Boni-Verbot, Impfen, Honorar, Dauerverordnungen

Das ist Spahns Apothekenreform im Überblick

Berlin - 09.04.2019, 07:00 Uhr

Neue Wege und Regeln für Apotheken. Das BMG hat einen ersten Entwurf zu einem Apotheken-Stärkungsgesetz vorgelegt. (Foto: Imago)

Neue Wege und Regeln für Apotheken. Das BMG hat einen ersten Entwurf zu einem Apotheken-Stärkungsgesetz vorgelegt. (Foto: Imago)


Mit der Vorlage des ersten Entwurfes eines Apotheken-Stärkungsgesetzes sorgt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einmal mehr für einige Überraschungen. Denn neben den bereits bekannten Punkten zum Rx-Boni-Verbot, zum Apothekenhonorar und zu den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen will das Bundesgesundheitsministerium auch erstmals Impfungen in Apotheken ermöglichen und Dauerverordnungen einführen. DAZ.online bietet einen Überblick über den Entwurf.

Gleichpreisigkeit

Zweieinhalb Jahre nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung will das BMG den Versandhandelskonflikt mit einem Verbot von Rx-Boni im SGB V regeln. Dies soll über einen Zusatz in § 129 Abs. 1 SGBV geschehen – der Norm, die aufzählt, wozu die Apotheken nach Maßgabe des Rahmenvertrags bei der Abgabe von Arzneimitteln verpflichtet sind. Neu ist: Erstmals soll festgelegt werden, dass Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro oder ein Ausschluss von der Versorgung bis zur Dauer von zwei Jahren ausgesprochen werden können, wenn sich Apotheker oder Versender nicht an die Rx-Preisbindung halten.

Anmerkung: Die Apotheker hatten sich bis zuletzt gewünscht, dass das bisherige Rx-Boni-Verbot im Arzneimittelgesetz enthalten bleibt. Das BMG hat diese Wünsche aber nicht erhört und möchte den entsprechenden Passus im AMG streichen, offenbar als Reaktion auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren. Ebenso wenig ist die Frage gelöst, ob das Rx-Boni-Verbot auch für PKV-Versicherte gilt. Spahn hatte kürzlich auf entsprechende Gerichtsverfahren verwiesen. Aber auch um hier Rechtssicherheit zu haben, fordern die Apotheker den Erhalt des alten Boni-Verbots im AMG. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren könnte bei dieser Regelung noch Diskussionsbedarf entstehen. Außerdem hatte die SPD angekündigt, dass sie sich für eine „Wettbewerbskomponente“ starkmachen wolle. Vorstellbar wären für die SPD hier beispielsweise kleinere Rx-Boni bis zu einer Grenze von einem Euro.

Neue vergütete pharmazeutische Dienstleistungen in Apotheken

Versicherte sollen künftig „Anspruch auf zusätzliche honorierte pharmazeutische Dienstleistungen“ haben. Um welche es sich dabei genau handelt, sollen der DAV und GKV-Spitzenverband „im Benehmen“ mit dem PKV-Verband innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes vereinbaren. Die Bundesapothekerkammer arbeitet derzeit an ersten Vorschlägen für solche Dienstleistungen. Die Vergütung soll über einen Fonds laufen: Künftig soll es einen neuen Festzuschlag in Höhe von 20 Cent pro Rx-Packung geben. Die Verteilung dieser Mittel erfolgt durch den Deutschen Apothekerverband.

Anmerkung: Das BMG hat den Betrag hier nochmals hochgestuft. Im letzten Eckpunktepapier war nur von 14 Cent pro Rx-Packung die Rede.

Notdienstpauschale

Der für den Nacht- und Notdienstfonds vorgesehene Festzuschlag soll von derzeit 16 Cent auf künftig 21 Cent angehoben werden – 40 Millionen Euro mehr soll dies für die Apothekennotdienste bringen. Rund 350 Euro soll die Pauschale künftig betragen.

Anmerkung: Hier hat das Ministerium den Betrag bei den in den letzten Eckpunkten enthaltenen Werten belassen.

Betäubungsmittel

Für die Abgabe von Betäubungsmitteln soll es künftig statt 2,91 Euro künftig 4,26 Euro einschließlich Umsatzsteuer geben. 15 Millionen Euro Mehrausgaben kalkuliert hier das Ministerium.

Anmerkung: Auch hier ist es bei der schon bekannten Erhöhung geblieben.

Mehrere „Kracher“ im Entwurf: Impfen, Hüffenhardt und Dauerverordnungen

Impfungen in Apotheken

Eine der großen Überraschungen des Referentenentwurfes: Zur Verbesserung der Impfquote sollen Krankenkassen oder ihre Landesverbände mit Apothekern Verträge über Modellprojekte zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen vereinbaren. In den Verträgen sollen die Voraussetzungen für die Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken sowie deren Durchführung, Vergütung, Abrechnung und Dokumentation geregelt werden. Diese Modellprojekte sollen auf fünf Jahre begrenzt sein und wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden. Die Sicherheit der Patienten solle durch ärztliche Schulungen der Impfenden sichergestellt werden.

Anmerkung: Es dürfte schwer werden, diesen Vorstoß gegen die Attacken aus der Ärzteschaft zu verteidigen. Die Ärzte hatten bereits mehrfach angekündigt, dass sie Apothekern keine Impfungen zutrauen würden und im Gegenzug gerne das Dispensierrecht hätten. Wenn der Passus im Gesetz bleibt, könnte es passieren, dass im weiteren parlamentarischen Verfahren ein Änderungsantrag eingebracht wird, in denen es den Medizinern beispielsweise erlaubt werden könnte, bei Notdienstfahrten Arzneimittel abzugeben.

Dauerverordnungen

Das BMG will Verordnungen einführen, die eine wiederholte Abgabe von Arzneimitteln ermöglichen. Konkret sollen Ärzte für GKV-Versicherte mit einer schwerwiegend chronischen Erkrankung Rezepte ausstellen können, auf die bis zu drei Mal ein Arzneimittel abgegeben werden kann. Das soll die Ärzteschaft entlasten, heißt es. Für wen dies infrage kommt, soll der Entscheidung der Ärzte obliegen.

Anmerkung: Auch hier dürfte mit Widerstand aus der Ärzteschaft zu rechnen sein, schließlich werden die Mediziner für jedes ausgestellte Rezept vergütet.

„Lex Hüffenhardt“

Noch ein Kracher: Das BMG reagiert auf die Vorkommnisse mit dem DocMorris-Arzneimittelautomaten in Hüffenhardt und will solche Modelle künftig verbieten. Konkret soll die Abgabe von Arzneimitteln mittels automatisierter Ausgabestation unzulässig sein, „soweit die Ausgabestation nicht unmittelbar mit den Apothekenbetriebsräumen verbunden ist und nicht ausschließlich der Abholung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dient, die zuvor bei der Apotheke bestellt wurden und zu denen eine Beratung bereits stattgefunden hat“. Video-Beratungen sollen allerdings erlaubt bleiben, allerdings nur aus der Apotheke.

Anmerkung: Das BMG will hier offenbar einen erneuten, jahrelangen Rechtsstreit zwischen den Apothekern und DocMorris verhindern. Zurzeit laufen noch mehrere Verfahren wegen des Automaten, es ist auch nicht ausgeschlossen, dass DocMorris im Falle weiterer Niederlagen in Revision geht. Mit der neuen Regelung wäre hier Klarheit im Markt.

Botendienste, freie Apothekenwahl, Länderliste

Botendienste

Erstmals will das BMG die Apotheken-Botendienste gesetzlich verankern und regeln. Er wird legal definiert als „Zustellung durch Boten der Apotheke“. Hierunter ist laut Begründung die Zustellung durch Personal der Apotheke oder auch externes Personal, das der Weisungshoheit der Apothekenleitung untersteht, zu verstehen. „Im Gegensatz hierzu handelt es sich bei der Zustellung durch nicht durchgehend weisungsgebundene beauftragte externe Dienstleister um Versandhandel.“ Zudem wird die Begrenzung des Botendienstes auf den Einzelfall aufgegeben. Künftig soll der Botendienst auf Kundenwunsch grundsätzlich zulässig sein. Es wird auch klargestellt, dass die Zustellung von Rx-Arzneimitteln durch pharmazeutisches Personal erfolgen muss, wenn die Beratung nicht zuvor in der Apotheke stattgefunden hat. Alternativ kann auch im Wege der Telekommunikation aus der Apotheke beraten werden. Geregelt wird auch, dass die Verordnung für ein Rx-Arzneimittel bei der Botendienstzustellung spätestens bei der Aushändigung des Arzneimittels übergeben werden muss. Dies ist anders als beim Versandhandel, wo die Verschreibung vor der Versendung des Arzneimittels vorliegen muss.

Anmerkung: Die Apotheker hatten sich bis zuletzt gewünscht, dass im Bereich des Botendienstes keine großen Änderungen und Festlegungen vorgenommen werden. Das Ministerium scheint hier aber sehr entschlossen vorzugehen – auch politischer Widerstand ist nicht erkennbar. Die Neuregelungen haben eine gute Überlebenschance.

Transporttemperatur

Beim Versenden von Arzneimitteln sollen künftig die nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse für das Arzneimittel geltenden Temperaturbedingungen während des Transports eingehalten werden müssen – und zwar bis zur Abgabe an den Besteller, einschließlich eines eventuellen Rücktransports und der Zwischenlagerung im Falle der Abwesenheit des Bestellers.

Anmerkung: Eine klare Verbesserung und Klarstellung in der Arzneimittelversorgung. Für die Temperaturführung sollen aber auch Nachweise erbracht werden müssen. Und: Die Regeln würden natürlich nicht nur für den Versandhandel gelten, sondern auch für den Botendienst.

Länderliste

Das BMG will die sogenannte „Länderliste“ streichen. Hier sind bislang die EU-Staaten aufgeführt, aus denen der Arzneimittelversand nach Deutschland zulässig ist – und unter welchen Bedingungen. Für die Niederlande ist der Versand demnach bislang nur erlaubt, soweit die fragliche Versandapotheke auch eine Präsenzapotheke unterhält.

Anmerkung: Künftig könnte es aber egal sein, ob die Niederländer nur ein großes Arzneimittellager oder tatsächlich eine Präsenzapotheke unterhalten. Denn das BMG hält die Länderliste angesichts des 2015 eingeführten einheitlichen europäischen Versandhandelslogos für obsolet.  

Freie Apothekenwahl

Wie schon in den Eckpunkte-Papieren angekündigt, will das BMG die freie Apothekenwahl erhalten und stärken. Konkret soll es den EU-Versendern mit Blick auf das E-Rezept verboten werden, Absprachen mit Ärzten zur Weiterleitung von Rezepten zu vereinbaren. Auch das „Makeln“ von E-Rezepten soll verboten werden. Und: Ebenfalls soll es Ärzten und Krankenkassen im SGB V verboten werden, Patienten hinsichtlich ihrer Apothekenwahl zu beeinflussen.

Anmerkung: Für die Apotheker ist dies sicherlich eine sehr wichtige Passage. Denn sowohl in- als auch ausländische Versender haben bereits signalisiert, dass sie mit der Einführung des E-Rezeptes die Hoffnung verbinden, ihr Geschäft weiter auszubauen. Das Ministerium will aber ausdrücklich vermeiden, dass massenweise E-Rezepte an Versandhändler weitergeleitet werden – sei es von den Ärzten direkt oder unterstützt durch die Krankenkassen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Beim Botendienst ist einiges an Potential enthalten - durchaus positiv!

von Andreas Grünebaum am 09.04.2019 um 21:05 Uhr

Man sollte nicht immer alles nur negativ bewerten und am Ende als reaktionärer Bremser dastehen. Gerade beim Botendienst ist Potential, nichts nur bei Gleichpreisigkeit den Hollandversendern Paroli zu bieten: Per App in der Apotheke bestellt, Rezept wird dort nach vorheriger digitaler Vorlage (Scan vom Smartphone und in Zukunft e-Rezept) verifiziert. Beratung erfolgt telemedizinisch über den gleichen Kanal und bei Bedarf oder auch auf Wunsch des Patienten via "Telefon-Chat" nach Terminabsprache direkt mit dem Apotheker. Der weisungsgebundene Bote bringt das ohne großes Problem der Temperaturführung nach Dringlichkeit innerhalb von wenigen Stunden zum Patienten und händigt dies ihm eigenhändig aus.
Aber Wehe: " Die Apotheker hatten sich bis zuletzt gewünscht, dass im Bereich des Botendienstes keine großen Änderungen und Festlegungen vorgenommen werden."

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Spahns Trostpflaster

von Heike Hölzl am 09.04.2019 um 17:23 Uhr

Wie können wir uns nur mit so einem miesen Angebot von Seiten
der Politik abspeisen lassen. Wo bleibt unser Kampfgeist?
Das Einzige was hilft unsere gut funktionierende Arzneimittelversorgung zu erhalten ist das RxVV !
Wir sollten es alle den jungen Kollegen in Berlin gleichtun.

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Spahns segenvolles Füllhorn!

von Heiko Barz am 09.04.2019 um 11:52 Uhr

Als noch im Jahre 2015 der Nacht/Notdienstfonds, die Erhöhung der BTMGebühr und die Rezepturpreiserhöhung wie aus einem Füllhorn über die Apotheken gegossen wurde, war das für uns eigentlich nur als ein Anfang der finanziellen Aufwertung unseres Berufes zu sehen. Es sollte nun nach dem Apothekertag 2015 die spannende Diskussion unseres seit 2004 zementierten Honorars beginnen. Ich habe noch die „flammende Rede“ des F.Schmidt bei Standing Ovations im Ohr, es müsse jetzt endlich auch mal Finanzielles für die Apotheken herauskommen.
Wir müssen leidvoll anerkennen, dass diesen Sprechblasen Nichts aber auch Gar Nichts folgte. Im Gegenteil im April 2016 kam das Gerücht auf, der Polnische Generalanwalt des EUGH wolle die Liberalisierung des europäischen Arzneimittelmarktes per Gesetz gegen das Deutsche Apothekenrecht neu regeln. Wir kennen die Reaktion unserer „Fürsten“. Es gab weder einen Plan A noch B auf diese zu erwartende Katastrophe.

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Formulierung

von Dr. Ralf Schabik am 09.04.2019 um 9:38 Uhr

An anderer Stelle lese ich: "Mit dem Gesetzentwurf soll die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ortsnahe Apotheken gestärkt werden." DIESE Formulierung müssen wir verinnerlichen und NIEMALS vom "Apothekenstärkungsgesetz" reden. Spahn darf und soll gar nicht "die Apotheken stärken", sondern er muss die Bevölkerung im Blick behalten. Und das scheint er getan zu haben.

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Klasse !

von Bürokratie am 09.04.2019 um 8:34 Uhr

Das bestehende System ist mit Bürokratie ÜBERLADEN, da ist keine Luft mehr, QMS, Securpharm, Retaxprüfung, BTM-Doku, Notdienst, TFG-Doku, eCheck, Präqualifizierung, Personalausbildung, Fortbildungspunkte, Chemikalienabgabe, und, und, und .... Vergütung von Dienstleistungen klingt zwar toll, heißt aber konkret: weitere massive Bürokratie! Das Fass ist aber bereits VOLL, mehr noch, es läuft bereits über, man kann einfach nicht mehr und ohne Ausblick (RxVV) will man auch nicht mehr. Wenn man in einer Gesellschaft seitens der Politik keine Wertschätzung erhält und man andauernd zwischen den Zeilen vermittelt bekommt "wir brauchen Euch noch vorübergehend zur Aufrechterhaltung der Versorgung, aber mittelfristig kann es der Versender besser", dann habe ich für mich verstanden. Mit dieser Prognose geht mit Sicherheit keiner mehr in diesen anstrengenden Beruf und meinen Kindern habe ich schon bei Zeiten davon abgeraten. Schade eigentlich. Aber politisch gewollt. Es fehlt schon seit Jahrzehnten an klaren politischen Statements wie "Wir haben in Deutschland eine erstklassige Arzneimittelversorgung und wir tun alles dafür, diese auch weiterhin im Sinne der Bevölkerung aufrechtzuerhalten". Das hier beschrieben Apotheken-Stärkungsgesetz ist nur ein weiterer Sargnagel, man könnte es treffender umbenennen in Apotheken-Überleben-lassen-bis-Versender-versorgen-Gesetz.

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Unter dem Strich

von Karl Friedrich Müller am 09.04.2019 um 7:10 Uhr

Wird alles ignoriert, was wirklich hilft.
Rx Versand Verbot
Wenigstens Inflationsausgleich seit 2004.
Bürokratieabbau.
Dann kann der obige Rest kommen.

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