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18. Dezember 2020
Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz ist in Kraft – die meisten EU-Versender halten sich an die Bestimmung, keine Rx-Boni mehr für GKV-Rezepte gewähren zu dürfen. Für Privatrezepte allerdings wird munter weiter für Boni geworben – und das ist erlaubt. So verspricht das Versandhaus „Shop-Apotheke“ weiterhin einen Bonus bis zu 30 Euro. Auch DocMorris hat auf seiner Webseite keinen Hinweis mehr auf Rezeptboni, allerdings hatte dieser Versender noch vor Kurzem Gutscheine für „doppelte“ Rezeptboni ausgelobt, die bis Ende Januar 2021 einlösbar sein sollen. Und klar, es wäre nicht DocMorris, wenn dieser Versender nicht ankündigen würde, gegen das VOASG vorgehen zu wollen: „Wir werden uns mit allen Mitteln weiter für Sie und die Versicherten einsetzen und hoffen, ihnen in Zukunft wieder einen Bonus auf Rezept gewähren zu dürfen“, heißt es großspurig bei DocMorris. Ganz aus der Reihe tanzt dagegen das Versandhaus „apo-discounter“, das seinen Kunden nach wie vor bis zu 30 Euro Rezeptbonus, mindestens aber 2,50 Euro je verordnetem Arzneimittel verspricht. Hinter „apo-discounter“ mit seiner Betriebsstätte in Markkleeberg steckt die Apothekerin Kerstin Fritsch. Bei Rx-Bestellungen führt der Weg direkt zum niederländischen Partner APO Pharmacy B.V. und der Apologistics NL B.V mit dem Geschäftsführer Helmut Michael Fritsch. Die Apothekerkammer Nordrhein, die bekannt dafür ist, solches Marktverhalten genau zu beobachten, will Verstöße gegen das Boni-Verbot nicht dulden und hat diesen Versender abgemahnt. Mein liebes Tagebuch, Danke an die AK Nordrhein. Allerdings sind auch die Krankenkassen gefordert, Verstöße gegen den Rahmenvertrag zu sanktionieren. Da sind wir gespannt, wie ernst die Kassen diese Aufgabe nehmen.
Glückwunsch an den Landesapothekerverband Niedersachsen, er konnte mit der AOK Niedersachsen eine Vereinbarung im Rahmen des Modellprojekts Grippeschutzimpfung in Apotheken treffen. AOK-Versicherte können sich in diesem Bundesland nun auch in Apotheken, die an dem Modellprojekt teilnehmen und die sich fürs Impfen haben schulen lassen, gegen Grippe impfen lassen. Es stehen ausreichend Einzel-Grippeimpfstoffdosen für die Apotheken zur Verfügung, so der LAV Niedersachsen. Mein liebes Tagebuch, wenn wir richtig mitgezählt haben, ist der LAV Niedersachsen nach dem Apothekerverband Nordrhein und dem Saarländischen Apothekerverein nun der dritte Apothekerverband, der die Teilnahme am Modellprojekt ermöglicht. Und wann folgen weitere Verbände?
Das soll die neue Ära der Gesundheitsversorgung in Deutschland sein: die Gesundheitsplattform „DocMorris +“: alles aus einer Hand bzw. mit einer App, vom Arztbesuch bis zum Arzneimittelversand. Mein liebes Tagebuch, es schaudert mich. Die Trennung von Arzt und Apotheker ist damit aufgehoben, wenn im selben Konzern quasi unter einem virtuellen Dach Ärzte und eine sogenannte Apotheke, die als Arzneimittelversand fungiert, zusammenarbeiten.
Da dem Versandhaus bewusst ist, dass man mit der derzeitigen Logistik nicht rasch genug beim Patienten ist, sucht man noch Partnerapotheken in Deutschland für ein Apothekennetzwerk, über das die DocMorris-Aufträge vor Ort ausgeliefert werden. Die (zukünftigen) Partnerapotheken sollen „von der Kunden-Strahlkraft Deutschlands bekanntester Apothekenmarke und dem Zugang zu über acht Millionen aktiven Kunden“ profitieren, verspricht DocMorris. Darüber hinaus lockt man Apotheken mit dem Versprechen, einen digitalen Kompetenzvorsprung zu bekommen, z. B. beim E-Rezept, an dem die DocMorris-Schwester eHealth-Tec mitarbeitet. (Na siehste, mein liebes Tagebuch, und die Gematik schaut zu.) Was mit großem Getöse angekündigt wird, ist allerdings noch im Aufbau. Noch kann man mit der App kaum etwas anfangen, man findet keine Ärzte und keine Partnerapotheken. Alles soll erst mit dem Start der E-Rezept-Funktion freigeschaltet werden. Auf der Seite „docmorris-plus.de“ sind bereits die Kosten aufgeführt, die Partnerapotheken abdrücken müssen, wenn sie sich unter das Joch von DocMorris…, nein, pardon, wenn sie „von der Kunden-Strahlkraft der Marke“ profitieren wollen. Mein liebes Tagebuch, Apotheken, die damit liebäugeln, sollten vielleicht zweimal darüber nachdenken, ob sie nicht an ihrem eigenen Untergang mitarbeiten?
Eigentlich sorgt der Spahnsche Masken-Abgaberummel schon für genug Arbeit und Probleme – doch jetzt kommen möglicherweise weitere dazu: Der oberste Datenschützer schaut schon um die Ecke und droht mit Bußgeld. Der Grund: Um Doppelabgaben von Masken zu vermeiden und Masken-Erschleicher zu identifizieren, haben manche Apotheken als Kontrollhilfe Namenslisten von Kunden angelegt, die bereits ihre Masken erhalten haben. Tja, mein liebes Tagebuch, wie soll man sonst kontrollieren, wer die Masken hat und wer nicht? Bürger:innen haben sich aber bereits beim Bundesdatenschützer beschwert, dass Apotheken personenbezogene Daten im Zusammenhang mit der Maskenausgabe erfasst hätten. Manche Apotheken hätten sogar Personalausweise kopiert und die Kopien archiviert. Andere Apotheken hätten von den Bürger:innen verlangt, einen Antrag auf Kundenkarte auszufüllen, um die Daten zu erfassen. Und, mein liebes Tagebuch, sogar die ABDA hat ein Formular ins Netz gestellt, das Maskenkunden ausfüllen sollen. Und jetzt kommt der Datenschutz! Der Bundesdatenschutzbeauftragte würde es ausdrücklich begrüßen, so lässt er wissen, wenn gegen diese Apotheken ein Bußgeld verhängt würde. Mein liebes Tagebuch, mal mit gesundem Menschenverstand betrachtet: Jetzt grenzt das Maskentheater an Schizophrenie! Wir Apothekers reißen uns die Beine aus dem Leib, organisieren Masken auf Teufel komm raus, sollen sie unters Volk bringen und dabei aufpassen, dass dies auch gerecht zugeht und keiner der Berechtigten mehrfach Masken abstaubt – und dann kassiert uns der Datenschutz ab, weil wir versuchen, irgendwie den Überblick zu behalten. Irgendwann ist genug wirklich genug, oder? Ich hab da noch eine Frage: Müssen eigentlich auch alle Restaurants und Gaststätten, bei denen wir im Sommer unsere Daten abgegeben mussten, nachträglich noch Bußgelder zahlen wegen Erhebung personenbezogener Daten? Also, mein liebes Tagebuch, sollte jemals wieder so eine abartige Verteil-Aktion stattfinden wie diese, dann verlangen wir, dass neben Anweisungen zum Procedere auch gleich die Datenschutzvorschriften mitgeliefert werden, was wir dürfen und was nicht.
Mein liebes Tagebuch, das war ein Jahr, wie wir es uns wirklich nicht gewünscht haben. Aber die Pandemie konnte keiner verhindern, wir mussten und werden noch eine Zeitlang damit leben müssen. Jetzt bleibt die Hoffnung, dass wir die Infektionen, die Ansteckungen zurückdrängen – und dass der Impfstoff seine Wirkung zeigt. Hoffen wir auf ein besseres neues Jahr – für uns Apothekerinnen und Apotheker stehen genug andere Aufgaben und Herausforderungen an, die wir bewältigen müssen.
Als Danke für alle Apothekerinnen und Apotheker, für alle PTA und PKA, die in diesem Jahr Außergewöhnliches geleistet haben, habe ich zur besinnlich weihnachtlichen Einstimmung ein kleines Video auf unsere Facebook-Seite gestellt.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern meines lieben Tagebuchs ein frohes Weihnachtsfest und ein wirklich gutes neues Jahr, das uns hilft, diese Pandemie zu überwinden.
11 Kommentare
FFP2 Maskenausgabe
von Ralf Eschmann am 01.01.2021 um 13:12 Uhr
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2020
von Dr.Diefenbach am 20.12.2020 um 10:53 Uhr
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AW: 2020
von Christian Giese am 20.12.2020 um 11:27 Uhr
Verteilungsprobleme
von Karl Friedrich Müller am 20.12.2020 um 10:34 Uhr
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FFP2
von Dr. Radman am 20.12.2020 um 9:16 Uhr
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AW: FFP2
von Friedemann Ahlmeyer am 20.12.2020 um 11:23 Uhr
Maskentheater
von Ulrich Ströh am 20.12.2020 um 8:53 Uhr
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Masken-Theater
von Rudi Renn am 20.12.2020 um 8:46 Uhr
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AW: Masken-Theater
von A.Crantz am 20.12.2020 um 9:15 Uhr
AW: Masken-Theater
von Frank Haetmann am 20.12.2020 um 9:40 Uhr
AW: Masken-Theater
von Carmen Haimerl am 20.12.2020 um 11:07 Uhr
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