Wenn Arzneimittel Stürze auslösen

Einfach nur ausgerutscht?

Stuttgart - 15.03.2019, 16:15 Uhr

Wenn Patienten stürzen, suchen sie oft fälschlicherweise die Schuld zunächst bei sich selbst. Die Apotheke sollte dann hellhörig werden und der eigentlichen Ursache nachgehen. Oft sind Arzneimittel schuld. ( r / Foto: Schelbert)

Wenn Patienten stürzen, suchen sie oft fälschlicherweise die Schuld zunächst bei sich selbst. Die Apotheke sollte dann hellhörig werden und der eigentlichen Ursache nachgehen. Oft sind Arzneimittel schuld. ( r / Foto: Schelbert)


Ist die Polypharmazie das eigentliche Problem? Jein!

Die Erfahrung der letzten 15 Jahre würde zeigen, dass es spezielle Arzneimittel gibt, die ein besonderes Sturzrisiko mit sich bringen. So zum Beispiel die Antidepressiva. Wer nun aber dachte, dass hier vor allem die Trizyklika das Hauptproblem darstellen, wegen ihrer anticholinergen Wirkung, der lag in der Theorie zwar richtig, musste aber in der Folge lernen, dass SSRI (Selektive Serotonin Reuptake Inhibitoren) ein noch größeres Sturzrisiko mit sich bringen.
Die Erfahrung zeigte auch, dass die zunehmende Polypharmazie zwar natürlich das Risiko für Stürze steigert – wenn man sich innerhalb der Polmedikation aber gezielt die Arzneimittelgruppe der FRID anschaue, erkenne man, dass diese die Stellschraube sind, an der das Risiko vermindert werden kann, klärte Stahl in ihrem Vortrag auf.
Wichtig ist auch, dass das Sturzrisiko dosisabhängig ist: So würden etwa auch kurzwirksame Benzodiazepine das Sturzrisiko steigern, wenn sie zu hoch dosiert werden. Der Hauptgrund, warum ältere Patienten aber auf Benzodiazepine empfindlicher reagieren sei eine reduzierte Leberkapazität: Bei einem 80-Jährigen sei die Diazepam-Halbwertszeit etwa zwei bis dreimal länger als bei einem 20-Jährigen. Auch hier kann die Apotheke also auf das Sturzrisiko positiv einwirken und ein alternatives Präparat vorschlagen. Noch einfacher lässt sich in diesem Zusammenhang der „Hangover-Effekt“ unter Benzodiazepinen von der Apotheke beeinflussen: Der Abstand von einer Mahlzeit muss ausreichend sein, damit das Benzodiazepin nicht verzögert in den Morgen hineinwirkt. Auch die Schlafdauer muss ausreichend sein, damit es am Morgen zu keinen Stürzen kommt. Sind die Psychopharmaka also die „bösen Buben“? Nicht allein: Vielmehr solle man den Blick auch auf die kardiovaskuläre Medikation richten, meint Stahl. 

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Stahl machte dann noch auf einen „Exoten“ unter den Arzneimitteln, die das Sturzrisiko steigern könnten, aufmerksam: die Alpha-Blocker bei der Prostatabehandlung, die zu einer orthostatischen Hypotonie führen können. Gerade das häufig eingesetzte Tamsulosin solle man deshalb immer mit oder nach der Nahrung einnehmen, auch wenn es nüchtern besser wirkt. Die Orthostase sei dann dosisabhängig geringer. Nicht zuletzt machte Stahl auch auf die „unschöne Seite“ der Opioide, also deren Nebenwirkungen, aufmerksam. Stahl beschrieb die Opioide als „Medusa“. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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