Partusisten und Minprostin

Lieferengpässe im Kreißsaal

Stuttgart - 25.02.2020, 09:00 Uhr

Frauen wünschen sich, dass bei der Geburt nichts „schief“ geht. Doch für viele wird die Geburt zur Grenzerfahrung.(s / Foto: GordonGrand / stock.adobe.com)

Frauen wünschen sich, dass bei der Geburt nichts „schief“ geht. Doch für viele wird die Geburt zur Grenzerfahrung.(s / Foto: GordonGrand / stock.adobe.com)


Was ist los in deutschen Kreißsälen? Vergangenen März 2019 forderten Klinikapotheker das Bundesgesundheitsministerium auf, den Versorgungsmangel bei Oxytocin festzustellen, die vergangenen Tage waren medial vom „Fall Cytotec“ geprägt. Gerade im Zusammenhang mit Letzterem fallen nun zwei Engpässe in der Liste des BfArM besonders ins Auge: Minprostin-Vaginaltabletten von Pfizer zur Geburtseinleitung und das Tokolytikum Partusisten intrapartal sind aufgrund von Produktionsproblemen vorerst nicht lieferbar.

Die Firma Hikma Pharma GmbH informiert mittels Informationsschreiben über die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) seit dem 20. Februar über eine Lieferunterbrechung von „Partusisten® intrapartal 25 µg/ml, Konzentrat zur Herstellung einer Injektionslösung“, bis voraussichtlich April 2020. Dabei handelt es sich um ein Tokolytikum, das zur „Behandlung von Dystokien in der Eröffnungs- und Austreibungsperiode, intrauterine Asphyxie, geburtshilfliche Notfälle und Uterusrelaxation bei akuten Indikationen wie zum Beispiel bei Sectio“ zugelassen ist. In Deutschland stehe kein anderes Präparat mit identischer Zulassung zur Verfügung. Beim enthaltenen Wirkstoff handelt es sich um Fenoterolhydrobromid.

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Unter einer Dystokie versteht man nach Duden einen gestörten Geburtsverlauf, der laut Indikation in der Lauer-Taxe „zum Beispiel spontan beziehungsweise durch Vorliegen eines Geburtshindernisses oder durch Überstimulierung mit wehenauslösenden Medikamenten entstandene Hyperaktivität des Uterus bis hin zum Tetanus uteri“ bedingt sein kann. Dass eine Tokolyse während einer Geburtseinleitung mit Misoprostol durchaus notwendig werden kann, zeigte ein Rote-Hand-Brief zu dem Fertigarzneimittel Misodel® im Jahr 2017. Misodel® wurde mittlerweile aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen.

Übrigens ist auch im Jahr 2013 bereits ein Rote-Hand-Brief zu „kurzwirksamen Beta-Agonisten/Beta-2-Sympathomimetika (SABAs) für geburtshilfliche Indikationen – einschließlich Partusisten® (Fenoterol)“ – erschienen, in dem die Firma Boehringer Ingelheim darüber informierte, dass „oral und rektal anzuwendende SABAs“ nicht mehr in den geburtshilflichen Indikationen angewendet werden dürfen. In Deutschland sei Fenoterol als einziges SABA für diese Indikationen zugelassen, schrieb das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) damals. Die Anwendung parenteraler SABAs sei in allen zugelassenen geburtshilflichen Indikationen auf maximal 48 Stunden unter Kontrolle eines Facharztes zu begrenzen, heißt es in der Fachinformation. Der Grund lautete 2013: „SABAs werden mit schwerwiegenden, manchmal letalen, kardiovaskulären Nebenwirkungen bei der Mutter und dem Fötus/Neugeborenen assoziiert.“ 

Was bedeutet der Partusisten® intrapartal-Engpass nun also für den Kreißsaal?

Mögliche therapeutische Alternative: Vorsicht Fehldosierung!

Zur aktuellen Engpassmeldung weist die Hikma Pharma GmbH nun auf „Partusisten® Infusionslösungskonzentrat“ als mögliche therapeutische Alternative zur Injektionslösung hin, welches ebenfalls das β2-selektive Sympathomimetikum Fenoterol (als Hydrobromid) enthält. Allerdings umfasst seine zugelassene Indikation die oben genannten Anwendungsgebiete nicht.

Bei Verwendung der Alternative sei nun unbedingt auf das Risiko einer Fehldosierung zu achten, da das alternative Infusionslösungskonzentrat den Wirkstoff in doppelter Konzentration (50 µg/ml) enthält. Alle weiteren Hilfsstoffe seien bei beiden Arzneimitteln jedoch identisch. Der Hinweis auf diese „Ausweichmöglichkeit“ sei dennoch lediglich als „Information“ zu verstehen, nicht als „Werbung“ oder „Empfehlung“. Das liegt an den erwähnten unterschiedlichen Indikationen, sodass die Verantwortung in der Anwendung komplett beim behandelnden Arzt liege. 

Wie zur Geburtseinleitung finden sich auch zur Wehenhemmung im Internet nur abgelaufenen Leitlinien. Bis 2013 hieß es dort:


Eine Reihe verschiedener Medikamente wird zur Tokolyse eingesetzt. Derzeit sind dies Betasympathomimetika, Oxytocin-Rezeptorantagonisten, Calciumantagonisten, Magnesium, Prostaglandinsynthesehemmer und NO-Donatoren. […] Nur der Beta-Agonist Fenoterol (Partusisten) und der Oxytocin-Rezeptorantagonist Atosiban (Tractocile) sind zur Behandlung vorzeitiger Wehen ausdrücklich zugelassen, […].“

Abgelaufene Leitlinie der DGGG


Fenoterol habe jedoch mehr Nebenwirkungen als Atosiban und Nifedipin. Diese Aussage der Leitlinie deckt sich auch mit dem neueren „Leitfaden Geburtshilfe“ der GFO Kliniken Troisdorf von 2017, der im Internet zu finden ist. Dort gilt die i.v.-Tokolyse mit Partusisten lediglich als Mittel der zweiten Wahl. Als erste Wahl an der Klinik – aber off-Label – wird orales Nifedipin genannt. Generell als Mittel der ersten Wahl gelte die i.v.-Tokolyse mit Tractocile.

Nach Cytotec-Diskussion: Folgt der Dinoproston-Engpass?

Wer die Medien in den vergangenen Tagen verfolgt hat, dem dürfte die Off-Label-Problematik in der Geburtshilfe bekannt vorkommen. Denn genau darum geht es auch im medial aufbereiteten Fall Cytotec®. Cytotec® wird breit in der Geburtshilfe in Deutschland eingesetzt, obwohl es für diesen Zweck nicht zugelassen ist. Viele Mediziner befürchteten im Rahmen der Cytotec®-Berichterstattung bereits, dass dem Ruf des eigentlich guten und etablierten Wirkstoffs Misoprostol so sehr geschadet werden könnte, dass er in Zukunft gar nicht mehr zum Einsatz kommen könne. 

Nun meldet Pfizer seit dem 18. Februar einen Engpass von „Minprostin E2 Vaginaltabletten 3 mg“ (Wirkstoff Dinoproston). Zugelassen sind diese „zur Geburtseinleitung bei Patientinnen mit ausreichender Geburtsreife der Cervix uteri“. Als Grund des Engpasses werden Verzögerungen innerhalb der Produktionsabläufe angegeben. 

Misoprostol in Cytotec – Teil 1

Gefährlich oder Lebensretter für Frauen?

Pfizer hat zwar (neben Propess® von Ferring) mehrere Dinoproston-Präparate im Handel, aber in unterschiedlichen Darreichungsformen und Indikationen. Könnte der aktuelle Engpass der Vaginaltabletten nun vielleicht auch darauf zurückzuführen sein, dass vermehrt auf die Cytotec®-Tabletten verzichtet wird, Tabletten als Darreichungsform aber bevorzugt werden? DAZ.online hat bei Pfizer nachgefragt: „Der Lieferengpass von Minprostin E2 Vaginaltabletten 3 mg ist produktionstechnisch bedingt und steht daher nicht in Zusammenhang mit Cytotec. Wir bemühen uns um schnellstmögliche Behebung, um wieder konstant liefern zu können“, verneint Pfizer die Annahme. Bei Bedarf könne erwogen werden, ein andere Darreichungsform von Dinoproston anzuwenden. Welche das ist, sollte im Einzelfall aber durch den behandelnden Arzt bewertet werden: „Vaginaltabletten oder Gele können jedoch nicht angewendet werden, wenn die Fruchtblase bereits geplatzt ist, da dann die Entzündungsgefahr zu hoch wäre.“



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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