Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

21.08.2022, 07:30 Uhr

Wir brauchen mehr Kühlung – die gesundheitspolitischen Hitzeschäden sind unerträglich! (Foto: Alex Schelbert)

Wir brauchen mehr Kühlung – die gesundheitspolitischen Hitzeschäden sind unerträglich! (Foto: Alex Schelbert)


16. August 2022

Der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) sorgt sich um die Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln. Ihm bereitet die aktuelle Lieferengpass-Situation Sorgen. Als Lösung dieses Problems fordert er ein Frühwarnsystem zu etablieren, eine öffentlich zugängliche Datenbank, in der die Lieferschwierigkeiten transparent abgebildet werden. Mein liebes Tagebuch, während man über diese Forderung noch gutwillig nachdenken kann, obwohl sie ja doch keinen einzigen Engpass beseitigt, liegt der BKK mit seiner weiteren Forderung total daneben: Er macht die mangelnde Vorratshaltung in Apotheken für Lieferengpässe verantwortlich. Der BKK-Dachverband  hält es daher für angebracht, die Bevorratung in Apotheken (laut § 15 ApBetrO sind Arzneimittel für mindestens eine Woche vorrätig zu halten) regelmäßig zu überprüfen und bei Nichteinhaltung zu sanktionieren. Außerdem meint der BKK-Dachverband, der mittlerweile dauerhaft etablierte Botendienst der Apotheken habe „dazu beigetragen, dass die Bevorratung auf den pharmazeutischen Großhandel verlagert wird, der die Lagerhaltung für Apotheken übernimmt“. Und nicht genug damit: Die Apotheken sollten nicht nur dazu verpflichtet werden, mindestens einen Vollsortimenter als Großhandel zu nutzen, sondern mindestens einen zweiten als „Back-up“. Mein liebes Tagebuch, mehr Sommertheater von Kassenseite geht nicht, oder? Eine Melange aus Unkenntnis, Mutmaßungen und Realitätsferne. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein Krankenkassenverband davon ablenken möchte, dass Lieferengpässe ein hausgemachtes Problem sind: die Rabattverträge der Kassen. Gäbe es ausreichend Arzneimittel von den Herstellern, gäbe es keine Lieferengpässe. Aber nicht alle Hersteller können und wollen Arzneimittel zu Dumpingpreisen produzieren, ausgelöst durch Rabattverträge der Krankenkassen. Der BKK sollte wissen, dass Lieferengpässe kein Problem des Handels (Apotheken, Großhandel) sind, sondern auf mangelnde Verfügbarkeit von Ware auf dem Markt zurückzuführen sind. Angesichts  extremer Niedrigpreise, zu denen Arzneimittel für Rabattverträge produziert werden, können nur noch wenige Hersteller mit Produktionsstätten in Fernost mithalten. Und wenn es dann zu Produktionsausfällen und Transportschwierigkeiten kommt, gibt es – genau: Lieferengpässe. Lieber BKK-Dachverband, das Geschäft der Apotheken ist es, sich zu bevorraten, Arzneimittel zu verkaufen, abzugeben und die Versicherten zu versorgen – wenn es denn ausreichend Arzneimittel auf dem Markt gäbe. Und warum gibt es die nicht? Hallo BKK, jetzt mal scharf nachdenken!

 

Apothekerin Daniela Hänel, Vorsitzende der Freien Apothekerschaft, hatte in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Lauterbach gegen die geplante Erhöhung des Kassenabschlags protestiert. Die Antwort auf den Brief kommt von Staatssekretär Edgar Franke (SPD). Aus seiner Sicht ist die Belastung der Apotheken durch die geplante Erhöhung des Kassenabschlags im Rahmen des geplanten Spargesetzes vertretbar. Mein liebes Tagebuch, das hätte man sich denken können. Interessant ist, wie er zu dieser Sichtweise kommt, und das liest sich im Franke-Brief etwa so: Das Betriebsergebnis vor Steuern der durchschnittlichen Apotheke ist seit Jahren gestiegen, für die Mehrarbeit in der Pandemie (Schutzmasken, Verteilung von Covid-19-Impfstoffen, Impfen in Apotheken, Erstellen von Covid-19-Zertifikaten) hat die Apotheke ausreichend Geld bekommen, die zunehmende Abgabe von hochpreisigen Arzneimitteln hat auch zum Plus beigetragen. Und jetzt gibt’s für die Apotheken neue honorierte Tätigkeitsfelder wie Grippeschutzimpfung und pharmazeutische Dienstleistungen. Mein liebes Tagebuch, was zeigt uns diese Antwort von Franke? Vor allem ist sie ein so wunderschönes Lehrstück, wie Gesundheitspolitiker ticken. Sie sehen nur die Einnahmen – dass die Apotheken nichts geschenkt bekommen, sondern dafür richtig gut gearbeitet haben, zählt da nicht. Sogar die honorierten Dienstleistungen, die gerade mal so ganz langsam anlaufen und die uns noch viel Zeit und Geld kosten, werden in den Topf geworfen, um uns zu zeigen, wie gut wir dastehen. Dass unsere Ausgaben kräftig steigen, dass die Löhne, die Energiekosten und die Inflation uns zusetzt, wird nicht gesehen. Und die Krönung der Frankeschen Argumentation: Eigentlich dürfen wir froh und dankbar sein, dass das 2hm-Gutachten, das ein immenses Sparpotenzial bei Apotheken entdeckt habe, nicht weiter verfolgt wurde. Mein liebes Tagebuch, wir sollten überlegen, wie wir auf so eine Argumentationskette passend antworten. Da könnte uns doch einiges einfallen…



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Analogisierung des Digitalen?

von Michael Mischer am 22.08.2022 um 9:03 Uhr

Es seien mir dennoch Zweifel an den Versuchen erlaubt, den Versand des Tokens zu beschränken.

Das eRezept und der Token sind zwei paar Schuhe. Das elektronische Dokument, das schutzbedürftige ist, ist das eRezept und es liegt auf dem Server der Telematik. Der Token ist nur der "Link" darauf, für dessen Nutzung man einen Apothekenzugang zur Telematik benötigt. Die Handhabung des Tokens komplizierter zu machen, macht ihn nicht sicherer, sondern nur, naja, komplizierter.

Sicherlich, auch der Weg des Tokens zur Versandapotheke wird damit umständlicher - aber sehen wir doch den Tatsachen ins Gesicht: Deren Investoren werden technische Mittel und Wege finden, die Komplexität einzuhegen. Damit gewinnt die öffentliche Apotheke allenfalls Zeit, und davon nicht viel.

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Paxlovid

von Dr. Radman am 21.08.2022 um 10:55 Uhr

Wenn jetzt tatsächlich mehr Paxlovid Packungen durch die Ärzte verteilt werden, werden sich die Praxen endgültig als monetär beeinflussbare Einrichtungen entlarven.

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Mediales Vakuum in Berlin

von Ulrich Ströh am 21.08.2022 um 9:33 Uhr

Die aktuellen medialen Aktivitäten von Daniela Hänel für die Freie Apothekerschaft e. V. füllen das Vakuum,das durch die weitgehende mediale Abstinenz der ABDA aufgetreten ist .

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Antwortschreiben an Prof. Dr. E. Franke

von Daniela Hänel am 21.08.2022 um 8:42 Uhr

Ein Antwort der Freien Apothekerschaft e. V. an Herrn Prof. Dr. E. Franke bezüglich seines Schreibens vom 02.08.2022 ist erfolgt.

Der persönliche Hinweis seinerseits, dass wir bei Hochpreisern insbesondere durch den ungedeckelten prozentualen Vergütungszuschlag so profitieren, bereitet mir Sorgen. Was, wenn hier noch der Deckel drauf gemacht wird? Und wir bei einer prozentualen Vergütung von nur 3 % nun noch einen Maximalbetrag bekommen?
Er schreibt das nicht ohne Hintergründe.

Wir haben uns die Mühe gemacht und ihm eine Berechnung zum einem Hochpreiser mit VK 5000 Euro inklusive MWSt beigefügt. Wir Apotheken bekommen 130,47 €. Davon müssen ALLE Kosten noch abgezogen werden einschließlich Kassenrabatt.

Ab einem Einkaufspreis (RX) von 32,14 € verdient der Statt über die Mehrwertsteuer mehr als die Apotheken. Der Kassenrabatt 1,77 € (brutto) ist dabei schon berücksichtigt und raus gerechnet.
Steigt der Kassenrabatt auf 2,00 € (brutto) sinkt der EK auf 30,75 € . Ab diesem verdient der Staat mehr als wir.

In den Gesprächen mit Abgeordneten wurde mir bestätigt, dass jeder denkt, wir verdienen am meisten bei den HP und dann Entsetzen, wie die Realität ausschaut. Man darf das zusätzliche Retaxrisiko auf „Null“ dabei nicht vergessen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Antwortschreiben an Prof. Dr. E. Franke

von Karl Friedrich Müller am 21.08.2022 um 10:59 Uhr

Man kann es ruhig auch hier erwähnen:
Bei 5000€ Verkaufspreis erhält der Staat 798,32€.
Wir also 130,47€, davon noch 1,77€ Kassenrabatt weg. Bleiben 128,70€. Der Staat bekommt also das 6,2 fache.
Aber unser Betrag soll also gedeckelt werden, während der Staat sich mit Händen und Füßen gegen eine ermäßigte MwSt wehrt. Das wäre St. schon eine sehr spezielle Sicht, die eigentlich nur verfangen kann, wenn man, wie offensichtlich Franke, so gar keine Ahnung hat und sich auch keine Mühe gibt, Informationen zu erhalten. Hier wird die Propaganda der GKV übernommen, die absichtlich wenig konkret ist. Genauso verhält es sich mit dem Gutachten. Die Sicht, dass Franke keine Ahnung hat, ist noch die nette. Andernfalls müsste man ihm die Ansicht unterstellen, das Volk zu belügen und das Gesundheitssystem weiter schwächen zu wollen.
Im Übrigen ist es nicht einzusehen, dass ausgerechnet Apotheken und weitere Leistungserbringer gekürzt werden sollen, während alles teurer wird

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