Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

28.11.2021, 07:30 Uhr

I had a dream: Apotheken, die gegen Covid-19 impfen und helfen, die Welle zu brechen. (Foto: Alex Schelbert)

I had a dream: Apotheken, die gegen Covid-19 impfen und helfen, die Welle zu brechen. (Foto: Alex Schelbert)


24. November 2021

Rot – Gelb – Grün und Go: Der Koalitionsvertrag steht: „Mehr Fortschritt wagen“ lautet die Überschrift (angelehnt an „Mehr Demokratie wagen“, der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Willy Brandt vor fünfzig Jahren). Nun gut, wagen wir den Fortschritt oder das, was sich die Ampelkoalitionäre darunter vorstellen. Schauen wir mal auf die Passagen, sie sich mit dem Gesundheitswesen befassen. Da liegt der Fortschritt allerdings noch im Ungefähren und Nebulösen. So soll beispielsweise die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten verbessert werden durch flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung – was auch immer das bedeuten mag. Ebenso ratlos lässt einen auch eine Formulierung im Koalitionsvertrag zurück, wonach das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz novelliert werden soll, „um Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen“. Mein liebes Tagebuch, was soll das konkret heißen? Ist damit vielleicht ein früherer Vorschlag der Grünen gemeint, den Festzuschlag für Rx-Arzneimittel vom Umsatz der Apotheke abhängig zu machen? DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn hat sich mit dieser Frage befasst. Er fragt, ob das die Blaupause für die Apothekenreform sein könnte, bei der es dann auf Kürzungen bei der packungsbezogenen Vergütung hinausläuft, vor allem bei umsatzstarken Apotheken? Konkreter wird’s im Koalitionsvertrag, wenn z. B. eine Verordnungsfähigkeit für Notfallbotendienste in der ambulanten Notfallversorgung geschaffen werden soll. Und ja, die pharmazeutischen Dienstleistungen sollen besser honoriert werden – mein liebes Tagebuch, das ist doch endlich mal eine Ansage, wobei ja weder wir Apothekers noch die Politik genau weiß, um welche Dienstleistungen und um welche Honorare es da geht. Die ursprünglichen Pläne, die Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf 7 Prozent zu senken, wurde fallengelassen. Beschleunigt werden sollen dagegen die Einführung von E-Rezept und E-Patientenakte. Unterm Strich sieht die ABDA im vorgelegten Koalitionsvertrag gute Ansätze. ABDA-Präsidentin Overwiening begrüßt auch das Ziel der neuen Regierung, ein Bürokratieabbaupaket zu schnüren – hoffen wir, mein liebes Tagebuch, dass das Paket auch zugestellt wird. Wie viele Regierungen vorher haben dies oder so Ähnliches bereits vorgehabt, aber passiert ist jedes Mal wenig bis nichts. Wenig erfreut sind die Pharmaverbände: Bei ihnen stoßen die Pläne der Ampel, den Krankenkassen mehr Möglichkeiten zur Begrenzung der Arzneimittelpreise einzuräumen, verständlicherweise ebenso auf Kritik wie das Vorhaben, dass der verhandelte Erstattungspreis in Zukunft ab dem siebten Monat nach Markteintritt des Arzneimittels gelten und das Preismoratorium beibehalten werden soll.

 

Können, dürfen, sollen die Apotheken nun bald auch gegen Covid-19 impfen? Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat so etwas bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP angedeutet. O-Ton Scholz: „Wir werden Ärzte und Apotheken stärker in die Impfkampagne einbinden.“ Klingt vollkommen anders als beim Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der sich bisher zu so einer Aussage nicht durchringen wollte. Überhaupt, mein liebes Tagebuch, zurzeit sprechen sich immer mehr Politikerinnen und Politiker quer durch alle Parteien dafür aus, die Covid-19-Impfungen in die Apotheken zu holen, z. B. die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel, Sabine Dittmar (SPD), Andres Ullmann (FDP), Janosch Dahmen (Die Grünen), Kathrin Vogler (Die Linke), Karl Lauterbach (SPD), Karl-Josef Laumann (CDU), Claudia Bernhard (Die Linke), Daniela Behrens (SPD), Hendrik Wüst (CDU), Manuela Schwesig (SPD), Markus Lewe (CDU), Tobias Hans (CDU). Man sollte meinen, dass dies doch nur auf ein grünes Licht für die Covid-19-Impfung in Apotheken hinauslaufen kann. Allerdings, zum Brechen der vierten Welle wird das nicht reichen, aber für die fünfte Welle. Und dafür sollten wir sobald wie möglich mit den Schulungen anfangen, ist auch Apotheker Dr. Markus Reiz von der Donatus-Apotheke in Bornheim überzeugt. Er ist einer der ersten Apotheker, die in Deutschland in der Apotheke gegen Grippe impften. Reiz ist überzeugt: „Wir brauchen jeden, der eine Nadel halten kann“, sagte er mir im Podcast-Gespräch. Mehrere Apothekerkammern haben sich bereits pro Covid-19-Impfung in Apotheken ausgesprochen. Die Apothekerkammer Berlin hat sogar eine Resolution einstimmig verabschiedet: „Berliner Apothekerinnen und Apotheker sind bereit, die schnelle Immunisierung der Berlinerinnen und Berliner gegen das SARS-CoV-2-Virus niedrigschwellig durch ein zusätzliches Impfangebot für Auffrischungsimpfungen in Berliner Apotheken zu unterstützen.“ Bravo! Und selbst in der Hamburger Kammerversammlung machte man sich Gedanken, ob man nicht doch ins Impfen einsteigen wolle, zumindest in Modellprojekte zur Grippeimpfung. Also, mein liebes Tagebuch, worauf wartet die Politik eigentlich noch? Oder anders gefragt: Können wir es uns eigentlich leisten, die Apotheken nicht in die Covid-19-Impfungen miteinzubinden?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Helfen?

von Ulrich Ströh am 28.11.2021 um 9:03 Uhr

-Fast 3000 Apotheker*Innen haben die Impfschulung erfolgreich und stehen bereit .…
-In Schleswig-Holstein bringt derzeit ein pharmazeutischer Großhändler zusammen mit 20 Apotheken ein Modellprojekt
zur Grippeimpfung auf die Straße …

Und in Deutschland steigen täglich ungebremst die Inzidenzzahlen.

Zeit zum schnellen Umdenken beim Impfen in der Apotheke?

Wie würden wir als Apotheken öffentlich wahrgenommen,
wenn wir beim Impfen jetzt tatkräftig helfen würden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Helfen

von Hermann Eiken am 28.11.2021 um 12:57 Uhr

Sie haben recht, Herr Ströh! Sind Apotheker und Apothekerinnen Heilberufler? Dann müssen sie gerade jetzt ihre Aufgabe in der Prävention erfüllen und mit impfen! Die Politik muss umgehend den Weg frei machen, auch gegen den Widerstand der Ärztevertreter. Deren Alleinvertretungsanspruch ist anmaßend und nur von eigenem unangebrachten Geltungsbedürfnis geprägt. Es ist offensichtlich, es geht nur um Macht und Geld.

AW: Helfen

von Reinhard Rodiger am 28.11.2021 um 20:19 Uhr

Wir haben in der Tat die Chance,als Nothelfer einen öffentlichkeitswirksamen Job zu machen.
Es ist offensichtlich unklug,das nicht zu nutzen.
Nur ist es gleichzeitig evident,dass über solche wirtschaftlich unübersichtlichen Projekte gerne die
Grundlage aus dem Fokus gerät.Die „neuen Chancen“ gründen auf Abbau der Basis.
Jedenfalls in der Fläche.Geht es nicht eigentlich um eine angemessene Balance zwischen Alltag und Zusatzaufgaben? Fokussierung auf exklusive Nothilfeoptionen darf nicht zur politisch gewünschten
Vernachlässigung der Grundlage führen.Und genau das deute sich an.

.

von Anita Peter am 28.11.2021 um 8:21 Uhr

Also wir fassen zusammen: Das erezept verschlingt Unmengen an Geld, stiftet nichts als Chaos und am Ende erhält der Patient statt eines rosa Zettels einen weissen Zettel mit QR Code.

Wenn es denn wenigstens in ein neues Euphemismus Gesetz gegossen worden wäre: Das "Gute Versender Gesetz". Denn nur deswegen kommt das erezept. Spahn kann jetzt in Ruhe sein gewünschtes Kind adpotieren, denn politisch kann man nur sagen : Mission completed!

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