Diuretikum im Vitamincocktail 

Tennisprofi beschuldigt Apotheke

Stuttgart - 05.01.2018, 11:50 Uhr

Der brasilianische Tennis-Profi Thomasz Bellucci hat eine kreative Ausrede für sein Dopingvergehen. (Foto: picture alliance / dpa)

Der brasilianische Tennis-Profi Thomasz Bellucci hat eine kreative Ausrede für sein Dopingvergehen. (Foto: picture alliance / dpa)


Der brasilianische Tennis-Profi Thomasz Bellucci muss eine fünfmonatige Dopingsperre absitzen. Verantwortlich für den positiven Test war seiner Aussage nach ein kontaminierter Vitamincocktail. Bellucci machte die herstellende Apotheke dafür verantwortlich. Nachgewiesen wurde das Diuretikum Hydrochlorothiazid. Aber warum ist das eigentlich verboten?

Im vergangenen Juli war der brasilianische Tennis-Profi Thomasz Bellucci, aktuell die Nummer 112 der Weltrangliste, bei einer Dopingkontrollle positiv getestet worden. Ihn selber trifft aber nach eigener Aussage keine Schuld, sondern die Apotheke, aus der der er einen für ihn hergestellten Vitamin-Cocktail bezogen hatte. Dieser sei nämlich mit Hydrochlorothiazid (HCT) verunreinigt gewesen, also der Substanz auf die Belluci positiv getestet wurde. Aber warum ist HCT eigentlich verboten?

Warum HCT als Dopingmittel?

Hydrochlorothiazid, beziehungsweise Diuretika, sind keine Dopingmittel im klassischen Sinne. Sie wirken nicht leisungssteigernd. Dennoch stehen sie auf der Verbotsliste der Anti-Doping-Agenturen. Im Leistungssport kommen sie aus zwei Gründen zum Einsatz: Einmal, um durch die Diuretika-Bedingte erhöhte Wasserausscheidung das Körpergewicht zu senken. Das passiert zum Beispiel in Sportarten mit Gewichtsklassen, wie Boxen. So versuchen die Athleten weniger auf die Waage zu bringen, um in einer niedrigeren Gewichtsklasse starten zu können. Auch im Pferdesport kommen Diuretika zum Einsatz, weil ein geringeres Körpergewicht hier Vorteile bringt.

Der zweite Grund, warum Sportler Diuretika einnehmen, ist, um andere verbotene Substanzen zu maskieren. Durch die erhöhte Wasserausscheidung wir der Urin stark verdünnt, auf diese Weise kann die Konzentration anderer Wirkstoffe unter die Nachweisgrenze gedrückt werden. Daher gelten auch Proben, bei denen ein bis zu einem bestimmten Grenzwert erlaubter Wirkstoff (wie Salbutamol oder Formoterol), in Kombination mit einem Diuretikum nachgewiesen wir immer als positiv – auch wenn der Arzneistoff eigentlich im erlaubten Bereich lag.  

Verbotene Diuretika und Maskierungsmittel 

  • Acetazolamid; Amilorid; Bumetanid; Canrenon; Chlortalidon; Etacrynsäure; Furosemid; Indapamid; Metolazon; Spironolacton; Thiazide, zum Beispiel Bendroflumethiazid, Chlorothiazid und Hydrochlorothiazid; Triamteren und Vaptane, zum Beispiel Tolvaptan
  • Desmopressin; Probenecid; Plasmaexpander, zum Beispiel Glycerol und intravenös verabreichte/s Albumin, Dextran, Hydroxyethylstärke und Mannitol. 

Kontaminierter Vitamincocktail: Ist die Erklärung plausibel?

Diuretika (und andere Maskierunsgmittel) waren im Jahr 2016 weltweit die Substanzklasse, die am vierthäufigsten bei Dopingkontrollen nachgewiesen wurde, nämlich 499 Mal. Das entspricht 12 Prozent aller Fälle. Nur Anabolika (43 Prozent), Hormone und Stoffwechselmodulatoren (17 Prozent) sowie Stimulantien (13 Prozent)  wurden häufiger nachgewiesen. HCT war dabei die am häufigsten eingesetzte Substanz. 158 Proben wurden positiv auf das Thaitiddiuretikum getestet. Das sind 32 Prozent aller Dopingfälle, in denen Diuretika nachgewiesen wurden. Platz zwei geht an Furosemid mit 131 Fällen (26 Prozent). Die Disziplinen mit den meisten positiven Diuretika-Nachweisen waren Bodybuilding, Boxen, Judo, Gewichtheben und Bridge.

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Alles andere als gute Herstellungspraxis 

Die Antidoping-Kommission des Tennis-Weltverbandes ITF erklärte in einer Stellungnahme, sie akzeptiere Belluccis Erklärung, wie es zur Aufnahme der verbotenen Substanz kam. Aus Apothekersicht ist eine Kreuzkontamination eines rezepturmäßig hergestellten Vitaminpräparats mit HCT zwar theoretisch möglich und würde auch durch normale Inprozesskontrollen nicht detektiert werden. Nach Einnahme wird HCT fast zu 100 Prozent renal eliminiert. Nach oraler Einzeldosis werden 50 bis 70 Prozent der Dosis innerhalb von 24 Stunden ausgeschieden und bereits nach 60 Minuten erschienen nachweisbare Mengen im Urin. Praktisch würde es einen groben Verstoß gegen jegliche gute Herstellungspraxis bedeuten.

In der Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung heißt es explizit, dass gegebenenfalls technische und organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen und Verwechslungen bei der Herstellung von Rezepturarzneimitteln zu treffen sind. Anderswo gibt’s es vermutlich Vergleichbares. Sollte die Erklärung des Tennisprofis der Wahrheit entsprechen, wurde das definitiv nicht berücksichtigt. Über die Apotheke, zum Beispiel in welchem Land sie sich befindet, ist allerdings nicht Näheres bekannt. Ebenso wenig wie darüber, um was für eine Art „Vitamincocktail“ es sich handelte. 

Bellucci wäre allerdings nicht der erste Spitzensportler, der mit einer mehr oder wenigen abstrusen Erklärung für sein Dopingvergehen einigermaßen glimpflich davonkommt. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

"Vitamincocktail"? - Wahrscheinlich noch im Internet bestellt?

von Alexander Dehm am 17.01.2018 um 10:24 Uhr

Genau das Problem wurde schon genannt: aus welchem Land stammt der Vitamincocktail? Wahrscheinlich noch aus dem Internet bestellt? Vielleicht auf nen netten Link in ner SuperDuper Werbe-Email geklickt?

Na ja seis drum. Hauptsache jemand anderes ist schuld....

Aber eine Frage stellt sich trotzdem: was bitteschön ist ein Thaitiddiuretikum?
Hat da die Autokorrektur etwas verschlimmbessert?

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