DAZ.online-Miniserie „Jüdische Apotheker“ (3)

Geschichten von Flucht und Vernichtung

Berlin - 17.08.2018, 17:50 Uhr

Apotheke im Ghetto Litzmannstadt (Lodz). Im Teil 3 der DAZ.online-Miniserie über jüdische Apotheker geht es darum, welche Wege jüdische Apotheker während der Verfolgung durch die Nazis genommen haben. ( r / Foto: dpa)

Apotheke im Ghetto Litzmannstadt (Lodz). Im Teil 3 der DAZ.online-Miniserie über jüdische Apotheker geht es darum, welche Wege jüdische Apotheker während der Verfolgung durch die Nazis genommen haben. ( r / Foto: dpa)


Brasilien – Traumziel?

Brasilien gehörte zu den wenigen Ländern, die ohne größere Schwierigkeiten Einreisevisa für jüdische Migranten ausstellten. Allerdings war auch dort die Situation für jüdische Apotheker nicht leicht. Ab 1935 wurden zur Abschreckung einwanderungswilliger Pharmazeuten deren Abschlüsse nicht mehr anerkannt. Allerdings schafften es einige jüdische Apotheker ihre Existenz in der pharmazeutischen Industrie und in verwandten Industriezweigen zu sichern. Die Arbeit in öffentlichen Apotheken blieb ihnen meist verwehrt. So konnte auch Erich Loewenberg in Sao Paulo Fuß fassen und dort ein chemisch-pharmazeutisches Laboratorium gründen, das als „Quimica Especializada Erich Lowenberg Ltda“ zu einem führenden Unternehmen Brasiliens im Bereich der Feinchemikalien wurde.

Auswandernde Juden auf einem Schiff Richtung Südamerika. (Foto: Imago)

Bleiben – und was dann?

Ein Teil der jüdischen Apotheker sah in einer Auswanderung keinen gangbaren Weg für sich. Meist handelte es sich um assimilierte, oft patriotisch denkende Juden, die sich zu sehr in Deutschland verwurzelt sahen. Häufig sprach auch fortgeschrittenes Alter gegen eine Flucht. Ihr Schicksal ist sehr unterschiedlich verlaufen. Einige nahmen sich angesichts der Demütigungen und der Ausweglosigkeit ihrer Situation das Leben. Andere wurden verhaftet, deportiert und verloren schließlich ihr Leben in einem der Vernichtungslager.

Einige jüdische Pharmazeuten nahmen sich schon in den ersten Jahren nach 1933 das Leben. Die meisten Selbstmorde fanden allerdings unmittelbar vor den angekündigten Deportationsterminen statt. Das Schicksal des Dr. Josef Dawson Mayer (Mannheim 1870-1940 Wiesbaden) ist durch eine Reihe von Abschiedsbriefen an seine Familie gut belegt. Mayer war im April 1940 von einem Nazi-Beamten beim für Juden nicht erlaubten Eier-Kauf erwischt worden. Er wurde daraufhin angezeigt und ihm wurde gesagt, er solle sich „morgen ab 8 Uhr zur Verfügung halten“. In Verzweiflung nahm sich Mayer in der Nacht mit einer Überdosis Morphin das Leben. 

Deportation in Ghettos – Tod im Konzentrationslager

Das Leben des jüdischen Apothekers und ehemaligen Hamburger Geschäftsführers des Verbandes Deutscher Apotheker Wilhelm Fraenkel (Groß Strelitz 1885-1942 Litzmannstadt) endete im Ghetto Litzmannstadt, wie Lodz nach seiner Besetzung im Jahre 1940 genannt wurde. Der bekannte Apotheker wurde im Vorfeld seiner Deportation nach Lodz schon einmal als Folge einer Verhaftung während des Novemberpogroms für vier Wochen interniert – „Schutzhaft“ wie es damals benannt wurde. Im Ghetto Litzmannstadt fand er ein vollständig von der Umgebung isoliertes Leben vor. 164.000 Menschen wurden dort auf engstem Raum zusammengepfercht. Eine Infrastruktur mit Verwaltungsapparat, Geschäften –und auch Apotheken – wurde zur Aufrechterhaltung des „schönen Scheins“ geschaffen. Die Menschen starben dennoch an Hunger, Krankheiten oder den Folgen der Zwangsarbeit.

Viele jüdische Apotheker verloren ihr Leben in den Konzentrationslagern der Nazis. Unter ihnen der Apotheker Dr. Joseph Herzberg (Königsberg 1864-1942 Theresienstadt). Herzog war Leiter der wissenschaftlichen Abteilung und Berater der Handelsgesellschaft Deutscher Apotheker mbH. (HAGEDA). Seit 1934 durfte er dort nicht mehr arbeiten. Er bekam stattdessen seinen „Ausweisungsbefehl“ – und starb schließlich 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt. 

Nur wenige überlebten den Holocaust. 

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Die Artikel-Serie „Jüdische Apotheker“ der DAZ.online bezieht sich unter anderem auf das Buch von Frank Leimkugel „Wege jüdischer Apotheker“ bezüglich der Situation in Deutschland und auf die Arbeit von Esther Hell „Jüdische Apotheker im Fadenkreuz“, das die Situation jüdischer Pharmazeuten in Hamburg analysiert. Exemplarische Schicksale jüdischer Apotheker werden auf Basis der bereits benannten Quellen und einzelner im Internet verfügbarer Quellen beschrieben.

Die Datenlage zur Situation jüdischer Apotheker in Deutschland rund um die NS-Zeit – Zeitraum der DAZ.online-Miniserie – ist allgemein lückenhaft. Bedingt durch die geschichtlichen Ereignisse sind Akten und Schriftstücke der damaligen Behörden und betreffenden Organisationen im größeren Umfang vernichtet worden bzw. verschollen. Den Arbeiten von Leimkugel und Hell liegen unter anderem die Auswertungen vorhandener Dokumente verschiedener Landes- und Stadtarchive, einzelner Archive zur pharmazeutischen Geschichte, des Leo Baeck Institutes zur Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, des Amtes für Wiedergutmachung und der Entschädigungsbehörde Berlin zugrunde.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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