Europa, deine Apotheken (Irland)

Apotheken in der Finanzkrise und ein Nicht-Abgabe-Honorar

Berlin - 08.09.2017, 07:00 Uhr

Mehr Einzelinhaber als Ketten: Obwohl es in Irland keine Regulierungen zum Besitz von Apotheken gibt, halten Kettenunternehmen nur zwischen 20 und 30 Prozent des Marktes. (Foto: dpa)

Mehr Einzelinhaber als Ketten: Obwohl es in Irland keine Regulierungen zum Besitz von Apotheken gibt, halten Kettenunternehmen nur zwischen 20 und 30 Prozent des Marktes. (Foto: dpa)


Apotheker wollen Rückabwicklung der Sparmaßnahmen

Das erste und wichtigste Lobby-Ziel des Apothekerverbandes war es in den vergangenen Jahren, die Sparmaßnahmen wieder zurücknehmen zu lassen. In einem aktuellen Papier des Verbandes an den Gesundheitsminister heißt es, dass 2016 erstmals wieder ein starkes Wachstumsjahr für die irische Wirtschaft gewesen sei. Das derzeitige Vergütungsniveau sei daher nicht mehr zu rechtfertigen. Insgesamt seien seit 2009 mehr als 2,6 Milliarden Euro im Apothekenmarkt eingespart worden. Der Apothekerverband schlägt nun vor, dass die einzelnen Stufen des Fixhonorars wieder abgeschafft und ein einheitliches Fixum von 5,00 Euro eingeführt wird. So würden sich Mehreinnahmen von ca. 60 Millionen Euro für die Apotheker ergeben. Trotz der herben Einsparungen ist der Apothekenmarkt in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen: 2010 gab es noch rund 1400 Apotheken in der Republik, heute sind es etwa 1800 – damit gehört Irland auch zu einem der am schnellsten wachsenden Apothekenmärkte Europas.

Immerhin konnten die Apotheker an einer anderen Front ein wichtiges Ziel erreichen: 2011 ermöglichte der Gesetzgeber, dass Apotheker in der Republik Grippe-Impfungen verabreichen und dafür ein Extra-Honorar abrechnen dürfen. Schon im ersten Jahr impften die Apotheker mehr als 9000 Menschen, in der Saison 2013/2014 waren es schon mehr als 40.000 Irinnen und Iren. Laut Apothekerverband verbessert der neue Service die Gesundheit im Land. Schließlich habe ein Viertel der Patienten, die sich in der Apotheke impfen ließen, angegeben, vorher noch nie eine Impfung bezogen zu haben. Je nach Vertrag erhalten die Apotheker bis zu 15 Euro pro Impfung.

Apotheker können Nicht-Abgabe-Honorar abrechnen

Außerdem gibt es in Irland noch ein ganz besonderes Extra-Honorar, für das viele Länder die Iren beneiden: die Nicht-Abgabe-Vergütung. Hintergrund dieses Honorars ist der Gedanke der Krankenversicherung, dass Apotheker dafür vergütet werden sollen, wenn sie Doppel-Verordnungen oder unnötig verordnete Arzneimittel aufdecken und diese dann nicht abgeben. Die Apotheker müssen die Abrechnung dieser Sonderziffer aber pharmazeutisch begründen können, das Nicht-Abgabe-Honorar beträgt derzeit 3,27 Euro.

Eine weitere Dienstleistung, die Apotheker in Irland zusätzlich vergütet bekommen, ist die Beratung bei Notfall-Kontrazeptiva. Der Apothekerverband fordert zudem, dass die Apotheker sich an einem sogenannten „Minor Ailment Scheme“ beteiligen können. Dabei würden Apotheker Patienten mit leichten Erkrankungen, wie etwa einer Erkältung auch ohne Arzt-Rücksprache selbst beraten und in einigen Fällen auch Rx-Präparate, wie etwa Antibiotika, abgeben dürfen. Der Verband hat dem Ministerium dafür ein Pilotprojekt vorgeschlagen, das bald starten könnte.

Was die Digitalisierung im Apothekenmarkt betrifft, hinken die Iren, gemeinsam mit Deutschland, hinterher. Der Datenfluss zwischen Apotheken und Großhändlern ist zwar bereits digitalisiert. Allerdings sind elektronische Rezepte bis auf wenige Pilotprojekte noch die große Ausnahme. Ein Programm zur Einführung von E-Rezepten ist aber bereits gestartet worden.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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