Chinas Arzneimittelmarkt

Vom Nachmacher zum Innovator

München - 31.08.2018, 12:40 Uhr

Chinas Arzneimittelmarkt wächst und verändert sich: DAZ.online-Autor Thorsten Schüller beschreibt, wie China vom Generika-spezialisierten Land zum Innovator wird. ( r / Foto: Imago)

Chinas Arzneimittelmarkt wächst und verändert sich: DAZ.online-Autor Thorsten Schüller beschreibt, wie China vom Generika-spezialisierten Land zum Innovator wird. ( r / Foto: Imago)


Ritterschlag: Aufnahme in ICH

Dass die chinesische Pharmabranche im Wandel ist, zeigt auch die Tatsache, dass die CFDA im Juni 2017 offiziell Mitglied des International Council for Harmonization of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH) geworden ist, einer global tätigen Organisation, die die Zulassungsbehörden und die Pharmaindustrie zusammenbringt, um wissenschaftliche und technische Aspekte der Arzneimittelzulassung zu diskutieren. Dieser Schritt war nach Ansicht von Branchenexperten ein Meilenstein für die chinesische Pharmaindustrie und markierte die Integration ihres Arzneimittelzulassungssystems in die internationale Gemeinschaft.

Kurzfristig bedeutet dies, dass China seine Standards in allen Aspekten der Arzneimittelgesetzgebung anheben muss. Das wiederum dürfte laut Zhang für eine große Zahl von lokalen Pharmaunternehmen eine Herausforderung darstellen. Langfristig werde China davon jedoch profitieren. „ICH ist eine Tür, die China in die internationale Gemeinschaft hereinlässt und es dem Land ermöglicht, an die Entwicklung neuer Medikamente in Europa und den Vereinigten Staaten anzuschließen. Gleichzeitig ist es eine gute Nachricht für ausländische Pharmaunternehmen. Damit wird die Zeit, um Produkte auf den chinesischen Markt zu bringen, drastisch reduziert.“

Dennoch weisen Branchenkenner darauf hin, dass die lokalen chinesischen Pharmaunternehmen aus technischer Sicht der Entwicklung der europäischen und amerikanischen Pharmariesen noch hinterherhinken. Nach deren Einschätzung dürfte es für diese Firmen schwer sein, den Rückstand aufzuholen, indem sie sich allein auf ihre eigenen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten- und kenntnisse verlassen. Internationale Akquisitionen seien daher eine Lösung. Damit könnten chinesische Pharmaunternehmen wichtiges Know-how, hochwertige medizinische Ressourcen und das Wissen um effiziente Geschäftsmodelle erwerben, um auf dieser Basis selbst international wettbewerbsfähige Arzneimittel erzeugen.

Chinesische Pharmafirmen kaufen im Ausland zu

Tatsächlich steigt mit der zunehmenden Stärke der chinesischen Pharmaindustrie deren Drang, jenseits der eigenen Grenzen aktiv zu werden. So weist Pharmaexperte Zhang darauf hin, dass im vergangenen Jahr eine ganze Reihe von chinesischen Pharmaunternehmen und Investmentfirmen Fusionen und Übernahmen im Ausland umgesetzt hat, bei denen teilweise sehr hohe Summen bezahlt worden sind. Nach einer unvollständigen Statistik seien demnach 17 Übernahmen und Fusionen von chinesischen Pharmaunternehmen initiiert worden, von denen sieben ein Volumen von 500 Millionen Dollar überschritten hätten.

Zhang kommt zu dem Ergebnis, dass die chinesische Pharmaindustrie in den nächsten fünf bis zehn Jahren zwangsläufig drastische Strukturanpassungen und Veränderungen durchlaufen werde. Mit dieser Aufwertung werde sich die Position der chinesischen Pharmaindustrie auf dem Weltmarkt verändern und sich von einer reinen Produktionsstätte zu einem effizienten Forschungs- und Entwicklungszentrum entwickeln.

VCI ist besorgt

Der von China, aber auch von anderen Ländern ausgehende Innovationsdruck, wird natürlich auch in Europa und den USA registriert und ruft beispielsweise beim Verband der Chemischen Industrie (VCI), der auch für die Pharmabranche spricht, Sorgen hervor: „Der Wettbewerbsvorsprung des Chemie-Forschungsstandorts Deutschland schmilzt. Staaten wie die USA, China und andere asiatische Länder nehmen viel Geld für die Forschung in die Hand, gestalten die Rahmenbedingungen für Innovationen günstig und verschaffen sich so Wettbewerbsvorteile“, sagte Thomas Wessel, Vorstandsmitglied der Evonik Industries AG und Mitglied des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI, kürzlich auf einer Presseveranstaltung des Interessenverbandes. 

Werner Cautreels, Vorstandschef von Selecta Biosciences, stellte auf der Fachveranstaltung Healthcare Capital Summit 2017 seinerseits fest: „China ist kein aufstrebender Markt mehr. Stattdessen ist China für alle Pharmaunternehmen, die sich im harten globalen Wettbewerb an die Spitze setzen wollen, eine wichtige strategische Priorität“.

Das sehen offenbar auch viele chinesische Pharmawissenschaftler so. Nach Erkenntnissen des Fachportals Drugpatentwatch kehren angesichts der gestiegenen Attraktivität des chinesischen Pharmamarktes mittlerweile viele Wissenschaftler, die bislang außerhalb ihres Landes tätig waren, in deren Heimat zurück, um dort eigene Biotech- und Pharmaunternehmen zu gründen.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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