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Kreis Recklinghausen zum Zyto-Skandal
„Mehr Aufsichtspersonal hätte kriminelles Verhalten nicht verhindert“
Nachdem schon die Stadt Bottrop erklärt hatte, pflichtgemäß gehandelt zu haben, positioniert sich nun auch der Kreis Recklinghausen. Die dortige Amtsapothekerin war auch für die Bottroper Zyto-Apotheke zuständig. Patienten von Peter S. wollen zivilrechtlich gegen die Behörden vorgehen.
Nachdem der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. wegen
Unterdosierungen in tausenden Fällen und wegen Betrugs im Juli in erster
Instanz zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden ist, starten derzeit Zivilverfahren gegen
ihn wie auch die Aufsichtsbehörden. Laut einem Sprecher des Landgerichts Essen
sind bislang fünf Klagen eingegangen, viele weitere sind laut Betroffenen und
deren Anwälten in Vorbereitung.
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Der Vorsitzende Richter Johannes Hidding hatte bei der Urteilsverkündung von einem „Behördenversagen" gesprochen. Vor Gericht hatte die frühere Amtsapothekerin von Bottrop ausgesagt, sie sei mit einer Kollegin, drei PTA und drei Verwaltungsmitarbeitern für die Aufsicht von gut 250 Apotheken – davon bis zu fünf Zyto-Apotheken – in Recklinghausen, Bottrop und Gelsenkirchen zuständig, wobei mehrere Mitarbeiter nur Teilzeit arbeiten würden. Nach der Änderung der Apothekenbetriebsordnung 2012 habe es Unklarheiten gegeben, wie kontrolliert werden soll, erklärte sie. Auf die Frage, ob es von 2012 bis 2015 überhaupt Inspektionen in Apotheken gegeben habe, sagte sie: „Nein. Ich bin mir ziemlich sicher: Nein.“
AMG: „Sie hat auch Arzneimittelproben amtlich untersuchen zu lassen.“
Nachdem schon der Sprecher der Stadt Bottrop betont hatte, dass die Stadt „natürlich den gesetzlichen Vorgaben vollkommen nachgekommen“ sei, positioniert sich auf Anfrage der Grünen-Fraktion nun auch der Kreis Recklinghausen in dieser Sache. Aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung war die dortige Amtsapothekerin auch für Bottrop zuständig. In seiner DAZ.online vorliegenden Antwort verweist der dortige Landrat Cay Süberkrüb auf die Rechtsgrundlagen der Überwachung: Dies seien § 20 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ÖGDG NRW), das Arzneimittelgesetz (AMG) samt dazugehöriger Verwaltungsvorschrift AMGVwV. Die Überwachungsbehörde habe „auf der Grundlage eines Überwachungssystems unter besonderer Berücksichtigung möglicher Risiken in angemessenen Zeitabständen und in angemessenem Umfang sowie erforderlichenfalls auch unangemeldet Inspektionen vorzunehmen und wirksame Folgemaßnahmen festzulegen“, heißt es in Paragraph 64 des Arzneimittelgesetzes etwa: „Sie hat auch Arzneimittelproben amtlich untersuchen zu lassen.“
Bei Inspektion wird nur der Status quo überprüft
Hinzu kommen die Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Verwaltungsaufgaben auf pharmazeutischem Gebiet vom 01.01.2003. Auf Landesebene gebe es abgestimmte „Grundsätze der Apothekenüberwachung“, die von der Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen verfasst worden seien. „Die Überprüfungskriterien für Zytostatika herstellende Betriebe sind darüber hinaus nicht weiter konkretisiert gewesen“, erklärt er.
Hätte mehr Personal das kriminelle Vergehen verhindert?
„Bei der Überprüfung der Zytostatika herstellenden Apotheken wurden die Empfehlungen zu Frequenz und Modalitäten der Überprüfung eingehalten“, erklärt der Landrat in seiner Antwort an die Grünen-Funktion. „Hinsichtlich der Überprüfungstiefe wurde in vielen Fällen sogar eine zusätzliche Expertise einbezogen“, schreibt er, ohne dies näher zu erläutern. Das Ziehen von Proben von vor Ort zubereiteten Arzneimitteln wie Zytostatika sowie die Veranlassung ihrer Untersuchung „gehören nicht zur Standardaufgabe der Apothekenaufsicht“, schreibt der Landrat – obwohl die Untersuchung von Proben im Arzneimittelgesetz vorgesehen ist.
„Bei Inspektionen wird jeweils nur der status quo, das heißt die vorgefundenen örtlichen Verhältnisse apparativer, personeller und dokumentatorischer Art überprüft“, schreibt er weiter – nicht hingegen die Prozesse und Abläufe der Herstellung. „Auf diese lassen sich nur indirekt und sehr bedingt Rückschlüsse ziehen. Auch zusätzliche personelle Ressourcen hätten das kriminelle Verhalten nicht verhindern können.“
Gesundheitsamt nicht befugt, in Bücher zu schauen
Gleichzeitig sichert der Kreis zu, Änderungen der Aufsichtsregelungen entsprechend umzusetzen. „Sollte das Land NRW aufgrund der Bottroper Vorfälle einen anderen Prüfstatus vorschreiben, würden die kommunalen Apothekenaufsichten der Kreise und kreisfreien Städte entsprechend vorgehen“, heißt es in der Antwort des Kreises Recklinghausen. Änderungen wird es für die dortigen Amtsapotheker ohnehin geben: Schon Jahre vor Aufdeckung des Skandals hätten die Kommunen vereinbart, zukünftig eigenständig im jeweiligen Verwaltungsbereich zu kontrollieren.
Laut Westdeutscher Allgemeiner Zeitung betonte auch Ulrike Horacek, Leiterin des Gesundheitsamtes des Kreises Recklinghausen, dass es weder eine Pflichtverletzung noch ein organisatorisches Verschulden gegeben habe. Das Gesundheitsamt sei auch nicht befugt gewesen, „in die Bücher und Bilanzen zu schauen“, sagte sie – dies hätte womöglich schon früher aufdecken können, dass Peter S. deutlich mehr Wirkstoff verkaufte, als er eingekauft hat. Doch dies sehen manche Amtsapotheker teils anders: Spätestens bei einem Verdacht könnten sich Kontrolleure auch Unterlagen vorzeigen lassen, aus denen ersichtlich ist, wie viel Wirkstoff wo eingekauft wurde. Und bereits Jahre bevor der Whistleblower Martin Porwoll mit einer Anzeige den Fall ins Rollen gebracht hatte, gab es eine Anzeige – doch die Ermittlungen wurden nach kurzer Zeit eingestellt und die Amtsapothekerin offenbar nicht über die Vorwürfe informiert.
2 Kommentare
Kontrollen??
von Holger am 13.09.2018 um 8:24 Uhr
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Bebördenversagen? Schon möglich!
von Matthias H. Arlt am 13.09.2018 um 0:51 Uhr
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