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Botanicals und „sonstige Stoffe“
Nahrungsergänzungsmittel für Männer – nur Hokuspokus?
Nahrungsergänzungsmittel gehören nicht zu den Lieblingen der Apotheker. Wenn sie dann noch mit Namen wie „Penisso forte“ daherkommen, wird man sie kaum im Sortiment einer Apotheke wiederfinden. Über das Internet kommen Patienten dennoch damit in Kontakt und immer wieder mit ihren Fragen dazu in die Apotheke. Wie kann man überzeugend be- oder abraten, wenn es keine entsprechende Literatur gibt? Auf der Interpharm hat Professor Dr. Martin Smollich die Ursachen der Trends im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel für Männer beleuchtet: Nicht alles ist „Hokuspokus“.
„Penisso Dragees Forte“ für Männer – mit einem Bild dieses Nahrungsergänzungsmittels (NEM) stieg Prof. Dr. Martin Smollich vergangenen Samstag auf der Interpharm in Stuttgart in seinen Vortrag ein: „Was Mann braucht und was Nahrungsergänzungsmittel leisten können.“ Gleich zu Beginn machte er auf die rechtlichen Zusammenhänge aufmerksam, die gerade Patienten häufig nicht so klar sein dürften: So handelt es sich bei NEM nämlich um Lebensmittel, für die gesundheitsbezogene Aussagen getätigt werden dürfen („Health Claims“), aber keine krankheitsbezogenen! Liegt beispielsweise tatsächlich ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel vor, können NEM sinnvoll sein – häufig sind sie jedoch unwirksam oder sogar gefährlich.
Die „sonstigen Stoffe“: Das Problem mit den „Botanicals“
Während Apotheken zu Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen recht gut beraten können, sind es vor allem die „sonstigen Stoffe“, auf die Smollich in seinem Vortrag aufmerksam machte. Denn NEM sind laut NemV (Nahrungsergänzungsmittelverordnung) nicht nur ein „Konzentrat von Nährstoffen“ sondern auch von „sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung“. Diese „sonstigen Stoffe“ sind vor allem Stoffe aus Pflanzen, Algen, Pilzen oder Flechten – sogenannte Botanicals.
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Seit dem 1. Juli 2007 regelt die europäische Health-Claims-Verordnung, wie nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln zu handhaben sind. Gesundheitsbezogene Angaben sind bei NEM also gestattet, müssen aber zuvor wissenschaftlich bewertet und von der EU-Kommission zugelassen worden sein. Nur solche Health Claims dürfen verwendet werden, die in einer entsprechenden Positivliste aufgeführt sind. Eine solche Liste gibt es allerdings nur für die klassischen NEM, nicht aber für Botanicals. Die Überprüfung der gesundheitsbezogenen Aussagen zu solchen „sonstigen Stoffen“ wurde im Jahr 2010 zurückgestellt. Seitdem ging es offenbar nicht voran.
Wenn es keine zugelassenen Health Claims für die Botanicals gibt, woher kommen dann die Theorien, dass sich mit Hilfe von Nahrungsergänzungsmitteln vermeintlich die Potenz steigern lasse?
Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs: 16-mal unter Placebo, 67-mal unter Maca-Extrakt
Im Falle von „Penisso forte“ steht an erster Stelle des enthaltenen „Power-Mix“ Maca. Und tatsächlich, so Smollich, gebe es eine Studie aus dem Jahr 2000, die begründen könnte, warum Maca als Potenzmittel im Trend liegt: In dieser Studie habe man zeigen können, dass sich die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs drei Stunden nach der Mahlzeit von 16-mal unter Placebo auf 67-mal unter Maca steigern ließ. Klingt vielversprechend? Nun, die Studie untersuchte Mäuse. Diese Geschichte und ähnliche sorgten für einige Lacher im Saal auf der Interpharm.
Ein Health Claim, den „Penisso Forte“ übrigens nutzen darf, ist: „Trägt zur Erhaltung einer normalen Spermabildung bei.“ Das hat jedoch
nichts mit Maca sondern mit dem ebenso enthaltenen Selen zu tun.
Neben Maca gibt es weitere Botanicals, die nicht komplett ohne Grund als vermeintliche Potenzmittel vermarktet werden.
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Während früher Yohimbin tatsächlich auch als medikamentöse Therapie in den Leitlinien zur erektilen Dysfunktion erwähnt wurde, sei es aber obsolet, seit es die PDE-5-Hemmer gibt, so Smollich.
Auch Ginseng könne bei Erektionsstörungen möglicherweise helfen, hier sei jedoch vor allem an Wechselwirkungen mit Blutgerinnungshemmern zu denken. Zu Pinienrindenextrakt gebe es zwar Daten bezüglich Arthrose, allerdings nicht zu erektiler Dysfunktion.
Im Trend: „Testosteron-Booster“ oder Erdsternchen
Sogenannte Testosteron-Booster mit Steroidsaponinen (zum Beispiel aus Tribulus terrestris, Erdsternchen) seien
außerdem immer mehr im Kommen. Sie sollen sowohl für Muskelzuwachs sorgen als
auch Libido und Potenz steigern. Das enthaltene Protodioscin sei zwar eine natürliche Vorstufe von Testosteron, aber auch hierzu gebe es nur
Studien an Ratten.
Zwar kein Botanical, aber auch ein „sonstiger Stoff“, ist „DAA“ und wird unter ähnlichen Aspekten beworben. Nur: Asparaginsäure mag zwar an der
Testosteronsynthese beteiligt sein, wird vom Körper aber ausreichend selbst
produziert. Ein Mangel ist laut Smollich nicht möglich. Auch für L-Arginin
gelte ähnliches: Ohne Arginin gebe es zwar kein NO, ohne das es wiederum keine
Erektion gibt, „solange man etwas isst“, sollte es laut Smollich aber auch an
dieser Stelle keinen Engpass geben.
Insgesamt zu bedenken gilt, dass all diese vermeintlich „natürlichen“
Stoffe oft in so hohen Dosen vorliegen und Begleitstoffe enthalten, dass sie
die Gesundheit schädigen können. Zudem enthielten laut Smollich 47 Prozent aller
getesteten NEM mit der „Indikation“ Libido/Potenz nicht deklariertes
Sildenafil.
Natürlich dreht sich bei Männern nicht alles nur um Potenz und Libido. Zwei weitere Risiko-Organe der Männer sind das Herz und die Prostata.
Die Rückkehr der Omega-3-Fettsäuren?
Kein „Hokuspokus“ sind laut Smollich beispielsweise Phytosterole (wie Sitosterol) zur Gefäß- und Kardioprotektion. Für sie gibt es auch zugelassene Health Claims: Phytosterole tragen zur Erhaltung eines normalen Cholesterinspiegels bei. Tatsächlich senken sie den LDL-Spiegel, allerdings sei kein klinischer Effekt dieser Senkung nachgewiesen, so Smollich. Zudem ist ihr Langzeitrisikoprofil nicht geklärt.
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Ebenfalls im Bereich der Kardioprotektion bekannt sind Omega-3-Fettsäuren-Supplemente. Diese waren in der Vergangenheit zur Kardioprotektion weit verbreitet und stark umstritten. Im Dezember 2018 äußerte sich sogar die europäische Arzneimittelbehörde EMA zu Omega-3-Fettsäuren (in Arzneimitteln) und kam zu dem Schluss, dass entgegen früherer Einschätzungen die Mittel nicht wirksam sind, einen erneuten Herzinfarkt oder kardiovaskuläre Probleme bei Patienten, die bereits einen Infarkt hatten, zu verhindern. Allerdings: „Der Sargdeckel ist durch neue Studien wieder ein Stück weit aufgegangen“, kommentierte Smollich den neuesten Stand zum Thema Omega-3-Fettsäuren. Ungefähr zeitgleich mit dem EMA-Statement seien nämlich im „New England Journal of Medicine“ zwei neue Studien veröffentlicht worden (VITAL und REDUCE-IT), von denen eine das Potenzial der Omega-3-Fettsäuren in ein neues Licht rückte. So könnten galenische oder chemische Modifizierungen die Bioverfügbarkeit deutlich erhöhen und bald zu neuen Präparaten auf dem Markt führen, die deutlich höher dosiert sind. Als Beispiel nannte Smollich das Arzneimittel „Vascepa“, das in den USA bereits erhältlich ist. Auf die akutell in Deutschland üblichen NEM lassen sich diese Daten aber nicht übertragen.
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Auch Kürbiskern-Extrakte, Sägezahnpalm-Früchte und Brennesselwurzel-Extrakte sind in der Apotheke bekannt. Es besteht (geringe) Evidenz, dass sie bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) helfen. Das Problem bei diesen Produkten ist vor allem die Abgrenzung zwischen NEM / Botanicals und Phytopharmaka.
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