Homöopathie

Urteil zu HCG-Globuli: Apotheke darf nicht mit Hormon werben, das nicht nachweisbar ist

Berlin - 06.08.2021, 16:45 Uhr

Eine Apotheke hatte ein auf dem Schwangerschaftshormon HCG basierendes Präparat als „HCG C30 Globuli“ beworben. (x / Foto: Gerhard Seybert / AdobeStock)

Eine Apotheke hatte ein auf dem Schwangerschaftshormon HCG basierendes Präparat als „HCG C30 Globuli“ beworben. (x / Foto: Gerhard Seybert / AdobeStock)


Homöopathische Arzneimittel enthalten bekanntermaßen Verdünnungen. Das führt dazu, dass die namensgebenden Substanzen oft gar nicht mehr mit den üblichen Analysemethoden auffindbar sind. Nach einem Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt darf eine Apotheke nicht mit einem solchen Inhaltsstoff werben, der nicht nachweisbar ist. Eine rechtsverbindliche Wirkung für andere Präparate hat das Urteil zwar nicht, es könnte aber die Bewerbung von Homöopathika grundsätzlich beeinflussen. Was sagen Homöopathie-Hersteller und die ABDA zu der Entscheidung?

Homöopathika  gehören zu den besonderen Therapierichtungen im Arzneimittelgesetz. So dürfen Hersteller nach einem vereinfachten Zulassungsverfahren auch ohne die bei anderen Arzneimittelen zwingend erforderlichen klinischen Studien mit Anwendungsgebieten werben. Bei lediglich registrierten Homöopathika muss nur die Unbedenklichkeit nachgewiesen werden. Zu den Grenzen der Bewerbung der Präparate mussten schon oftmals Gerichte entscheiden: Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschied etwa im Jahr 2016, dass auch bei Homöopathika Werbeversprechen wissenschaftlich begründet sein müssen: Dem Hersteller Hevert untersagte das Gericht damit zu werben, ein Homöopathikum würde die Selbstheilungskräfte stärken – Hevert zog vergeblich bis zum Bundesgerichtshof.

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Eine Apotheke unterlag nun beim OLG Frankfurt: Bei Amazon hatte sie ein auf dem Schwangerschaftshormon HCG basierendes Präparat als „HCG C30 Globuli“ beworben, es wird zum Beispiel für Diätkuren eingesetzt. Die Wettbewerbszentrale war hiergegen vorgegangen, da nach Ansicht des Verbands tatsächlich enthalten sein muss, womit geworben wird. In der ersten Instanz hatte das Landgericht Darmstadt zwar die Einschätzung geteilt, dass das Hormon wohl nicht nachweisbar ist. Dennoch gab es der Apotheke Recht (Az. 6 U 49/20). Diese hatte erklärt, dass die Kunden über die Verdünnung informiert seien.

Landgericht Darmstadt: Ein faktisches Verbot dürfte sicherlich nicht im Sinne der Verbraucher sein

Die Richter teilten die Einschätzung: Homöopathie-Anhängern sei normalerweise klar, „dass die Wirkstoffe bei homöopathischen Arzneimitteln geringer dosiert sind, als bei klassischen schulmedizinischen Produkten“, heißt es im Urteil. Außerdem erklärten die Richter, dass nicht angenommen werden dürfe, dass ein Stoff nicht vorhanden ist, nur weil er mit aktuellen Methoden nicht nachweisbar ist. Sonst „würde dies dazu führen, dass eine Vielzahl im Verkehr befindlicher homöopathischer Arzneimittel nicht mehr in der bisherigen Form vertrieben werden dürfte“, erklärten die Richter. Ein solches faktisches Verbot „dürfte sicherlich nicht im Sinne der Verbraucher sein“, die von „gewissen Möglichkeit der Wirksamkeit von Homöopathika“ selbst bei einer Verdünnung wie C30 ausgingen.

Die Wettbewerbszentrale legte Rechtsmittel ein: Viele Verbraucher könnten mit einer Bezeichnung wie „C30“ nichts anfangen. Und wenn manche von einer Wirksamkeits-Möglichkeit ausgingen, rechtfertige dies keine Irreführung, argumentierte die Wettbewerbszentrale. Beim OLG Frankfurt hatte sie Erfolg: Bei einer mündlichen Verhandlung erklärten die Richter, dass das Urteil aus erster Instanz keinen Bestand haben könne, sagt der Anwalt Hans-Jürgen Ruhl, der die Wettbewerbszentrale vertreten hat: Sie hätten Irreführung bejaht.

Urteil könnte die Bewerbung von Homöopathika grundsätzlich beeinflussen

Die Apotheke, die nicht zum Prozess Stellung nehmen wollte, erkannte vor Gericht den Anspruch der Wettbewerbszentrale an. Inzwischen hat sie ihre Werbung überarbeitet: „Stoffwechselkur Globuli“ schreibt sie jetzt bei Amazon, ohne Bezug auf das Hormon HCG. Stattdessen wirbt sogar mit dem Ausdruck „Hormonfrei“. In der Produktbeschreibung weist die Apotheke „ausdrücklich darauf hin, dass bei homöopathischer Hochverdünnung kein Hormon HCG mehr im Produkt enthalten ist“.

Womöglich könnte das Urteil die Bewerbung von Homöopathika grundsätzlich beeinflussen – die Wettbewerbszentrale prüft derzeit, weitere Verfahren anzustrengen. Mehrere Hersteller wie auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller äußerten sich auf Anfrage von Zeit Online, wo zunächst über das Urteil berichtet wurde, nicht – etwa zur Frage, inwiefern sie es für gerechtfertigt halten, dass bei hochverdünnten Homöopathika mit Wirkstoffen wie etwa auch Arnica geworben wird, die sich nicht nachweisen lassen. „Apotheker und Hersteller sollten auf die Einhaltung der geltenden Rechtslage achten“, erklärt eine ABDA-Sprecherin allgemein. „Änderungsbedarf diskutiert die ABDA derzeit nicht.“ Apotheker nähmen ihre Beratungsaufgaben wahr, sagt sie.

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Dabei kann irreführende Werbung für Arzneimittel sogar strafbar sein und mit Geldstrafe oder Haftstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. So hatte das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg wegen der Bewerbung eines homöopathischen Präparats Strafanzeige gegen den Leiter einer Versandapotheke erstattet – die zuständige Staatsanwaltschaft Osnabrück nahm Vorsatz an und beantragte einen Strafbefehl: Er müsse als Apotheker aufgrund seiner wissenschaftlichen Ausbildung von der fehlenden Wirksamkeit homöopathischer Mittel wissen. Der Leiter der Apotheke stimmte im anschließenden Strafprozess der Einstellung gegen Geldauflage in Höhe von einigen tausend Euro zu.

Das Arzneimittelgesetz schreibt dabei vor, dass homöopathische Mittel mit den „Ursubstanzen“ und Verdünnungsstufen gekennzeichnet werden – gleichzeitig darf eigentlich nicht mit Stoffen geworben werden, die sich nicht nachweisen lassen. Während selbst hochverdünnte Präparate diese bislang im Namen tragen, müssen Firmen nun womöglich ihr Marketing überarbeiten. „Die wissenschaftliche Bezeichnung der Ursubstanz kann durch einen Phantasienamen ergänzt werden“, heißt es im Arzneimittelgesetz.

BMG sieht keinen Handlungsbedarf

Allerdings sei eine etwaige Kennzeichnung mit Hinweisen wie „enthält keine nachweisbaren Reste des Ausgangsstoffs“ grundsätzlich nicht vorgesehen, wie eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums erklärt. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes müssten Arzneimittel auf der Grundlage „vollständiger und verständlicher Informationen“ ordnungsgemäß angewendet werden können. „Dies wird durch die derzeit bestehenden Regelungen sichergestellt, sodass aktuell kein Handlungsbedarf besteht“, erklärt die Sprecherin.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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