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Rx-Preisbindung
Zweite Chance für die Apotheker vor dem EuGH?
Die Frage, ob die Rx-Preisbindung im grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel gegen das EU-Recht verstößt, könnte möglicherweise noch einmal den EuGH beschäftigen. Der Bundesgerichtshof deutet in einem noch offenen Verfahren jedenfalls an, dass die vom EuGH in seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 vermissten Feststellungen noch nachgeholt werden können – und zwar vor dem Oberlandesgericht Köln.
Der Bundesgerichthof (BGH) hat einen Rechtsstreit zwischen der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) und DocMorris um Freundschaftsprämien der niederländischen Versandapotheke an das Oberlandesgericht (OLG) Köln zurück verwiesen. Das OLG hatte DocMorris im Juli 2015 in einem sogenannten Teilurteil untersagt, Kunden für die Werbung eines neuen Kunden, der ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel erwirbt, eine Bankgutschrift von 10 Euro zu versprechen beziehungsweise zu gewähren (Az.: 6 U 189/14). Die Richter bejahten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Dabei gingen sie von einer produktbezogenen Werbung aus und nahmen einen Verstoß gegen das Zuwendungsverbot des § 7 Heilmittelwerbegesetz an. Zugleich hatte das OLG die Klage abgewiesen, soweit es um einen 10-prozentigen Rabatt auf rezeptfreie Arzneimittel ging.
Nachdem sowohl die Apothekerkammer als auch DocMorris gegen das Urteil Revision eingelegt hatten, war nun der BGH am Zug. Und zwar nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 19. Oktober 2016 sein denkwürdiges Urteil zur Rx-Preisbindung im grenzüberschreitenden Versandhandel gesprochen hat. Die Karlsruher Entscheidung fiel zwar schon im November vorigen Jahres – doch erst jetzt liegen die Urteilsgründe vor. Und die lassen aufhorchen: Die Zurückweisung an die Vorinstanz hat vordergründig formale Gründe. Der BGH rügt, dass das OLG ein Teilurteil erlassen hat, also über einen Teil des Rechtsstreits entschieden hat, während es im Hinblick auf einen weiteren Klageantrag zunächst das damals noch ausstehende Urteil des EuGH abwarten wollte. Dies war laut BGH nicht zulässig, weil in allen Anträgen die Frage entscheidungsrelevant sein könne, ob die deutschen Regelungen des Arzneimittelpreisrechts mit Unionsrecht vereinbar sind.
„Segelanweisung“ für das Oberlandesgericht
Sodann weist der BGH auf über 15 Seiten auf Gesichtspunkte hin, die das OLG für das wiedereröffnete Berufungsverfahren aus seiner Sicht beachten sollte. Dabei stellen die Karlsruher Richter zunächst klar, dass das Berufungsgericht zu Recht einen Produktbezug der Werbung angenommen hat und es sich nicht um eine reine Imagewerbung handelte. Damit sei das Heilmittelwerbegesetz anwendbar. Die Werbung der Versandapotheke habe gegen § 7 HWG verstoßen, da die Zuwendungen arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften zuwiderliefen.
Aber: DocMorris wende sich in seiner Revision mit Erfolg dagegen, dass das OLG das an die Preisbindung gekoppelte Zuwendungsverbot angewendet hat, ohne weitere Feststellungen zu treffen, die eine Anwendung des deutschen Preisrechts rechtfertigen. Der BGH ist der Auffassung: „Nach den bislang im vorliegenden Verfahren getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG mit dem Primärrecht der Europäischen Union in Einklang steht“.
EuGH-Urteil beruht auf ungenügenden Feststellungen
Der BGH setzt sich in der Folge mit dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes sowie ausführlich mit dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 auseinander. Er weist darauf hin, dass die Rechtsprechung des EuGH den Mitgliedstaaten bei der Organisation ihres Gesundheitswesens einen Wertungsspielraum zugestehe. Entsprechend habe der Gemeinsame Senat im Jahr 2012 entschieden, dass die Preisbindung grenzüberschreitend anwendbar sei. Die Bedeutung dieser Rechtsprechung sei allerdings angesichts des EuGH-Urteils vom vergangenen Oktober „zweifelhaft“.
Er nahm bekanntlich an, dass die gesetzlich geregelte Rx-Preisbindung für EU-ausländische Versandapotheken, die nach Deutschland versenden, gegen die Warenverkehrsfreiheit verstößt, einer der Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarkts. Zudem nahm er an, dass die Rx-Preisbindung nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt werden könne, da es nicht geeignet sei, die angestrebten Ziele zu erreichen.
Weitere Feststellungen nötig
Nun führt der BGH aus: Die Klägerin – also die Apothekerkammer – könne mit ihrer Klage nur Erfolg haben, „wenn sich im vorliegenden Verfahren Gesichtspunkte ergeben, die ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nahelegen“. Und weiter: „Ob Veranlassung besteht, im vorliegenden Rechtsstreit ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten, steht noch nicht fest. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen“.
Der BGH stellt im Weiteren fest, dass das EuGH-Urteil maßgeblich
auf ungenügenden Feststellungen des vorlegenden OLG Düsseldorf sowie des EuGH
selbst beruhe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Feststellungen im
vorliegenden Verfahren nachgeholt werden könnten. Daher müssten die Parteien im
vorliegenden Verfahren Gelegenheit erhalten, zur Geeignetheit der arzneimittelrechtlichen
Preisbindung für eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung vorzutragen. „Sollte dies in schlüssiger Weise geschehen, wird das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben,
ohne die sich
die
Geeignetheit der
deutschen Regelung für das erstrebte Ziel nicht abschließend beurteilen lässt“,
so der BGH weiter. Das heißt: Dann könnte das OLG nochmals den EuGH anrufen.
Die Apothekerkammer Nordrhein und ihr Anwalt Dr. Morton Douglas hatten nach der mündlichen Verhandlung im November nicht mit so klaren Aussagen des BGH gerechnet. Sie wollen die Entscheidung nun genau analysieren – um dann die richtigen Schritte einzuleiten. Nun wollen sie versuchen, die Gerichte doch noch zu überzeugen, dass die Arzneimittelpreisverordnung geeignet ist, die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu sichern – und damit ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gerechtfertigt ist. Seit dem EuGH-Urteil haben sich bereits verschiedene Experten an die Arbeit gemacht, die vermissten Belege beizubringen. Darunter auch eine von der Noweda und dem Deutschen Apotheker Verlag in Auftrag gegebene Studie.
Kammerpräsident Lutz Engelen zeigte sich erfreut über die Entwicklungen. Er sieht das beharrliche Vorgehen der AKNR, auch nach dem EuGH-Urteil nicht aufzugeben, durch die Ausführungen des BGH bestätigt.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. November 2016, Az.: I ZR 163/15
5 Kommentare
RX-Versandverbot
von Dr. Radman am 09.05.2017 um 8:16 Uhr
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Wir müssen die Chance nutzen!
von G. Wagner am 08.05.2017 um 20:13 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Wir müssen die Chance nutzen
von Martin Didunyk am 08.05.2017 um 20:24 Uhr
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
von Martin Didunyk am 08.05.2017 um 19:33 Uhr
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Zur Beitragssicherung
von Bernd Jas am 08.05.2017 um 19:02 Uhr
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