DAZ.online-Miniserie „Jüdische Apotheker“ (3)

Geschichten von Flucht und Vernichtung

Berlin - 17.08.2018, 17:50 Uhr

Apotheke im Ghetto Litzmannstadt (Lodz). Im Teil 3 der DAZ.online-Miniserie über jüdische Apotheker geht es darum, welche Wege jüdische Apotheker während der Verfolgung durch die Nazis genommen haben. ( r / Foto: dpa)

Apotheke im Ghetto Litzmannstadt (Lodz). Im Teil 3 der DAZ.online-Miniserie über jüdische Apotheker geht es darum, welche Wege jüdische Apotheker während der Verfolgung durch die Nazis genommen haben. ( r / Foto: dpa)


Widersprüchliche Politik der Nationalsozialisten?

Grundsätzlich kann die „Judenpolitik“ der Nationalsozialisten in unterschiedliche Phasen unterteilt werden. Schritt für Schritt forcierten die Nationalsozialisten zunächst die Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus dem gesellschaftlichen Leben und ihre Vertreibung aus Deutschland. In verschiedenen Emigrationswellen verließen viele dann auch das Land. Spätestens nach den Novemberpogromen von 1938 erhöhte sich die Bereitschaft vieler Juden, ihre deutsche Heimat zu verlassen. Dies war zunehmend schwierig, da viele Juden bereits ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt waren und viele Aufnahmeländer nicht „interessiert“ an verarmten Juden waren. Kaum ein Land erlaubte ab diesem Zeitpunkt noch eine uneingeschränkte Einwanderung. 

Als Gegenreaktion fand am 12. November 1938 eine interministerielle Konferenz im Reichsluftfahrtministerium in Berlin statt. Die Konferenzteilnehmer beschlossen, die Emigration der jüdischen Bevölkerung zu forcieren. Ab 1939 wurde zu diesem Zweck die „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“ gebildet. Mit Kriegsbeginn verlor die Reichszentrale ihre Bedeutung. Ab Oktober 1941 durften Juden nicht mehr ausreisen, es sei denn, es handelte sich um die von nun an durchgeführten Deportationsmaßnahmen Richtung der Ghettos im Osten. An die Stelle der Auswanderung trat nun also die Deportation – und letztlich die planmäßige Vernichtung jüdischen Lebens. Mehr als sechs Millionen Juden verloren durch den Völkermord europaweit ihr Leben.

Überleben im Exil

Das Überleben im Exil war nicht einfach. In den USA wurden zum Beispiel die deutschen Abschlüsse jüdischer Pharmazeuten nicht anerkannt. So waren deutsche Apotheker gezwungen, an amerikanischen Universitäten einen Abschluss nachzuholen. Die Bedingungen und die Studiendauer waren in den einzelnen Bundesstaaten sehr unterschiedlich. Die berufliche Eingliederung war auch durch Ressentiments nicht immer einfach. So beschrieb Dr. Max Daniel (Bublitz 1891-1964 San Francisco) die Probleme mit einheimischen Kollegen: „Auch in San Francisco bot sich das gleiche Bild wie in New York. Die Animosität der dortigen Kollegen war sehr groß gegen Ankömmlinge.“ Er resümierte aber auch: „Ich machte meine bitteren Erfahrungen, aber ich gab nicht auf.“

Auch in Palästina war für die meisten jüdischen Apotheker der Start sehr schwer. Die britischen Mandatsbehörden verlangten ein mindestens sechssemestriges Pharmaziestudium, so wie es den Bestimmungen in England entsprach. Doch deutsche Apotheker verfügten nur über drei- bzw. ab 1904 über ein viersemestriges Studium. Das änderte sich erst ab 1935. Zu spät für die jüdischen Apotheker. So wurden nur die wenigen Apotheker, die über eine Promotion verfügten, anerkannt. Da es aber damals in Palästina keine pharmazeutische Fakultät gab, konnte auch kein Nachstudium angehängt werden. Einige Apotheker hatten das Glück, dass sie einige Semester eines Zweitstudiums wie Medizin nachweisen konnten und so eine Lizenz zur Berufsausübung erhielten. Andere wiederum arbeiteten als „unlizenzierte Pharmazeuten“. Auf diese Weise entstand eine Art von „Zweiklassengesellschaft“.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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