Engpässe in Arzneimittelversorgung

„Keine Rabattverträge für lebensnotwendige Medikamente“

Berlin - 23.02.2018, 12:00 Uhr

Leere Schubladen und keine Lösung in Sicht. Eine Podiumsdiskussion auf der Handelsblatt Jahrestagung Pharma 2018 in Berlin beschäftigt sich mit dem Thema Engpässe in der Arzneimittelversorgung. (Foto: imago / Torsten becker)

Leere Schubladen und keine Lösung in Sicht. Eine Podiumsdiskussion auf der Handelsblatt Jahrestagung Pharma 2018 in Berlin beschäftigt sich mit dem Thema Engpässe in der Arzneimittelversorgung. (Foto: imago / Torsten becker)


Wie lassen sich Engpässe in der Arzneimittelversorgung vermeiden? Mit dieser Frage beschäftigte sich in diesen Tagen eine Podiumsdiskussion auf der Handelsblatt Jahrestagung Pharma 2018 in Berlin. Neben dem Ruf, die Produktion von Wirkstoffen wieder vermehrt von Asien nach Europa zurückzuholen, plädierten die Teilnehmer teilweise auch für einen strikteren Umgang mit Rabattverträgen sowie für eine faire Preisgestaltung zwischen Pharmaindustrie und Krankenhausapotheken.

Lieferengpässe, Lieferunfähigkeit, Versorgungsengpass, Versorgungsnotstand – diese Begriffe warf Markus Müller, zweiter Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), bei der 23. Handelsblatt-Jahrestagung Pharma in Berlin in die Runde, um auf die immer wieder auftretenden Probleme bei der Versorgung mit wichtigen Arzneimitteln aufmerksam zu machen. In einer Diskussionsrunde mit Vertretern von Generikaherstellern, Krankenkassen und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) war es insbesondere Dagmar Siebert, Senior Director Generics Germany des Generikaproduzenten Teva Ratiopharm, die bei diesem Thema klare Stellung bezog. Sie plädierte dafür, die Verfügbarkeit lebensnotwendiger Medikamente zu sichern, indem keine Rabattverträge mehr für Antibiotika und versorgungskritische Wirkstoffe geschlossen werden sollten. Zudem sollte die Arzneimittelversorgung auf eine breitere Basis gestellt werden und es keine exklusiven Tender, also Ausschreibungen, mehr geben. Immerhin seien 41 Prozent der Rabattverträge exklusiv mit einem Hersteller geschlossen. In 84 Prozent der exklusiv ausgeschriebenen Wirkstoffe habe ein Hersteller alle Gebietslose gewonnen. 

Rohstoffversorgung und Qualitätsmängel verursachen Probleme

Rund 60 Prozent der Versorgungsprobleme entfallen nach einer Analyse von ADKA-Mann Müller auf die Herstellung, die Rohstoffversorgung und Qualitätsmängel. Besonders einschneidend seien Lieferengpässe bei Injektionen und Infusionen –auf diese Gruppe entfielen rund 70 Prozent der Lieferengpässe, gleichzeitig spielten diese Produkte im Krankenhausalltag eine wichtige Rolle. In knapp sechs Prozent der Fälle liege die Ursache darin, dass Hersteller ausscheiden; nach Zahlen von Teva-Managerin Siebert hat sich beispielsweise die Zahl der Generikahersteller in Deutschland seit 2011 halbiert.

Wirkstoffproduktion in Asien als wesentliche Ursache

Als eine wesentliche Ursache für Engpässe oder Lieferunfähigkeiten bei Arzneimitteln machten die Gesprächsteilnehmer insbesondere die seit den 1990er-Jahren zu beobachtende Verlagerung von Generika-Wirkstoffen nach Asien aus. Ingrid Blumenthal, Vorsitzende der Geschäftsleitung von Aliud Pharma und Vice President Generics Germany von Stada, wies darauf hin, dass sich derzeit rund 70 Prozent der Produktion im Nicht-EU-Ausland befinden. Nicht selten gebe es für bestimmte Wirkstoffe nur einen oder zwei Hersteller. „Wenn dann eine Firma einen Produktionsausfall hat, wird es kritisch“, stellte Michael Horn, Leiter der Abteilung Zulassung 1 beim BfArM, fest. Das Ziel sollte es sein, Produktion wieder verstärkt nach Europa zu holen. Dies sollte aber nicht durch Regulierungen, sondern auf freiwilliger Basis geschehen, so die Experten.

„Krankenhausapotheken müssen wieder verlässlicher Partner werden“

Damit zusammenhängend machten die Diskussionsteilnehmer den starken Preisdruck bei Generika als eine wesentliche Ursache für die Produktionsverlagerungen in der Vergangenheit aus. „Basisantibiotika sind ruinös billig“, stellte Horn fest. Und Krankenhausapotheker Müller ergänzte: „Die Zitrone des Preises ist ausgequetscht.“ Selbstkritisch räumte er ein, dass es großen Krankenhaus-Einkaufsgemeinschaften oftmals an Verbindlichkeit gegenüber der Pharmaindustrie fehle und forderte von seiner eigenen Branche: „Wir müssen wieder ein verlässlicher Partner werden.“

Drohende Schadenersatzforderungen kommen dazu

Zu den hart ausgehandelten Preisen kommen drohende Schadenersatzforderungen für den Fall hinzu, dass ein Hersteller zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht die vereinbarten Mengen liefern kann. Teva-Managerin Siebert sieht darin eine erhebliche Last für die Pharmaunternehmen und drohte, dass sich ihr Unternehmen unter Umständen nicht mehr an Rabattverträgen beteiligen werde, wenn das Risiko eines Schadenersatzes zu groß sei. „Wir würden dann nur noch ´on the spot´ beliefern“, so Siebert. Ohnehin sieht sie die Gesundheitsbranche in einem Zielkonflikt: Zu den sinkenden Arzneimittelpreisen auf der einen Seite und der Pflicht zur dauerhaften Lieferfähigkeit auf der anderen Seite gesellten sich noch steigende Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen. „Allein Securpharm kostet uns 18 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren.“  

Mehrkosten für Krankenhausapotheken durch Umstellungen

Aber auch die Krankenhausapotheker leiden unter Lieferengpässen, wie Verbandsvertreter Müller deutlich machte. Da es eine direkte Lieferbeziehung zwischen Herstellern und Krankenhäusern gebe, seien diese Engpässe sofort spürbar. Für die Krankenhäuser würden dabei erhebliche Mehrkosten entstehen, da auf andere Arzneimittel umgestellt werden müsse. So koste eine namensgleiche, generische Umstellung nach seinen Worten an einem Universitätsklinikum rund 1900 Euro, eine generische Umstellung mit Änderung der Produktbezeichnung 3700 Euro, eine komplexe Umstellung, bei der beispielsweise ein anderer Wirkstoff eingesetzt werde, 7400 Euro. Einen erheblichen Einfluss hätten in Krankenhausapotheken die großen Mengen, die verwaltet und bearbeitet werden müssten. So würden in der Uniklinik Freiburg jährlich 4,2 Millionen Arzneimittelpackungen eingehen. In Müllers Klinik, dem Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin, seien es täglich 11.000 Packungen. Allein um diese Ware per Scanner zu erfassen sei eine Person zehn Stunden lang beschäftigt.

Letztlich wies Teva-Managerin Siebert darauf hin, dass Lieferengpässe nicht im Interesse der Hersteller seien. „Wir leben davon, dass wir Arzneimittel verkaufen“, betonte sie und plädierte dafür, gemeinschaftlich einen Konsens aller Beteiligten zu finden. Immerhin würden alle Akteure in der Lieferkette in der Verantwortung stehen.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Teilnehmer

von Dr.Diefenbach am 23.02.2018 um 14:34 Uhr

Wie schön,dass die KollegInnen vor Ort ,die den ganzen Sachverhalt,das ganze Hin-und Hergeschiebe der Verantwortung,diese unsäglichen Marktmechanismen,die letztendlich dem Großkapital geschuldet sind,so substanziell zu Wort kamen...Teva?Hat doch eine Menge Negativzahlen aufzuweisen,Um nur ein Beispiel für die kritisch zu bewertende Rednerliste zu nennen.Hier wird so viel Theatralik ins Spiel gebracht,warum was alles wie nicht geht-ausbaden tun es die Praktiker und Patienten.Nach wie vor.Seit Jahren!!Tendenz steigend.Dafür 29 Mrd Haben insgesamt bei der GKV.Die ist mit Schuld an dem Desaster.


der Redner zu nennen.

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