Landversorgung

DocMorris will Heimat stiften

Berlin - 06.10.2017, 17:35 Uhr

Landversorgung nur mit DocMorris und Apothekern gemeinsam: DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller will digitale Lösungen dort etbalieren, wo es keine Apotheken mehr gibt. (Foto: diz)

Landversorgung nur mit DocMorris und Apothekern gemeinsam: DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller will digitale Lösungen dort etbalieren, wo es keine Apotheken mehr gibt. (Foto: diz)


Die niederländische Versandapotheke DocMorris will mithelfen, die Infrastruktur in ländlichen Gebieten zu erhalten. Am Beispiel Hüffenhardt erklärte DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller beim Kongress Versorgungsforschung in Berlin, dass digitale Lösungen mit bestehenden Versorgungsangeboten gemeinsam die Heimat der Landbewohner bewahren und erneuern könnten. Was Müller in seiner Ode an Hüffenhardt nicht erwähnte, ist, dass der DocMorris-Arzneimittelautomat wegen Gerichtsbeschlüssen inzwischen geschlossen ist.

In diesen Tagen findet in Berlin der 16. Kongress für Versorgungsforschung statt. DocMorris ist einer der „Silber-Sponsoren“ des Kongresses. Bei dem Kongress gibt es mehrere Vorträge, Podiumsdiskussionen und Seminare zu innovativen Versorgungsformen. Am heutigen Freitag ging es in mehreren Vorträgen auch um das Thema „Digitale Geschäftsmodelle zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung". Ausrichter dieser Vortragsreihe war der Bundesverband Managed Care (BMC). Der BMC vertritt viele große Fachverbände aus dem Gesundheitswesen und sieht sich als „Innovationsforum an der Schnittstelle zwischen Politik, Wissenschaft und Gesundheitswirtschaft“. Die ABDA war im Dezember unter Protest aus dem Verband ausgetreten, weil der Verband nach dem EuGH-Urteil in einer Pressemitteilung erklärt hatte, dass nun die „Tür für den Arzneimittel-Versandhandel“ geöffnet werden müsse und eine „flexiblere Preisgestaltung in der deutschen Apothekenlandschaft“ eingeführt werden müsse.

Müller beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem Thema „Telepharmazie 2017“. Der DocMorris-Strategiechef bezog sich gleich zu Anfang seiner Rede auf ein politisch brandaktuelles Thema. Müller sagte: „Die Diskussion um den Begriff ‚Heimat‘, die es jetzt gerade nach der Bundestagswahl gibt, haben wir bei DocMorris vorweggenommen.“ Müller führte aus, dass die Digitalisierung aus seiner Sicht nicht weggehe und dass digitale Versorgungsmodelle das Potenzial haben, die Probleme in unterversorgten Regionen mitzulösen. Allerdings sei es ein „leeres Versprechen“ der Politik, wenn sie den Menschen sage, dass die ländlichen Räume unverändert erhalten bleiben könnten. Das sei weder finanzierbar noch machbar, so Müller. Vielmehr müsse der Begriff „Heimat“ neu definiert werden, in dem bestehende und digitale Versorgungsmodelle gemeinsam ein neues Angebot bildeten.

Worauf der DocMorris-Vorstand damit auch anspielte, ist klar: das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und der ABDA geforderte Rx-Versandverbot. An mehreren Stellen seiner Rede attackierte Müller Minister Gröhe. Er bezeichnete das Rx-Versandverbot als „Post-Wahlkampf-Geschenk“ und ging mit dem Minister hart ins Gericht, weil er Vorschläge des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) zur Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft aus seiner Sicht ignoriert habe. „Wenn man nur das Bestehende bewahren will, kommt man nicht voran“, so Müllers Fazit.

Müller: Die Apotheker-Funktionäre hatten keinen Bock

Für den Apothekenmarkt kommt DocMorris daher zu dem folgenden Lösungsvorschlag. „Dort, wo es funktionierende Apothekenstrukturen gibt, sollen diese auch bewahrt werden. Aber in Gegenden, wo es keine Apotheken mehr gibt, da müssen neue Lösungen her.“ Denn genau in diese Regionen gehe „keiner mehr hin“, so Müller. Als konkretes Beispiel für ein solches ergänzendes Angebot auf dem Land nannte Müller den Arzneimittelautomaten in Hüffenhardt. Müller erklärte kurz die Apotheken-Geschichte des baden-württembergischen Örtchens. Nach der Schließung der einzigen Apotheke habe es einen Dialog mit den Apotheker-Funktionären gegeben, die hätten aber alle gesagt: „Wir haben keinen Bock, das lohnt sich nicht.“

Aus DocMorris-Sicht ist Hüffenhardt aber ein typisches Beispiel einer Gemeinde, die trotz Strukturproblemen noch eine Zukunft hat. Müller erklärte, dass es in dem Ort noch eine Schule und einen Kindergarten gebe. „Es gibt also durchaus nachfolgende Generationen in Hüffenhardt“. Deswegen habe sich DocMorris dazu entschieden, „Mensch und Maschine“ zusammenzubringen.

Kritik an Gröhe und Apotheker-Funktionären

Nach der Vorstellung der Funktionsweisen des Automaten (inklusive Rezept-Abgabe und Video-Beratung) vergaß Müller allerdings einen sehr wichtigen Aspekt beim Thema „Hüffenhardt“: Dass es inzwischen mehrere Gerichtsbeschlüsse gibt, die DocMorris zumindest vorläufig untersagen, in der ehemaligen Apotheke über einen Automaten Medikamente abzugeben – ganz egal, ob sie rezeptpflichtig sind oder nicht. 

Vielmehr lenkte der DocMorris-Vorstand die Hüffenhardt-Debatte auf den Protest der Apothekerschaft. Nach einem kurzen Schlenker zum Apothekenbus von DocMorris, den die Apotheker ebenfalls abgelehnt hätten, sagte er: „Der Bus ist doof, die digitale Apotheke ist doof, und auch der Versandhandel gehört verboten. Nur die Rezeptbüchse im Ort, die ist gut und soll die Probleme lösen“, erklärte Müller. Aus Sicht des DocMorris-Vorstandes ist die Argumentation der Apotheker auch mit Blick auf die Botendienste nicht stichhaltig: „Ich möchte jetzt nicht in die Tiefen des Apothekenrechts einsteigen, aber die Differenz zwischen dem Versandhandel und den Botendiensten erschließt sich mir nicht immer.“

Die Hoffnung hat Max Müller aber noch nicht aufgegeben, er setze weiterhin auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Apothekern. Denn: „Apotheker können so viel mehr, sie dürfen es aber nicht, weil man glaubt, dass einem etwas weggenommen wird.“ Unter dem Begriff „Apotheke 4.0“ stellt sich DocMorris eine kooperative Versorgungsstruktur von Apothekern und dem Versandhandel vor. Für ein solches Projekt brauche es nur „ein paar mutige Leute“ und eine digitale Idee, die man zusammenlegen müsse. „Rundumbetreuung und -versorgung des Patienten, unabhängig vom Bezugskanal der Arzneimittel“, war auf einer Folie zu lesen, die im Hintergrund gezeigt wurde. Beteiligt an der Arzneimittelversorgung sind demnach die Versandapotheke, die „mobile Apotheke“, die „Tele-Apotheke“, weitere Services (wie etwa die digitale Rezeptsammelstelle) – und die Vor-Ort-Apotheke.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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