„Frag Spahn“ – Apotheke Teil 3

Apotheker Kircher erklärt Spahn „echte Digitalisierung“

Stuttgart - 06.02.2019, 10:25 Uhr

Im
dritten Teil des Gesprächs von Apotheker Dr. Philipp Kircher mit Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn geht es um die Apotheke der Zukunft. (s / Screenshot: Frag Spahn Folge 15 / youtube)

Im dritten Teil des Gesprächs von Apotheker Dr. Philipp Kircher mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht es um die Apotheke der Zukunft. (s / Screenshot: Frag Spahn Folge 15 / youtube)


Wie könnte die Apotheke der Zukunft aussehen? Darum geht im dritten Teil des Gesprächs von Apotheker Dr. Philipp Kircher mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Letzterer sieht allerdings mit seinen digitalen Plänen von E-Rezept und Online-Sprechstunde im Vergleich zu den Vorstellungen des jungen Apothekers, der sich eine patientenindividuelle Medikation aus dem 3-D-Drucker vorstellen kann, fast ein bisschen alt aus.

„Wie stellen Sie sich die Zukunft der Apotheke vor, wenn wir jetzt mal zehn Jahre in die Zukunft blicken?“ Diese Frage stellt Apotheker Dr. Philipp Kircher aus dem oberbayrischen Peißenberg im dritten Teil seines Gesprächs dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Rahmen der Videoreihe #fragSphahn, bei der verschiedene Akteure des Gesundheitswesens den Minister direkt befragen können. In den ersten beiden Teilen ging es um Versandhandel, Digitalisierung und Planungssicherheit – und jetzt also um die Zukunft.

Spahns Vorstellung von der Zukunft

Spahn erklärt, dass für ihn das Ziel die flächendeckende Versorgung bleibe. Ausdrücklich betont er: „Flächendeckend, was Land angeht, aber auch flächendeckend in den Städten.“ So gebe es Kieze in Berlin, da gebe es keine Apotheke. Neben der Flächendeckung ist für den Minister aber auch ein digitales Angebot wichtig, das mithält mit der Entwicklung, die es in allen Lebensbereichen gibt. Als Beispiel führt er Online-Sprechstunden an. Das sei ja auch schon eine Idee der ABDA gewesen, pharmazeutische Online-Angebote zu machen. Weiter nennt er das E-Rezept und Botendienste. Es sei ihm ein Anliegen, mit der Apothekerschaft zu entwickeln, dass Botendienste die Regel sind – für die, die sie anbieten wollen. Doch es sei nicht nur entscheidend welche Idee er von der Apotheke in zehn Jahren habe, sondern auch welche Idee ein Apotheker habe, der ein bisschen jünger ist, erklärt Spahn und gibt den Ball damit an Kircher zurück.

Kircher: Bei aller Digitalisierung müssen wir empathisch bleiben

Und Kircher hat Ideen, gegen die E-Rezept und Online-Sprechstunde fast altbacken und abgedroschen wirken. Er erwartet einen Riesentrend hin zum personalisierten, individuellen Arzneimittel. In Standarddosierungen wie heute sieht Kircher die Zukunft nicht. Das sei genauso, wie wenn der Minister und er in einen Schuhladen gingen, um Schuhe zu kaufen. Mit zwei vorrätigen Größen sei ihnen nicht geholfen. Seiner Meinung nach liegt die Zukunft darin, individuell zu dosieren. In seiner Apotheke gebe es auch schon erste Gehversuche in diese Richtung, berichtet Kircher. Man drucke Arzneistofflösungen mit einem Tintenstrahldrucker auf Polymerfilme. „Das kann man sich so vorstellen wie das Esspapier früher aus der Schule“, erklärt er. Man könne individuell für jeden Patienten dosieren und auch verschiedene Wirkstoffe kombinieren. Das sei echte Digitalisierung, so Kircher. Zudem könnte dadurch die Rezeptur eine Renaissance bekommen, wo die Apotheker ja herkämen. Auch 3-D-Drucker kann sich Philipp Kircher in der Apotheke gut vorstellen.

Auf Spahns Frage, ob solche Ideen in der Apothekerschaft insgesamt ein Thema seien, erklärt er: „Ich denke, die Apotheker sind offen dafür und wir können viele Probleme beheben.“ Beispielhaft nennt er Altenheimbewohner mit Schluckproblemen, denen man mit Polymerfilmen helfen könnte. 3-D-Drucker in der Apotheke beeindrucken dann selbst den „Digitalisierungsexperten“ Spahn sichtlich. Davon habe er noch nicht gehört. Er findet die „Gehversuche“ mit dem Tintenstrahldrucker toll, die brauche es. Es habe guten Grund warum Amazon, Google und Co. in Gesundheit investierten. Das sei ohnehin ein Riesenmarkt – in einer älter werdenden Gesellschaft sowieso. Die Frage bleibe aber immer: Gestalten wir das selbst oder erleiden wir das von außen? Deswegen finde er es gut, wenn sich Apotheker aktiv Gedanken machten.

Seitenhieb auf die Rahmenbedingungen

Zum Schluss bringt Kircher aber noch einen wichtigen Punkt an. Bei aller Digitalisierung müssten Apotheker auch empathisch bleiben. Er kenne die Sorgen seiner Patienten. Spahn kontert. Deswegen wolle er das Digitale mit dem Vor-Ort-Angebot verknüpfen. Kircher stimmt ihm in diesem Punkt zu. Wenn man die persönliche Betreuung vor Ort mit dem Digitalen verknüpfen könne, sehe er eine gute Zukunft für die Apotheker. Er ziehe da gerne Kollegen mit, die das gestalten, wie Spahn es fordert. Kirchers Schlusssatz klingt fast wie ein kleiner Seitenhieb auf den zweiten Teil des Gesprächs, in dem Spahn die Frage nach den Rahmenbedingungen und der Planungssicherheit unbeantwortet lässt. „Ich denke, wenn wir da stabile Rahmenbedingungen haben, dann kriegen wir das auch gut hin.“



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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4 Kommentare

Kollege und Spahn

von Alexander Zeitler am 07.02.2019 um 2:26 Uhr

Es ist ja lobenswert, dass der Kollege dem Herrn Spahn, Apotheke etc. zu erklären.
Denke allerdings, dass das wirkungslos ist.
Der Herr Minister weiss doch alles und das besser.
Siehe nur seine Ankündigung, in 10-20 Jahren sei der Krebs besiegt.
Und jetzt bekommt er von echten Fachleuten auf die Nase und er rudert zurück

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Der ungleiche Kampf Vor-Ort-Apotheke/Versandhandel

von K. Stülcken am 06.02.2019 um 20:06 Uhr

Ja Herr Schäfer, das trifft es ziemlich gut. Von Problemfällen kann keiner leben und gegen niedrige Preise kann man auch mit Beratung wenig ausrichten, zumal viele Menschen ihren Beratungsbedarf unterschätzen. Warum erklärt Herrn Spahn eigentlich niemand, dass der Patient sich sein Asthmaspray nur einmal erklären lässt und anschließend mit fünf Euro Ersparnis im Versandhandel bestellen könnte?

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AW: Der ungleiche Kampf Vor-Ort-Apotheke/

von Dirk Krüger am 08.02.2019 um 15:55 Uhr

Selbst ein Boniverbot führt nicht zu einem fairen Wettbewerb. Da der Versand ja so bequem ist, werden ihn viele Patienten auch dann nutzen ( siehe Bücher ). Über OTC-Dumpingpreise und andere phantasievolle materielle "Wohltaten" werden die Versender das Verbot umgehen und locken damit auch Rezepte. Und diese Dumpingpreise können die Versender dadurch bieten, dass sie eben nicht die zeit- und damit personal- und kostenintensiven Leistungen erbringen müssen wie eine Präsenzapotheke. Im übrigen erhalten die großen Versender Herstellerrabatte für OTC, von denen wir nicht einmal zu träumen wagen. Gleiche Wettbewerbsbedingungen werden nur durch ein Rx-Versandverbot erreicht. Die Forderung danach leichtfertig aufzugeben ist der größte Fehler unserer Standesfürsten. Sie wäre politisch und vor allem auch rechtlich durchsetzbar gewesen. Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten, und Tore fallen auch in der Nachspielzeit Die ABDA hat das Spielfeld schon nach der Halbzeit nicht wieder betreten.

Die unterschiedlichen Gesichter der Digitalisierung

von Benjamin Schäfer am 06.02.2019 um 12:03 Uhr

Ohne Zweifel eine interessante Herangehensweise, ABER: Das was der Kollege beschreibt ist High-End-Pharmazie. Das was die Kollegen vor Ort leisten ist gute, solide, patientennahe, empathische „ich-kümmer-mich Pharmazie“ mit dem Anspruch einer so kleinen Versorgungsmaschenweite, dass jeder Patient zügig versorgt werden kann. Der Anspruch von Doc Morris ist die reibe Versorgung, bei der alles gut läuft, wenn der Patient sich selbst rechtzeitig kümmert, formal einwandfreie Rezepte verschickt und in der Lage ist den „Beratungszettel“ so gut zu verstehen, dass es weder der Compliance schadet, noch das Arzt-Patienten Verhältnis gefährdet. Alle Problemchen (Von Nichtlieferbarkeit bis unabrechenbare Rezepte) werden so gelöst, dass diese Patienten ihr Rezept sehr häufig zurückgeschickt bekommen. Das Verführerische an dieser digitalen „Meisterleistung“ ist einzig und allein, dass sie noch billiger ist als die derzige Versorgung vor Ort. Wir können also meiner Meinung nicht punkten, indem wir dem BMG und den GKV weißmachen wollen, wie aus unserer derzeit guten, soliden Vor-Ort-Pharmazie eine teure High-End-Pharmazie werden soll, indem wir anfangen Esspapier dosisindividuell zu bedrucken (Eine pharmazeutisch gesehen sehr reizvolle Vorstellung, aber welche Krankenkasse würde dies angemessen bezahlen?), sondern wir müssen zuallererst einmal damit durchdringen, dass die jetzige Versorgung so wie sie ist unschlagbar ist. Aber nur solange unschlagbar, wie der Patient nicht mit Dumpingpreisen gelockt wird. Spahn will zu einem System hin, indem der Patient seine Regelversorgung billig per Versand haben soll und bei Kümmer-Problemen jeder Art in die Apotheke vort Ort kommt. Das was Spahn dabei aber unterschätzt ist A die hohe Anzahl dieser Probleme und B die Zerstörungskraft die darin schlummert, wenn es eine ungleiche Verschiebung von Rezepten dieser Art zulasten der Vor-Ort Apotheke kommt. Keine zusätzlich honorierte Dienstleistung kann den Verlust des Basishonorars über die Packungen kompensieren. Das ist des Pudels Kern und deswegen geht leider dieser Teil des Interviews ein bisschen an der Problematik vorbei. Ich schätze den Kollegen aber sehr, einerseits wegen des Mutes und andererseits um das deutliche und rhetorisch brilliante Aufzeigen unserer Stärken. Wie Schmidt aber schon sagte, werden diese Stärken so fehlinterpretiert, als könnten wir gerade dadurch einen Dumping-Preiskampf überleben, weil der mündige Patient weiß wie sehr er sich kümmert. Lassen wir uns auf diesen Preiskampf ein, können wir das nur durch Aufgabe unserer bisherigen Quallitäten schaffen und das kann keiner wollen.

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