- DAZ.online
- News
- Recht
- Trotz Berufsverbot klagt ...
Zyto-Skandal
Trotz Berufsverbot klagt Bottroper Apotheker gegen Approbations-Entzug
Der zu zwölf Jahren Haft verurteilte frühere Apotheker Peter Stadtmann klagt gegen die Bezirksregierung Münster, die den Entzug seiner Approbation angeordnet hatte. Dabei hat der Bundesgerichtshof ein lebenslanges Berufsverbot gegen ihn bestätigt. Zuvor war Stadtmann schon dagegen vorgegangen, dass das Ruhen seiner Approbation angeordnet worden war.
Der wegen Unterdosierungen tausender Krebsmittel sowie wegen Abrechnungsbetrugs rechtskräftig verurteilte Apotheker Peter Stadtmann klagt nach Information von DAZ.online dagegen, dass er seine Approbationsurkunde verliert. Die Bezirksregierung Münster hatte seine Approbation widerrufen, nachdem der Bundesgerichtshof im Juni das erstinstanzliche Urteil gegen Stadtmann bestätigt hatte.
Mehr zum Thema
Unterdosierte Krebsmittel
BGH bestätigt Haftstrafe für Bottroper Zyto-Apotheker
Nun muss das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in dieser Sache entscheiden (Az. 18 K 3908/20). Dortige Richter hatten Ende 2019 schon die Entscheidung der Bezirksregierung Münster bestätigt, die Approbation ruhen zu lassen (Az. 18 K 4999/17). Die Bezirksregierung hatte vier Monate nach dessen Verhaftung im November 2019 erklärt, die vorliegenden Informationen ließen auf die Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs schließen. Mit Blick auf den Zeitraum der in Verdacht stehenden Straftaten, der hohen kriminellen Energie und der Skrupellosigkeit gegenüber den Auswirkungen für die Patienten seien die Vorwürfe geeignet, das Vertrauensverhältnis zu seinen Patienten nachhaltig zu untergraben. Das Fehlverhalten stehe nicht im Einklang mit den Erwartungen an einen Apotheker – und schädige das Ansehen der Apothekerschaft insgesamt.
Anwälte bestritten in früherem Verfahren Gefahr für Patienten
Insgesamt sah die Behörde damals eine große Sorg- und Bedenkenlosigkeit gegenüber den einzuhaltenden Berufspflichten sowie ein Gewinnstreben, das annehmen lasse, dass Stadtmann sich auch in Zukunft nicht an die Vorschriften halten sowie weitere Straftaten begehen werde. Deshalb könne nicht die Prognose getroffen werden, dass er künftig seine Berufspflichten erfüllen werde, weshalb er als unzuverlässig erscheine.
Die Anwälte von Stadtmann hatten dies in dem damaligen Verfahren bestritten: Es bestehen keine überzeugenden Ermittlungsergebnisse, erklärten sie laut dem Urteil des Verwaltungsgerichts. Der Haftbefehl widerspreche den Vorschriften, da er auf zehntausende Taten abziele, nicht aber eine Tat konkretisiere. Der Nachweis und die Quantifizierung eines Schadens, der durch die angeblichen Unterdosierungen entstanden sein solle, sei schwierig, erklärten die Anwälte: Nach Auskünften von Sachverständigen bleibe es spekulativ, ob bei korrekter Dosierung der Medikamente diese gleichwohl Erfolg gehabt hätten. Es fehlten wissenschaftliche Daten, die eine Wirkungsminderung durch Unterdosierungen abschätzen ließen. Auch sei aufgrund der Inhaftierung die Zytostatikaherstellung geschlossen, sodass keine Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter bestehe.
Apotheker muss Garant für eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung sein
Für das Ruhen der Approbation müsse kein Schaden durch Unterdosierungen festgestellt werden, argumentierte die Bezirksregierung – dies sei der strafrechtlichen Beurteilung vorbehalten. Ob die jeweiligen Therapien keinen Erfolg versprächen, sei unerheblich. Ein Apotheker habe als Garant für eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung zu dienen, erklärte die Behörde – er habe den Rezeptierungen Folge zu leisten. Dies habe Stadtmann nicht nur ignoriert, sondern vorsätzlich missachtet: Dies sei berufsrechtlich besonders verwerflich und begründe seine Berufsunwürdigkeit. So sei die Rückgabe der Approbationsurkunde gerechtfertigt, da verhindert werden müsse, dass Stadtmann den Anschein erwecke, berechtigt zu sein, den Beruf als Apotheker auszuüben.
Stadtmann klagte gegen den Bescheid der Bezirksregierung – es fehlten konkrete Ermittlungsergebnisse, die strafrechtlich vollendete Tatbestände gegen das Leben oder die Gesundheit von Patienten belegten, behauptete er. Die Bezirksregierung verteidigte ihr Vorgehen – es sei in diesem Ausnahmefall nicht hinnehmbar, dass auch nur die geringste Möglichkeit bestünde, dass der Kläger in absehbarer Zeit erneut seinen Beruf ausübe. Es bestehe die Gefahr wiederholter Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz, da aufgrund der finanziellen Motivation seines Handelns eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine erneute missbräuchliche Tätigkeit bestehe, um unrechtmäßige finanzielle Vorteile zu erlangen – auch da Stadtmann sich eine frühere Strafanzeige gegen ihn nicht zur Warnung habe gereichen lassen, sondern sein Fehlverhalten „unbeeindruckt davon und mit gesteigerter krimineller Energie“ fortgesetzt habe. Die damalige Untersuchungshaft hätte kurzfristig aufgehoben werden können und eine erneute Berufstätigkeit zunächst unbemerkt bleiben.
„Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit für die Ausübung des Berufs“
Nachdem das Landgericht Essen Stadtmann im Juli 2018 zu zwölf Jahren Haft verurteilt und ein lebenslanges Berufsverbot sowie eine Einziehung von 17 Millionen Euro angeordnet hatten, sahen die Richter des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen seine Klage gegen die Bezirksregierung als unbegründet an – auch wenn das Strafverfahren damals noch nicht rechtskräftig entschieden war, da Stadtmann wie auch Nebenkläger Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt hatten. „Im Streitfall liegt eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit des Klägers vor“, schrieben die Richter. „Aus den zahlreichen Straftaten, die der noch nicht rechtskräftigen Verurteilung des Klägers zugrunde liegen, folgen seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit für die Ausübung des Berufs als Apotheker.“ Die Ruhensanordnung könne auch gerade bei noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren erfolgen.
Schon der Betrug bei 59 monatlichen Abrechnungen stelle schwere Straftaten dar. „Eine korrekte Abrechnung pharmazeutischer Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gehört zu den selbstverständlichen Berufspflichten des Apothekers“, schreiben die Richter in ihrem Urteil. Von hohem Gewicht sei auch die Verurteilung wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in
14.537 Fällen – auch da die unterdosierten Zytostatika individuell verordnet und dann auch großteils verabreicht worden waren. „Ein Apotheker, der mit einer Betriebserlaubnis für die Zytostatikaherstellung, speziell von ihm zubereitete Arzneimittel, die Maßgaben der ärztlichen Verordnung massiv und wiederholt in mehreren tausend Fällen nicht einhält, verletzt seine Berufspflichten in äußerst hohem Maße.“
Verwaltungsgericht bestätigte Wiederholungsgefahr
Auch habe Stadtmann an der strafgerichtlichen Aufarbeitung seines ihm vorgeworfenen außerordentlich vielzähligen Fehlverhaltens nach den Feststellungen des Landgerichts „nicht ansatzweise mitgewirkt“, erklärten die Richter des Verwaltungsgerichts. Wie auch die Richter des Landgerichts Essen sahen sie die Annahme als eindeutig gerechtfertigt an, dass der Kläger im Falle einer Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Untersuchungshaft seine Approbation nutzen würde, um erneut weitere unrechtmäßige finanzielle Vorteile zu erlangen. Dass Stadtmann gegenüber einem psychiatrischen Sachverständigen gesagt hat, wegen seiner beruflichen Belastung vor der Inhaftnahme und wohl auch wegen dem Druck des Strafverfahrens und der mehrmonatigen Untersuchungshaft zukünftig nicht mehr arbeiten zu wollen, sei als Selbsteinschätzung nicht geeignet, die konkrete Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen.
Die Berufung ließen die Verwaltungsrichter damals zu: Es sei höchstrichterlich bislang nicht geklärt, ob eine konkrete Wiederholungsgefahr auch dann besteht, wenn sich der Approbationsinhaber zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in Untersuchungshaft befindet. So legte Stadtmann beim Oberverwaltungsgericht NRW in Münster Klage ein (Az. 13 A 516/20), die sich aufgrund des nun ergangenen Bescheids zum Widerruf der Approbation jedoch erledigt hat.
Kammer prüft berufsrechtliche Konsequenzen
Nun muss sich auch die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit der Angelegenheit befassen, die jedoch recht unklar ist. Das vom Bundesgerichtshof bestätigte strafrechtliche Berufsverbot nach § 70 Strafgesetzbuch „verbietet die Ausübung des Berufs in allen denkbaren Formen“, erklärt ein Sprecher. Das Berufsverbot wirke zwar faktisch wie ein Approbationsentzug, doch sei es nicht dasselbe. Spätestens mit dem Entzug der Approbation verliere Herr Stadtmann seine Eigenschaft als Kammermitglied, ab dann wären berufsrechtliche Maßnahmen nicht mehr möglich. „Vor diesem Hintergrund wird sich unsere berufsrechtliche Tätigkeit erübrigen, da diese eine gewisse Zeit beanspruchen wird und die Approbationsentziehung zeitnah zu erwarten ist“, erklärte der Sprecher.
Doch aufgrund der Klageerhebung Stadtmanns ist in den nächsten Monaten noch nicht mit einem rechtskräftigen Entzug seiner Approbation zu rechnen. Für die Kammer könnte sich die Angelegenheit jedoch aus einem anderen Grund bald erledigt haben: Wenn Stadtmann in eine, in einem anderen Kammerbereich gelegene, Justizvollzugsanstalt verlegt würde, wäre er nicht mehr bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Mitglied – und die dortige Kammer wäre für das weitere berufsrechtliche Verfahren zuständig.
Wegen des Berufsverbots könnte Stadtmann womöglich noch zum Bundesverfassungsgericht ziehen – oder zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
2 Kommentare
Strafe zu mild
von Torben Licht am 21.10.2020 um 2:29 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Rechtsschutzversicherung??
von Holger am 22.10.2020 um 12:43 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.