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Hier sind Deutschlands Rezeptsammelstellen

Stuttgart - 27.06.2017, 12:15 Uhr

Die Anzahl an Rezeptsammelstellen pro 100.000 Einwohner schwankt in Deutschland stark. (Foto: DAZ.online)

Die Anzahl an Rezeptsammelstellen pro 100.000 Einwohner schwankt in Deutschland stark. (Foto: DAZ.online)


Rund 1260 Rezeptsammelstellen gibt es derzeit in Deutschland: In Hessen sind mit 206 Sammelstellen die meisten installiert, obwohl die Apothekendichte genau im Bundesdurchschnitt liegt. Im Saarland sind es nur zehn Sammelstellen, und in den Stadtstaaten gibt es keine. Pro Einwohner gerechnet gibt es in Mecklenburg-Vorpommern 37-mal so viele Rezeptsammelstellen wie in Nordrhein-Westfalen. Woher kommen diese Unterschiede?

Rezeptsammelstellen werden immer mehr zum Politikum. Für die Apotheker sind sie ein Kernargument dafür, dass die Versorgung durch die Apotheke vor Ort, selbst wenn keine Offizin in der Nähe ist, qualitativ hochwertig gesichert ist. Die Versender, insbesondere DocMorris, meinen, dass der Arzneimittelversand (oder wie in Hüffenhardt ein Automat) die Versorgung besser sichert als ein Briefkasten.

Die derzeit geltenden Gesetze geben jedenfalls den Apothekern Recht: Denn laut Apothekenbetriebsordnung sollen die Rezeptsammelstellen die Arzneimittelversorgung in schlecht erschlossenen Regionen verbessern, wenn beispielsweise die letzte Apotheke eines Dorfes geschlossen hat: Rezeptsammelstellen ermöglichen Bürgern, nicht den teils weiten Weg zur Apotheke aufnehmen zu müssen.

Doch wie viele Sammelstellen gibt es in Deutschland – und in welchen Bundesländern sind es besonders viele? Auf Anfrage der FDP beim niedersächsischen Landtag wurden nun Zahlen veröffentlicht, wie diese über die Bundesländer verteilt sind.

Spannende Zahlen aus Niedersachsens Gesundheitsministerium

In der Antwort vom Donnerstag vergangener Woche erklärt die niedersächsische Gesundheitsministerin Cornelia Rundt, dass laut Abfrage bei allen Bundesländern derzeit insgesamt 1256 Rezeptsammelkästen in Deutschland installiert sind. Dabei fällt zunächst auf: Aufgrund der hohen städtischen Apothekendichte und des in allen Kammerregionen nötigen Mindestabstands zur nächstgelegenen Apotheke befinden sich in den drei Stadtstaaten überhaupt keine Rezeptsammelstellen – im Saarland sind es zehn.

Doch auf dem nächsten Platz liegt schon das mit knapp 18 Millionen Menschen einwohnerstärkste Bundesland: Nordrhein-Westfalen hat laut den nun veröffentlichten Daten nur 34 Rezeptsammelstellen. Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg als die drei flächenmäßig größten Bundesländer haben 133, 107 und 114 Sammelstellen, übertrumpft durch die kleineren Länder Sachsen-Anhalt mit 144 oder Hessen mit 206.  

Baden-Württemberg114
Bayern 133
Berlin 0
Brandenburg77
Bremen0
Hamburg0
Hessen 206
Mecklenburg-Vorpommern113
Niedersachsen 107
Nordrhein-Westfalen 34
Rheinland-Pfalz67
Saarland10
Sachsen127
Sachsen-Anhalt 144
Schleswig-Holstein 46
Thüringen7

Wie viele Briefkästen pro 100.000 Einwohner?

Auf der DAZ.online-Karte ist eingezeichnet, wie viele Rezeptsammelstellen die einzelnen Bundesländer pro 100.000 Einwohner besitzen. Spitzenreiter ist hier Mecklenburg-Vorpommern mit rund sieben, so dass es pro knapp 15.000 Einwohner eine Rezeptsammelstelle gibt. In Sachsen-Anhalt sind es 6,4 für 100.000 Einwohner, in Thüringen 3,6.

Auf den letzten Plätzen folgt vor den Stadtstaaten noch Nordrhein-Westfalen mit nur 0,2 Rezeptsammelstellen pro 100.000 Einwohner – also nur einer Sammelstelle pro gut einer halben Million Bewohner. Auffällig ist hier, dass Mecklenburg-Vorpommern das einzige Bundesland mit einer wirklich hohen Rezeptsammelstellen-Dichte ist. Andere Flächenländer wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Brandenburg verfügen über deutlich weniger Briefkästen pro 100.000 Einwohner.

Für Niedersachsen enthält die Antwort der Landesregierung auch Zahlen über die Entwicklung in den vergangenen Jahren. Die Gesamtzahl der niedersächsischen Rezeptsammelstellen schwankte nur leicht um gut 100: Im Jahr 2007 waren es 109, 2010 fiel die Zahl auf 97, und stieg bis zum letzten Jahr wieder auf 106. Während in kreisfreien Städten laut dem niedersächsischen Gesundheitsministerium keine Rezeptsammelstellen installiert sind, finden sich in Rotenburg und Wolfenbüttel jeweils sogar sieben.

Woher kommen die Unterschiede?

Aber warum gibt es zum Beispiel in einem Land wie Hessen, das laut Bundesamt für Statistik eine vier Mal so hohe Bevölkerungsdichte hat wie Mecklenburg-Vorpommern, mehr als doppelt so viele Rezeptsammelstellen? Und warum fällt auch Sachsen-Anhalt mit seinen 6,4 Sammelstellen auf 100.000 Einwohner so aus dem Rahmen? Die Apothekendichte in diesen Bundesländern (s. Kasten unten) gibt dafür jedenfalls keine Erklärung her: Schließlich liegt Hessen mit 25 Apotheken pro 100.000 Einwohner ganz genau im Bundesdurchschnitt. Mecklenburg-Vorpommern (26) und Sachsen-Anhalt (27) liegen sogar darüber. Und in Brandenburg, ein ländlich geprägtes Bundesland, liegt die Apothekendichte unter dem Bundesdurchschnitt, aber es gibt sehr viel weniger Rezeptsammelstellen (77) als in manch anderem Bundesland mit einer höheren Apothekendichte.

Die Unterschiede sind einerseits mit den unterschiedlichen Kammer-Richtlinien zu begründen. Die Apothekerkammern sind in den einzelnen Bundesländern damit beauftragt, die Zulässigkeit von Rezeptsammelstellen zu überprüfen. Die Bewertung des Versorgungsbedarfs der Kammern fällt in den einzelnen Regionen allerdings unterschiedlich aus. Recherchen von DAZ.online haben ergeben: Alle Kammern setzen einen grundsätzlichen Mindestabstand von 6 Kilometern zwischen dem Briefkasten und der nächsten Apotheke voraus. Die 6-Kilometer-Grenze geht auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 1974 zurück. Das Gericht hatte damals entschieden, dass der Mindestabstand nur in Ausnahmefällen unterschritten werden darf, wobei diese Ausnahmen gut begründet werden müssen.

Mindestabstand von 6 Kilometern + Sonderregelungen

Und genau wegen dieser Sonderregelungen gibt es so große Unterschiede in Verteilung der Rezeptsammelstellen. In Niedersachsen, wo die Apothekerkammer gleichzeitig auch die Aufsichtsbehörde des Bundeslandes ist, kann die 6-Kilometer-Grenze in Ausnahmefällen unterboten werden, beispielsweise, wenn ein Ort verkehrsmäßig schlecht angebunden ist. Näher als 4 Kilometer darf jedoch keine Sammelstelle an der nächsten Apotheke gelegen sein.

In Hessen und Mecklenburg-Vorpommern, die ja die höchsten Sammelstellen-Dichten aufweisen, gibt es niederigschwelligere Ausnahme-Regulierungen. In Mecklenburg-Vorpommern muss zwar grundsätzlich auch ein Mindestabstand von 6 Kilometern zur nächsten Apotheke eingehalten werden. Allerdings gibt es im Nordosten eine Sonderregelung, nach der eine Sammelstelle möglich ist, wenn die nächste Apotheke nicht in einer angemessenen Zeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Ein weiterer Faktor für eine die Verteilung der Rezeptsammelstellen ist natürlich die Bevölkerungsdichte. Mecklenburg-Vorpommern ist ein dünn besiedeltes Land, hier kommt es logischerweise häufiger vor, dass Ortschaften weiter als 6 Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt sind.

In Hessen kann die 6-Kilometer-Grenze in Ausnahmefällen sogar bis zu 3 Kilometer unterschritten werden. Dort ist es möglich, eine Rezeptsammelstelle schon in einem Abstand von 3 Kilometern zur nächsten Apotheke zu etablieren. Dazu heißt es in den Kammer-Statuten: „Besteht montags bis freitags vormittags und nachmittags sowie samstags vormittags einmal die Möglichkeit, Arzneimittel innerhalb ca. einer Stunde durch Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu beschaffen, ist die Abgelegenheit zu verneinen.“

Die Unterschiede bei den Sonderregelungen könnten auch erklären, warum es in Nordrhein-Westfalen vergleichsweise wenige Sammelstellen gibt: Zumindest in Westfalen-Lippe gilt nämlich, dass die 6-Kilometer-Grenze bei schlechter Erreichbarkeit des Ortes maximal um einen Kilmeter unterschritten werden darf. Die 6-Kilometer-Grenze setzt allen Kammern also einen klaren Rahmen. Bei den Sonderregelungen haben die Körperschaften allerdings teilweise Spielraum. Denn das Erreichbarkeits-Kriterium können sie unterschiedlich auslegen.

Bundesland        Öffentliche Apotheken
  Anzahl Apothekendichte*
Baden-Württemberg 2.578 24
Brandenburg 576 23
Hamburg 414 23
Hessen 1.518 25
Mecklenburg-Vorpommern 409 26
Niedersachsen 1.988 25
Nordrhein-Westfalen 4.332 25
Saarland 313 32
Sachsen-Anhalt 609 27

* Apotheken je 100.000 Einwohner
Quelle: ABDA-Statistik

Diskussionen im Südwesten

In Baden-Württemberg hängt die derzeit wohl berühmteste Rezeptsammelstelle Deutschlands: Im Örtchen Hüffenhardt nimmt sie weiter Rezepte entgegen, während der von der niederländischen Versandapotheke DocMorris aufgestellte Arzneimittel-Abgabeautomat nach mehreren gerichtlichen Entscheidungen geschlossen wurde.

Vielleicht wird im Südwesten Deutschlands demnächst auch die modernste Rezeptsammelstelle Deutschlands aufgestellt: Der dortige Landesapothekerverband plant eine digitale Sammelstelle. Sie soll das Rezept direkt scannen und der zuständigen Apotheke übermitteln, so dass die Lieferung direkt vorbereitet werden kann und die Ortschaft nur einmal angefahren werden muss.

DAZ.online hatte die Versorgungslage im Südwesten analysiert, nachdem das dortige Gesundheitsministerium Zahlen über die Apothekendichte veröffentlicht hatte. Den Text finden Sie hier.

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Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Das ist erst der Anfang einer ... Beichte ...

von Christian Timme am 28.06.2017 um 5:10 Uhr

Also die Unterhose hätte es ja nun wirklich nicht gleich sein müssen? Die nächste Zahl bitte ...

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