praktisch wurde dies jedoch in den Vorschriften nicht beschrieben.
Bisher gibt es keine Bestrebungen, dass die Sorten bei der Eingangskontrolle in der Apotheke nach Gehalt untersucht werden müssen. Dies ist auch nicht notwendig, da die Hersteller ein entsprechendes Prüfzertifikat nach §6 ApBetrO erstellen, das Auskunft über den Gehalt an THC und CBD gibt. Die Monografie „Cannabisblüten“, sei es im DAC oder später im DAB, lässt bewusst einen großen Gehaltsbereich zu, da ansonsten für jede Blütensorte eine eigene Monografie erstellt werden müsste. Sollte ein großer Markt für Cannabis in der Apotheke entstehen, wird es sicherlich in der Zukunft weitere Hilfsmittel zur schnellen Identifizierung und auch zur Gehaltsbestimmung in der Apotheke geben.
Wird zur Identitätsprüfung von Cannabisblüten in absehbarer Zeit auch eine IR-Spektroskopie möglich sein?
Nach Kenntnis von Dr. Michael Hörnig (DAC/NRF) wurde bisher keine IR-Bestimmung, sei es mittels Mittelinfrarot (MIR) oder Nahinfrarot (NIR), entwickelt.
Mit welchen Verlusten ist während der Eingangskontrolle von Cannabisblüten und Verarbeitung in der Apotheke zu rechnen?
In den NRF-Rezepturvorschriften ist festgehalten: Ein Cannabisblüten-Mehrverbrauch bis zu 10 Prozent lässt sich bei der Dokumentation nach BtMG ohne Weiteres als herstellungstechnisch notwendig begründen.
Wie sind Cannabisblüten zu entsorgen?
Die Vorgaben des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) gelten selbstverständlich auch für Cannabisblüten. Nach § 16 BtMG hat der Eigentümer (in der Apotheke der Apothekenleiter) die Betäubungsmittel in Gegenwart von zwei Zeugen auf eine Weise zu vernichten, die eine auch nur teilweise Wiedergewinnung ausschließt sowie den Schutz von Mensch und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen sicherstellt. Von der Vernichtung ist eine Niederschrift anzufertigen, die drei Jahre lang aufzubewahren ist. Nach der Zubereitung als Tee oder in Form einer Inhalation können Cannabisblüten über den Biomüll oder Hausmüll entsorgt werden. Da noch aktive Substanzen enthalten sein können, muss auch hier gewährleistet werden, dass die Reste nicht wiederverwertbar sind und Personen nicht gefährdet werden (vor allem Kinder!).
Darf man die Cannabisblüten auch rauchen oder Kekse daraus backen?
Mit Blick auf die Arzneimitteltherapiesicherheit ist weder das Rauchen eines Joints noch das Backen von Keksen als Anwendungsform von Cannabisblüten zu empfehlen, da die Dosierung pro Anwendung nicht reproduzierbar ist und sich die Wirkung nicht vorhersagen lässt. Beim Rauchen von Cannabisblüten in Kombination mit Tabak kommt hinzu, dass dabei schädliche Verbrennungsprodukte entstehen, die gegen eine therapeutische Anwendung sprechen. Letztendlich liegt die Entscheidung für eine Darreichungsform aber in der Therapiehoheit des Arztes. Das NRF empfiehlt zur Inhalation von Cannabisblüten die Verwendung von elektrischen Verdampfern (NRF 22.12. und 22.13.), zur oralen Anwendung die Herstellung eines Tees (NRF 22.14. und 22.15.). NRF-Rezepturvorschriften sind allerdings lediglich als Vorschläge an die Ärzte zu verstehen.
Darf man unter medizinischer Anwendung von Cannabis Auto fahren?
Die Frage nach der Fahrtüchtigkeit unter medizinischer Anwendung von Cannabis wird im Einzelfall entschieden. Grundsätzlich ist in §24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) festgehalten, dass es sich nicht um eine Ordnungswidrigkeit handelt, „wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.“ Leider gibt es bisher noch keine Möglichkeit, bei einer Straßenkontrolle zwischen medizinischem und nicht-medizinischem Gebrauch von Cannabis zu unterscheiden. Ein Patientenausweis o. Ä. ist bisher nicht geplant.
Die Polizei Hamburg antwortete auf Nachfrage: „Sollte bei einer Verkehrskontrolle festgestellt werden, dass ein Kfz-Führer unter dem Einfluss von THC steht, wird durch den einschreitenden Polizeibeamten grundsätzlich ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, die Entnahme einer Blutprobe angeordnet und die vorläufige Weiterfahrt untersagt.
Sollte es sich jedoch um eine ärztlich verordnete Arzneimitteleinnahme handeln, wird grundsätzlich nicht von einem ordnungswidrigen Handeln auszugehen sein, sofern folgende Faktoren erfüllt sind: 1. bestimmungsgemäße Anwendung gemäß der ärztlichen Anordnung (Dosierung), 2. Bescheinigung des Arztes im Original, aus der hervorgeht, dass der Arzt autorisiert ist, das Rezept zu erstellen und für welchen Krankheitsfall und in welcher Dosierung das Medikament einzunehmen ist.
Wie bei allen Betäubungsmitteln kann es auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zu Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit kommen. Das Fahren unter medizinischer Anwendung von Cannabis ist auf jeden Fall während der Titrationsphase zu unterlassen. Werden während der Therapie Auffälligkeiten festgestellt, die für eine Fahruntüchtigkeit sprechen, kommt eine Strafbarkeit gemäß §§ 316, 315c StGB in Betracht, die häufig neben einer Geldstrafe auch die Entziehung der Fahrerlaubnis bedeutet. Dies gilt auch für Patienten mit ärztlicher Verordnung, selbst wenn ein Attest vorgelegt wird.
4 Kommentare
Cannabis unbedingt AUCH NOCH als defizitäre "Rezeptur"?
von Wolfgang Müller am 21.03.2017 um 11:53 Uhr
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Anmerkungen
von Redaktion DAZ.online am 20.03.2017 um 11:09 Uhr
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Anmerkungen
von Michael Mischer am 20.03.2017 um 9:00 Uhr
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AW: Anmerkungen
von Sebastian Heinz am 20.03.2017 um 10:33 Uhr
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