Medizinalhanf

Grüne kritisieren Bundesregierung in Sachen Cannabis

Berlin - 31.08.2017, 16:30 Uhr

Aufgrund anhaltender Probleme mit Medizinalhanf kritisieren die Grünen die Bundesregierung stark. (Foto: Michael / Fotolia)

Aufgrund anhaltender Probleme mit Medizinalhanf kritisieren die Grünen die Bundesregierung stark. (Foto: Michael / Fotolia)


Ein halbes Jahr nachdem Cannabis verschreibungs- und erstattungsfähig wurde, gibt es zunehmende Probleme: Viele Krankenkassen erstatten die Kosten nicht, außerdem ist ein Lieferengpass entstanden. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage zeigt sich die Bundesregierung unwissend. Die Grünen kritisieren den späten Start des Cannabis-Anbaus in Deutschland – und auch die Erstattungspolitik der Kassen.

Knapp sechs Monate nachdem am 10. März mit dem Cannabis-Gesetz  Cannabis-Präparate für manche schwerkranke Patienten verordnungs- und erstattungsfähig wurden, zieht die Grünen-Fraktion eine negative Bilanz. Für viele Patienten wie auch Ärzte sei mit dem Gesetz die Erwartung verbunden gewesen, dass der Zugang und die Versorgung mit Cannabis als Medizin nun erleichtert werde, schreibt sie in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung. „Rückmeldungen von betroffenen Patientinnen und Patienten sowie Presseberichte zeigen jedoch, dass es vielfältige Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes gibt“, betont die Fraktion.

So sei das Antragsverfahren für die Kostenerstattung bei den Kassen weiterhin aufwendig. Viele Patienten berichteten, dass ihre Krankenkasse die Kostenerstattung nicht genehmigt, obwohl der behandelnde Arzt die Notwendigkeit der Therapie mit Cannabis bestätigt habe, schreiben die Grünen. „Auch in Fällen, in denen bereits eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) vorliegt, wird die Kostenerstattung mitunter nicht genehmigt“, bemängeln sie – wie auch die gestiegenen Kosten für Medizinalhanf.

Bundesregierung hat keine Zahlen

Rund 60 Fragen stellten die Grünen an die Bundesregierung – und erhielten nur wenige Informationen. Wie oft wurden bislang Anträge auf Kostenerstattung gestellt, an welchen Erkrankungen leiden die Patienten, wie oft wurde der Antrag jeweils genehmigt, oder wie oft wurde trotz vorheriger Ausnahmeregelung die Kostenerstattung abgelehnt? „Die Antragstellung erfolgt bei den Krankenkassen“, erklärt das Bundesgesundheitsministerium – weder der Bundesregierung noch dem GKV-Spitzenverband lägen hierzu Zahlen vor. Anfragen unter anderem von DAZ.online hatten ergeben, dass viele Kassen einen großen Teil aller Anträge ablehnen.

Auch Fragen beispielsweise zu Widerspruchsbescheiden bleiben unbeantwortet. Einzig beim Thema Eigenanbau sieht es anders aus: Seit Mai 2005 hätten rund 320 Patienten einen Antrag zum Anbau von Cannabis zur medizinischen Verwendung gestellt. Lediglich zwei Anträge hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte genehmigt, nachdem Betroffene bis zum Bundesverwaltungsgericht gezogen waren und im vergangenen Jahr Recht erhalten haben. Auch nach Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes wurden 19 Anträge auf Eigenanbau gestellt, von denen jedoch bislang offenbar keiner genehmigt wurde. 109 Anträge seien bislang „versagt“ worden, in rund 120 Fällen hätten Patienten den Antrag zurückgenommen – und weitere 89 Anträge seien noch in Bearbeitung. 

MDK erstellt einen Begutachtungsleitfaden zu Cannabis

Fragen zu Prüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), über den die Kassen die Kostenerstattung in vielen Einzelfällen untersuchen lassen, bleiben wiederum mit Verweis auf nicht vorliegende Daten großteils offen. Die Bundesregierung bestätigt lediglich, dass der MDK derzeit einen Begutachtungsleitfaden zum medizinischen Einsatz von Cannabis erstellt – sie sei jedoch „an der Erarbeitung der Begutachtungsanleitung nicht beteiligt“, heißt es.

Die Bundesregierung sieht keinen Bedarf, die Anforderung, dass eine Kostenerstattung bei Cannabisprodukten einzeln von der Kasse genehmigt werden muss, zu ändern. „Mit dem Genehmigungsvorbehalt wird dem Ausnahmecharakter der Regelung Rechnung getragen“, erklärt sie. „Die Erstattung von weiteren Arzneimitteln auf Cannabisbasis wird ermöglicht, obwohl für sie kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt, wie er ansonsten nach dem Arzneimittelgesetz für zugelassene Fertigarzneimittel erforderlich ist, sodass eine Änderung nicht angezeigt ist.“

13 Sorten dürfen importiert werden

Laut der Kleinen Anfrage der Grünen müssen Patienten offenbar teilweise eine Erklärung unterzeichnen, um zu versichern, dass die Cannabistherapie für Dritte unzugänglich ist und dass sie dies mit geeigneten Maßnahmen sicherstellen. Die Fraktion fragt, ob dies auch bei anderen verschriebenen Betäubungsmitteln wie Fentanylpflastern oder Morphintropfen nötig sei – und wie die Regierung derartige Pflichten bewertet. „Patienten, die Betäubungsmittel aufgrund einer Verschreibung in einer Apotheke erworben haben, unterliegen keinen betäubungsmittelrechtlichen Überwachungsmaßnahmen“, heißt es in der Antwort. „Betäubungsmittel sollten – wie andere Arzneimittel auch – stets so aufbewahrt werden, dass sie von Dritten nicht einfach in Besitz genommen werden können, zum Beispiel in einem abschließbaren Medizinschrank“, erklärt die Regierung.

Auch zur Verfügbarkeit von Cannabismitteln äußert sich die Regierung auf die Grünen-Anfrage. Für 13 Sorten lägen nach Auskunft des BfArM gültige Importgenehmigungen vor, erklärt das Bundesgesundheitsministerium – und führt Argyle, Bedica, Bediol, Bedrobinol, Bedrocan, Bedrolite, Houndstooth, Pedanios 14/1, Pedanios 16/1, Pedanios 18/1, Pedanios 22/1, Penelope und Princeton an. 

„Bundesregierung verschließt die Augen vor den massiven Umsetzungsproblemen“

„Es liegen derzeit Meldungen vor, dass einige Sorten an Medizinal-Cannabisblüten im Einzelfall nicht lieferbar sind“, bestätigt die Bundesregierung und verweist auf Rezepturarzneimittel wie Dronabinol, das bei der Rezepturzubereitung auch in verschiedenen Stärken mit Cannabidiol gemischt werden könne, oder zugelassene Fertigarzneimittel wie Sativex® oder Canemes®. „Hinweise auf eine mögliche Unterversorgung beziehungsweise fehlende Marktverfügbarkeit bei diesen Cannabisarzneimitteln liegen der Bundesregierung nicht vor“, erklärt sie. Fragen zu den von vielen Patienten als teuer empfundenen Apothekerhonoraren begegnet das Gesundheitsministerium mit einem Hinweis auf die laufenden Verhandlungen zwischen dem DAV und dem GKV-Spitzenverband, für die am heutigen Donnerstag die Frist abläuft.

„Die Bundesregierung verschließt die Augen vor den massiven Umsetzungsproblemen, die es beim Gesetz zu Cannabis als Medizin gibt“, erklärt der drogenpolitische Sprecher der Grünen, Harald Terpe, gegenüber DAZ.online. „Offensichtlich erfinden die Kassen zusätzliche Hürden, die der Gesetzgeber gar nicht vorgesehen hat, um die Kosten der Behandlung nicht tragen zu müssen.“

Die Lieferprobleme bei einigen Cannabissorten seien ein Problem, das man nicht hätte, „wenn man früher mit dem Aufbau einer Cannabisagentur begonnen und vielleicht auch mal einen Anbau im Inland in Betracht gezogen hätte“, betont Terpe. „Die Bundesregierung ist nunmehr in der Pflicht, alle Akteure an einen Tisch zu holen und auf eine patientennahe Umsetzung des Gesetzes zu drängen.“ Notfalls bedürfe es einer Änderung des Cannabis-Gesetzes, erklärt der Grünen-Politiker.

Informationen zur Abgabe von Cannabis sollte die ABDA haben. Sie hatte bislang lediglich erklärt, dass Apotheken in den drei letzten Märzwochen mehr als 500-mal Cannabisblüten abgegeben haben. Zahlen für das zweite Quartal 2017 wollte ein Sprecher zunächst nicht bekannt geben.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Cannabis , war doch klar

von Ratatosk am 31.08.2017 um 19:04 Uhr

Daß sich eine verwöhnte GKV immer weniger an politische Vorgaben hält ist doch auch gerade von den Grünen angezüchtet. Was die GKV will, wird ihr von der Politik meist serviert, wenn man etwas nicht richtig umsetzt gibt es kaum Konsequenzen oder Sanktionen, da die richtigen Leutchen wie Ulla, oder die Professoren es schon hinbiegen.
Daß bei unserer Bürokratie der Anbau nicht starten will ist auch klar, nur gestörte Masochisten würden alle bürokratischen Hürden angehen wollen, die gerade in Deutschland bald jedes Engagement abwürgen. Auch die Preise für Cannabis sind ja ausschließlich deshalb so hoch, da das Zeug fast überall wie Unkraut wachsen würde !

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