Trink- und Sondennahrung

Update Enterale Ernährung

Bonn - 18.10.2019, 09:00 Uhr

Bei der Sondenernährung wird der Zugang zum Magen über einen dünnen Schlauch hergestellt, der entweder durch die Nase (Nasensonde) oder direkt durch die Bauchdecke gelegt wird. (Foto: Ramona Heim / stock.adobe.com)

Bei der Sondenernährung wird der Zugang zum Magen über einen dünnen Schlauch hergestellt, der entweder durch die Nase (Nasensonde) oder direkt durch die Bauchdecke gelegt wird. (Foto: Ramona Heim / stock.adobe.com)


Enterale Ernährung in flüssiger Form ist erforderlich, wenn eine ausreichende Ernährung mit normaler Kost nicht mehr möglich ist. Dabei wird zwischen Trink- und Sondennahrungen unterschieden. Die enterale Ernährung im engeren Sinne ist eine Form der künstlichen Nahrungsversorgung, bei der die Nahrungszufuhr über den Magen-Darm-Trakt verläuft, ohne dass der Mund-Rachen-Raum genutzt wird.

Sowohl die Trink- als auch die Sondennahrungen können als enterale Ernährungsformen als alleinige Nährstoffquelle dienen. Die Sondennahrung kommt häufig bei Patienten zum Einsatz, die zur Nahrungsaufnahme selbst nicht mehr in der Lage sind. Die Trinknahrung wird hingegen eher zur Ergänzung der normalen Ernährung eingesetzt, vor allem bei bestimmten Erkrankungen, zum Beispiel von niereninsuffi­zienten Patienten im Stadium vor und während der Dialyse, für Milcheiweißallergiker oder für Verbrennungs­- und Tumor­patienten.

Die Ernährung mit einer speziellen Trinknahrung bei diesen besonderen Krankheitsbildern ist oft die einzige Möglichkeit zu verhindern, dass Krankheitssymptome wei­ter auftreten. Bei bestimmten seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen, wie beispielsweise der Phenylketonu­rie (PKU), ist die Trinknahrung eine der wenigen Möglichkeiten, lebenswichtige Stoffe aufzunehmen.

Phenylketonurie

Die Phenylketonurie ist eine mit gestörtem Stoffwechsel der Aminosäure Phenylalanin einhergehende Stoffwechselerkrankung. In Deutschland tritt die Phenylketonurie bei einer von 7000 Lebendgeburten auf. Sie wird autosomal-rezessiv vererbt. Die Therapie besteht in einer phenylalaninarmen Diät. Phenylalanin ist in fast allen natürlichen Proteinen enthalten, weswegen Erkrankte auf eine spezielle Trinknahrung zurückgreifen müssen.

Wann liegt eine Mangelernährung vor?

Mangelernährung beschreibt einen Mangelzustand an Ener­gie, Eiweiß oder anderen Stoffen. Es kann sich um einen generellen Mangel an allen Nährstoffen und Energie han­deln, aber auch um Mangelzustände einzelner Nährstoffe (zum Beispiel Eiweiß, Vitamine). Ein deutlicher Gewichtsverlust innerhalb kurzer Zeit ist ein erstes und ernstzunehmendes Anzeichen einer Mangelernährung.

Mangelernährung nach DGE

Die Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) definiert Mangelernährung durch folgende Kriterien:

Erwachsene < 65 Jahre:
BMI < 18,5 kg/m2
oder 
unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 10 Prozent in den letzten 3 – 6 Monaten oder 
BMI < 20 kg/m2 und unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 5 Prozent in den letzten 3 – 6 Monaten
oder
Nüchternperiode von länger als 7 Tagen

Erwachsene > 65 Jahre:
BMI < 20 kg/m2
oder 
unbeabsichtigter Gewichtsverlust von > 5 Prozent in 3 Monaten.

Mangelernährung ist besonders bei älteren Menschen weit verbreitet. Die Prävalenz steigt mit zunehmender Hilfs­- und Pflegebedürftigkeit und mit einem schlechter werdendem Gesund­heits­- und Allgemeinzustand an. Selbstständig zu Hause lebende Senioren, Heimbewohner und geriatrische Patien­ten haben eine hohe Prävalenz für eine Mangelernährung. Eine speziell abgestimmte Trinknahrung kann helfen, der Man­gelernährung vorzubeugen oder verlorenes Gewicht wieder zuzulegen, da die vollbilanzierte Trinknahrung alle täglich benötigten Makro­- und Mikronährstoffe enthält.

Sondenernährung in der Geriatrie

Besonders bei älteren Menschen sollte gemäß der DGEM-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Geriatrie“ das Ziel einer Sondenernährung sein, Energie- und Nährstoffzufuhr zu gewährleisten und den Ernährungszustand zu erhalten oder zu verbessern. Sie wird initiiert, wenn die orale Nahrungsaufnahme voraussichtlich länger als drei Tage unmöglich oder länger als zehn Tage unzureichend (< 50 Prozent des Bedarfs) ist.

„Künstliche Ernährung“

Bei der Sondenernährung wird der Zugang zum Magen über einen dünnen Schlauch hergestellt, der entweder durch die Nase (Nasensonde) oder direkt durch die Bauchdecke (PEG-­Sonde, perkutane endoskopisch kontrollierte Gast­rostomie) gelegt wird. Die Sondenernährung wird häufig als „künstliche Ernährung“ bezeichnet, da es sich hier nicht um den normalen Weg der Nahrungszufuhr handelt. Das „künstliche“ bezieht sich allerdings nicht auf die Art und Zusammensetzung der Nährstoffe. Enterale Ernährung enthält alle lebenswichtigen Nährstoffe in der jeweils für den Anwendungsbereich richtigen Menge.

Eine künstliche Ernährung ist grundsätzlich immer dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Mensch keine Nahrung auf natürlichem Wege mehr zu sich nehmen kann. In diesem Fall ist das Überleben davon abhängig, dass dem Betroffenen in ausreichendem Maß Flüssigkeit und Nährstoffe zugeführt werden. Eine künstliche Ernährung soll, soweit es seine Erkrankung zulässt, sein Überleben sichern und zu seiner Lebensqualität beitragen.

Bei welchen Erkrankungen 

Die natürliche Nahrungsaufnahme über den Mund kann bei einer Vielzahl von Erkrankungen behindert oder einge­schränkt sein. Dann kann der Organismus derart geschwächt sein, dass Essen und Trinken vorübergehend nicht in aus­reichendem Umfang möglich ist:

  • bei akuter Erkrankung, zum Beispiel nach schwerer Bauchopera­tion
  • bei schwerer Lungenentzündung
  • im Rahmen einer Chemotherapie bei bösartigen Erkrankungen
  • bei Verschluss der Speiseröhre oder des Mageneinganges
  • bei neurologischen Erkrankungen kann die Koordina­tion des Schluckvorganges im Gehirn gestört sein
  • bei Demenzerkrankungen in weit fortgeschrittenem Sta­dium (zum Beispiel Alzheimererkrankung) kann es vorkommen, dass der Mensch das Essen und Schlucken regelrecht „verlernt“
  • bei dauerhaftem Bewusstseinsverlust (zum Beispiel Wachkoma) besteht aufgrund der hochgradigen Hirnschädigung in der Regel völlige Schluckunfähigkeit
  • bei schwerwiegenden psychiatrischen Krankheiten, zum Beispiel schwerer Magersucht oder Depression, kann es zu Phasen kommen, in denen die Erkrankung dem Menschen das Essen und Trinken unmöglich macht

Welche Formen der Trinknahrung gibt es?

Neben der Sondennahrung zählt auch die Trinknahrung zur medizinisch­-enteralen Ernährung, die in der Apotheke häufiger vorkommt. Hier erfolgt die Aufnahme wie bei einem herkömmlichen Lebensmittel, also durch eine aktive orale Aufnahme. In konzentrierter Form sind in der Trinknahrung alle lebensnotwendigen Nährstoffe wie Eiweiß, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten. Solch eine Trinkmahlzeit wirkt unterstützend, um schnell Ernährungsdefizite zu mindern, allgemein ungewolltem Gewichtsverlust entgegen zu wirken sowie Gewicht zunehmen zu können. Durch die hohe Ener­gie­- und Nährstoffdichte ist eine enterale Ernährung in Form einer vollbilanzierten Trinknahrung sowohl zur ergänzenden als auch zur ausschließlichen Ernährung geeig­net.

Mit bis zu 400 kcal pro Flasche gibt es Trinknahrung mit hohem Energiegehalt. Zusätzlich ist die meiste Trinknah­rung sehr reich an Eiweiß. Das ist wichtig, da in den meisten Krankheitssituationen ein erhöhter Bedarf an Protein besteht.

Mit und ohne Ballaststoffe, flüssig oder Pudding

Trinknahrungen sind mit oder ohne Ballast­stoffe erhältlich. Häufig gibt es Trinknahrungen in unter­ schiedlichen Geschmacksrichtungen. Trinknahrung gibt es auch in verschiedenen Energiedich­ten. So können Patienten, die einen ebenso hohen Eiweiß­bedarf, aber einen nicht ganz so hohen Energiebedarf haben, entsprechend formulierte Trinknahrungen zu sich nehmen.

Die Trinknahrungen stehen auch in verschiedenen Konsistenzen zur Verfügung, ähnlich wie ein Pudding oder Joghurt und können mit einem Löffel gegessen werden, sofern der körperliche Zustand des Patienten dies zulässt.

Auch für den Nährstoffbedarf von Kindern gibt es Trink­nahrungen. Für Kinder von ein bis zwölf Jahren gibt es die speziell an ihren Bedarf angepassten Trinknahrungen. Auch hier stehen in der Regel verschiedene Varianten mit und ohne Ballaststoffe zur Verfügung.

Wann zahlt die Krankenkasse eine enterale Ernährung?

Enterale Ernährung ist bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung verordnungsfähig, wenn eine Veränderung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen. Diätetika gemäß § 31 SGB V sind erstattungsfähig. Je nach Kasse gibt es eine Preisgrenze, ab der eine Genehmigung verlangt wird. Auch ist eventuell ein Beitritt zu einer Liefervereinbarung notwendig. Die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses enthalten die verordnungsfähigen Produktgruppen.

Tipps zur Einnahme von Trinknahrung

Wenn ein Patient zum ersten Mal Trinknahrung zu sich nimmt, soll er mit kleinen Portionen beginnen und lang­sam und schluckweise trinken. Wenn man über einen längeren Zeitraum nur wenig Nahrung zu sich genommen hat, muss sich der Magen­-Darmtrakt erst wie­der langsam daran gewöhnen, dass Nährstoffe geliefert werden. Die süßen Varianten schmecken gekühlt am besten. Trinknahrungen können sehr vielseitig eingesetzt und auch gut in die normale Ernährung integriert werden.

Es stehen sehr viele unterschiedlich zusammengesetzte Pro­dukte für verschiedene körperliche Zustände zur Verfügung. Die zahlreichen Anbieter der Trinknahrungen haben auf ihren Homepages die Produkte für die einzelnen Patienten­gruppen übersichtlich zusammengestellt. Die gängigsten Firmen, deren Produkte meistens über den Großhandel zu beziehenden sind, sind nachfolgend aufgeführt.

Anmerkung: In einer früheren Version des Textes stand fälschlicherweise, dass der Arzt bei Verordnung von enteraler Ernährung die Diagnose auf das Rezept schreiben muss. Der Fehler wurde korrigiert (21.10.2019).



Lars Peter Frohn, Apotheker, Autor DAZ.online
radaktion@daz.online


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2 Kommentare

Diagnose?

von Christoph Z. am 20.10.2019 um 18:38 Uhr

Ist bei Trinknahrung tatsächlich eine Diagnose auf dem Rezept erforderlich? Es sind doch Medizinprodukte -> Diätetika und keine Hilfsmittel, oder?

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Diagnose

von Celine Müller am 21.10.2019 um 13:44 Uhr

Sehr geehrter Herr Zerlik,
vielen Dank für Ihre aufmerksame Lektüre - Sie haben vollkommen recht: Eine Diagnose bedarf es nur bei Hilfsmitteln, nicht jedoch bei enteraler Ernährung. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen, der Text wurde dahingehend korrigiert. Nochmals vielen Dank!

Schöne Grüße

Celine Müller

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