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Neue S1-Leitlinie
Neurologische Störungen bei COVID-19 nicht übersehen
Mittlerweile ist bekannt, dass COVID-19-Erkrankungen auch mit neurologischen Manifestationen einhergehen können. Wegen der Konzentration auf die Lungenschädigungen werden diese häufig übersehen. Autoren der neuen Leitlinie „Neurologische Manifestationen bei COVID-19“ empfehlen daher, COVID-19-Patienten auch neurologisch mitzubetreuen.
Unter Federführung von Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), wurde in diesen Tagen eine neue S1-Leitlinie zu „Neurologischen Manifestationen bei COVID-19“ veröffentlicht. Neben der DGN waren auch die Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin und die Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie an der Erstellung beteiligt. Sie richtet sich an Neurologen, die Patienten mit Verdacht auf oder mit bestätigter COVID-19-Infektion und neurologischen Symptomen behandeln. Darüber hinaus dient sie der Information aller an der Versorgung dieser Patienten beteiligten Berufsgruppen, auch von Apothekern sowie Betroffenen und Angehörigen. Die S1-Leitlinie enthält zahlreiche Handlungsempfehlungen, nicht nur für die Versorgung von Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion, sondern auch von Patienten mit neurologischen Grunderkrankungen mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion.
Hoher Prozentsatz an neurologischen Manifestationen
„Während wir zu Beginn der Pandemie eine geringe Schnittmenge zwischen
COVID-19 und unserem Fach sahen und glaubten, die Herausforderung läge vor allem in der Organisation der Versorgung von Patienten mit chronischen neurologischen Erkrankungen während des Lockdowns, haben wir schnell erkennen müssen, dass die Neurologie neben der Pneumologie und Intensivmedizin im Epizentrum der Pandemie steht“, begründet Berlit die Initiative. „COVID-19 ist mit einem hohen Prozentsatz an neurologischen Manifestationen verbunden und deren Bandbreite ist groß. Die Präsentationen und Verläufe sind oft sehr heterogen. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass COVID-19-Patienten neurologisch mitbetreut werden.“ Die Experten verweisen hierzu auf die internationale Datenlage zu
COVID-19, in der über ein vermehrtes Auftreten neurologischer Störungen wie Hirnnervenaffektionen, Enzephalopathien und Enzephalomyelitiden, ischämischen Schlaganfällen und intrazerebralen Blutungen sowie neuromuskulären Erkrankungen berichtet wird.
Neurologisches Screening bei schwer Erkrankten gefordert
Diese könnten in der intensivmedizinischen Behandlung, bei der die Schädigung der Lunge im Vordergrund stehe, leicht maskiert bleiben, so die Befürchtung der Fachärzte. Die invasiv beatmeten Menschen erhielten in der Regel eine Analgosedierung, seien also nicht bei Bewusstsein und könnten daher neu auftretende Symptome nicht mitteilen. „Ohne ein routinemäßiges neurologisches Screening können schwere neurologische Begleiterkrankungen deshalb völlig unerkannt bleiben“ erklärt Berlit Das könne letztlich zur hohen Mortalität von beatmungspflichtigen COVID-19-Patienten beigetragen haben, glauben die Leitlinien-Autoren. Das hinter den Leitlinien stehende Expertengremium empfiehlt deshalb dringend, intensivpflichtige, beatmete COVID-19-Patienten aufmerksam auf neurologische Manifestationen zu untersuchen.
Die S1-Leitlinie gibt aber auch klare Handlungsempfehlungen für die Versorgung von Personen mit SARS-CoV-2-Infektion und neurologischen Manifestationen in der ambulanten Praxis. Grundsätzlich wird dazu geraten, Patienten mit neurologischen Symptomen, die über den Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns hinausgehen, in eine neurologische Klinik zu überweisen, denn alle neurologischen Manifestationen erfordern eine rasche stationäre Diagnostik und Therapie.
Was tun, wenn man nichts mehr riecht?
Bekanntermaßen kann eine Infektion mit SARS-CoV-2 auch mit einer Riechstörung oder dem Verlust des Geruchssinns verbunden sein. Darauf geht die neue Leitlinie ebenfalls ausführlich ein. Riechstörungen in der Folge viraler (grippaler) Infekte der oberen Atemwege werden hiernach auch nach Infektionen mit einer Reihe von Erkältungsviren, wie zum Beispiel Adeno- und Rhinoviren, beschrieben. Häufig sind sie dann mit nasalen Symptomen wie Schnupfen, Niesen, laufender oder verstopfter Nase vergesellschaftet. Bei SARS-CoV-2 geht die Riechstörung im Gegensatz dazu nicht mit solchen Symptomen einher. Die Wissenschaftler vermuten deshalb als Ursache vor allem direkte schädigende Effekte des Virus auf das Riechsystem. Auch wenn Details nach der aktuellen Datenlage noch nicht abschließend geklärt sind, zeichnen sich folgende wesentliche Punkte bereits ab: Riech- und Schmeckstörungen sind bei COVID-19 häufig und sie kommen besonders bei leichteren Verlaufsformen vor. Sie können erstes (und seltener einziges) Symptom einer COVID-19-Erkrankung sein. Sie sind daher zur Frühidentifikation neuer „Hot Spots“ auch epidemiologisch relevant. In der Pandemie hat ein plötzlicher Riechverlust bei Patienten ohne nasale Obstruktion eine Spezifität von 97 Prozent und eine Sensitivität von 65 Prozent für COVID-19.
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Der Verlauf von Riech- und Schmeckstörungen bei COVID-19 wird generell günstig angesehen. Bei einem Großteil der Betroffenen bessert sich die Störung binnen zwei bis drei Wochen vollständig oder weitgehend. In zehn bis zwanzig Prozent der Fälle bleiben allerdings relevante Einschränkungen zurück. Wenn eine Riechstörung im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung sich nicht binnen vier Wochen wieder weitgehend zurückgebildet hat, sollte zu einem Besuch beim Neurologen oder
HNO-Arzt geraten werden.
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