Geburtstag eines Klassikers

55 Jahre Valium

Stuttgart - 28.08.2018, 12:30 Uhr

In Deutschland wird kein Diazepam mehr unter der Marke Valium vertrieben. (c / Foto: picture alliance/BSIP)

In Deutschland wird kein Diazepam mehr unter der Marke Valium vertrieben. (c / Foto: picture alliance/BSIP)


Auf Euphorie folgt Ernüchterung

Diazepam bindet als Agonist an die Benzodiazepinbindungsstelle des GABAA-Rezeptors, einem Chlorid-Ionenkanal. Als allosterischer Modulator – eine konformationelle Änderung erhöht die Rezeptor-Empfindlichkeit – verstärkt es die inhibitorische Wirkung des Neurotransmitters γ-Aminobuttersäure (GABA). Eine verstärkte GABA-Aktivität führt zu einer erhöhten Öffnungsrate am Chloridkanal und damit zu einem verstärkten Einstrom von Chloridionen in die Zelle. Die Erhöhung der intrazellulären Chloridkonzentration führt durch Hyperpolarisation zu einer verminderten Erregbarkeit der Zelle.

Die Euphorie über die vermeintlich nebenwirkungsfreien neuen Mittel war groß. Vor allem beeindruckte ihre große therapeutische Breite. Auch suizidgefährdete Menschen konnten mit Valium® kaum Missbrauch treiben. Dennoch zogen bald Schatten über dem Tranquilizer auf. Es zeigte sich, dass Patienten von Valium® abhängig wurden. Außerdem hatte die Substanz in Kombination mit Alkohol unheilvolle Wirkungen. Schlagzeilen machten die Zusammenbrüche von Prominenten wie der Schriftstellerin Simone de Beauvoir oder der Schauspielerin Elizabeth Taylor. Auch beim Tod von Elvis Presley (1977) war offenbar Diazepam mit im Spiel.

Risiken und Abhängigkeitsgefahr

Heute kennt man die zahlreichen Risiken der inzwischen zahlreichen Benzodiazepine (zum Beispiel Bromazepam, Midazolam, Nitrazepam, Oxazepam). Sie können unter anderem die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit mindern, Gedächtnisstörungen und Verwirrtheitszustände hervorrufen und wegen der muskelentspannenden und hypnotischen Wirkung zu Stürzen führen. Man geht außerdem davon aus, dass es in Deutschland mehr als eine Million Benzodiazepin-Abhängige gibt. Dennoch stellen „Benzos“ nach wie vor wichtige Arzneimittel dar. Je nach Substanz werden sie vorzugsweise bei Angst-, Spannungs- und Erregungszuständen, als Schlafmittel, bei Epilepsie, bei muskulären Verspannungen oder vor operativen Eingriffen eingesetzt.

An die 4-K-Regel denken

Um die Abhängigkeitsgefahr zu minimieren, sollte man bei der Kundenberatung an die griffige 4-K-Regel denken:

  • Klare Indikation: Einnahme nur, wenn medizinisch notwendig, nicht vorbeugend
  • Kleinste notwendige Dosis: nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich einnehmen
  • Kurze Anwendung: Einnahme möglichst auf 14 Tage beschränken
  • Kein schlagartiges Absetzen: Medikament langsam ausschleichen


Ulrike Weber-Fina, Diplom-Biologin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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