Wegen anhaltender Lieferengpässe

Paracetamol für Kinder: Hilfe aus der Rezeptur

Stuttgart - 14.12.2022, 15:14 Uhr

Zahlreiche Rückmeldungen aus den Apotheken haben gezeigt, dass der Geschmack der Paracetamol-Suspension – wie auch bei Zubereitungen mit Ibuprofen – zu wünschen übrig lässt. (s / Foto: cherryandbees / AdobeStock)

Zahlreiche Rückmeldungen aus den Apotheken haben gezeigt, dass der Geschmack der Paracetamol-Suspension – wie auch bei Zubereitungen mit Ibuprofen – zu wünschen übrig lässt. (s / Foto: cherryandbees / AdobeStock)


Fiebersäfte werden in der Apotheke momentan dringend benötigt. Doch Suspensionen zum Einnehmen mit Paracetamol sind erneut von Lieferdefekten betroffen. Bei kleinen Kindern und Patienten mit Schluckstörungen kann es daher Probleme mit der Versorgung geben. Daher ist die Herstellung durch Apotheken gefragt.

Lösungen mit Paracetamol: Für Kinder nicht geeignet

Paracetamol lässt sich in Wasser nur begrenzt auflösen, in Alkoholen wie Ethanol und Propylenglycol zeigt der Wirkstoff jedoch eine gute Löslichkeit. In Krankenhausapotheken wurden daher früher auf Ethanol als Lösungsmittel zurückgegriffen, teilweise wurde Ethanol auch durch Propylenglycol ersetzt. Im Formularium hospitale ist beispielsweise folgende Rezepturvorschrift zu finden: 

Paracetamol-Saft 66,67 mg/ml
Paracetamol6,667 g
Propylenglycol60,0 g
Saccharin-Natrium0,15 g
Grapefruit-Aroma0,106 g
Wasser für Injektionszweckezu 105,5 g

Da die Toxizität des verwendeten Propylenglycols für Kinder jedoch ähnlich hoch ist wie die von Ethanol, ist diese Lösung für Kinder nicht geeignet. 

Genaue Angaben zum Risikopotenzial von Propylenglycol in den einzelnen Altersklassen gibt es nicht. Doch es besteht Einigkeit darüber, dass für Kinder unter fünf Jahren die Einnahme von Propylenglycol und auch die Anwendung auf der Haut gesundheitsschädlich ist.

Für die Pädiatrie: Wässrige Suspensionen mit Paracetamol

Flüssige Zubereitungen zum Einnehmen mit Paracetamol werden in der Pädiatrie daher als wässrige Suspension hergestellt. Bei dieser Arzneiform liegt der Wirkstoff ungelöst, aber gleichmäßig verteilt in der flüssigen Phase vor. 

Um die gewünschte homogene Verteilung zu erreichen, muss der Feststoff fein gepulvert (Korngröße < 100 µm) verarbeitet werden. Die Anwendung von Wärme ist während des gesamten Herstellungsvorgangs zu vermeiden. 

Paracetamol-Suspension 40 mg/ml (aus Rezeptursubstanz)
Paracetamol (fein gepulvert)4,0 g
Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen NRF S.52.
(100 ml entsprechen 105,0 g)
zu 105,0 g

Als Suspensionsträger kann die „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen NRF S.52.“ verwendet werden. Diese kann entweder fertig bezogen oder in der Apotheke selbst hergestellt werden. Als Verdickungsmittel kommt dabei der nichtionische Gelbildner Hydroxyethylcellulose 10000 in 0,5%iger Konzentration zum Einsatz.

Was tun, wenn Hydroxyethylcellulose 10000 nicht lieferbar ist?

Bei Bezugsproblemen kann Hydroxyethylcellulose 10000 auch durch andere Celluloseether ersetzt werden. Laut NRF sind dazu folgende Substanzen geeignet: 

  • 0,75% Hydroxyethylcellulose 5000
  • 2% Hydroxyethylcellulose 250
  • 1% Hypromellose
  • 1,5% Carmellose-Natrium

Da die alternativen Verdickungsmittel eine niedrigere nominale Viskosität als Hydroxyethylcellulose 10000 haben, werden sie in höherer Konzentration eingesetzt. Auf die Dichte der Suspensionsgrundlage hat dies kaum einen Einfluss. Diese liegt weiterhin bei 1,040 g/ml bis 1,041 g/ml. Die Dichte der fertigen Paracetamol-Suspension muss also auch bei Verwendung eines anderen Gelbildners nicht angepasst werden.

Zur Herstellung wird der fein gepulverte Wirkstoff mit der Trägerlösung ohne Anwendung von Wärme angerieben. Dabei können möglicherweise vorhandene Agglomerate effektiv zerteilt werden. Die Anreibung wird dann mit der Grundlage zu einem Fünftel bis Zehntel der Ansatzmenge aufgestockt und unter häufigem Abschaben verrührt. Im letzten Schritt wird mit Grundlage bis zur Ansatzmenge ergänzt und erneut verrührt. 

Um den Kunden vor Entnahme der einzelnen Dosis ein effektives Aufschütteln zu ermöglichen, wird die fertige Suspension in eine ausreichend große Braunglasflasche abgefüllt. Die empfohlene Aufbrauchfrist beträgt vier Wochen.

Alternative: Tabletten zur Herstellung verwenden 

Steht keine Paracetamol-Rezeptursubstanz zur Verfügung, können auch Fertigarzneimittel-Tabletten zur Herstellung der Suspension verwendet werden. Zur Einwaage von 4,0 Gramm Paracetamol werden dann acht Tabletten mit jeweils 500 mg Wirkstoff benötigt. 

Diese werden zunächst mit wenig Grundlage in einer Fantaschale gequollen und dann mit dem Pistill zu einer gleichmäßigen Paste angeteigt. In kleinen Schritten wird dann weiter mit Grundlage verrührt und schließlich zur Ansatzmenge von 105,1 Gramm aufgefüllt. 

Bei der fertigen Suspension müssen sich sowohl der Wirkstoff als auch die vorhandenen Hilfsstoffe homogen aufschütteln lassen. 

Geschmack in der Praxis häufig ein Problem

Zahlreiche Rückmeldungen aus den Apotheken haben gezeigt, dass der Geschmack der Paracetamol-Suspension – wie auch bei Zubereitungen mit Ibuprofen – zu wünschen übrig lässt. 

Die Suspensionsgrundlage enthält zwar 11 % Glucose-Monohydrat, allerdings besitzt dieser Zucker nur eine mäßige Süßkraft. Der unangenehme Geschmack des Paracetamols und gegebenenfalls vorhandener Tablettierhilfsstoffe kann so nicht ausreichend überdeckt werden. 

Eine Erhöhung der Glucose-Menge verbessert das Geschmacksempfinden nicht wesentlich. Jedoch müsste die dadurch erhöhte Dichte der Grundlage dann bei der Herstellung berücksichtigt werden. Zudem kann dies die Aufschüttelbarkeit der Suspension verändern. 

Als Option kommt daher der Zusatz eines Flüssigaromas infrage. Dabei sind Konzentrationen zwischen 0,1 % und 0,5 % denkbar. Möchte das Kind die Suspension nicht einnehmen, kann die jeweilige Einzeldosis auch in eine schmackhafte Flüssigkeit (z. B. Fruchtsaft) gegeben werden. 

Paracetamol-Rezepturen auch als Zäpfchen möglich

Neben flüssigen Arzneiformen spielen in der Pädiatrie auch niedrig dosierte Suppositorien eine Rolle. Steht dabei Paracetamol als Rezeptursubstanz zur Verfügung, können diese nach dem Verdrängungsfaktor-Verfahren mit Hartfett als Grundlage hergestellt werden. 

Der Verdrängungsfaktor beträgt für Paracetamol 0,72. Zusätzlich muss zur Berechnung der erforderlichen Hartfettmenge noch der Eichwert der verwendeten Gießform berücksichtigt werden:

Formel zur Berechnung der Hartfettmenge

Mn = n x (Ē – f x A)

Mn: Einwaage an Hartfett für n Zäpfchen (g)
n:   Anzahl der herzustellenden Zäpfchen
Ē:  Eichwert (g)
f:  Verdrängungsfaktor
A:  Masse an Paracetamol pro Zäpfchen (g)

Bei der Herstellung von Zäpfchen im Rezepturbetrieb, muss zum Ausgleich von Verlusten immer mit einem Produktionszuschlag gearbeitet werden. Diese Mehreinwaage gilt dann selbstverständlich für Wirkstoff und Grundlage, ansonsten wären die erhaltenen Zäpfchen unterdosiert. 

Zur Verarbeitung mit Paracetamol wird dabei der Hartfett-Typ „Hartfett 15“ mit geringer Hydroxylzahl empfohlen. Die Hydroxylzahl beschreibt den Anteil an freien Hydroxylgruppen im Hartfett und damit den Anteil an Mono- und Diglyceriden. 

Um eine Sedimentation des Wirkstoffs im geschmolzenen Hartfett möglichst zu vermeiden, sollte Paracetamol in der kleinsten erhältlichen Korngröße verwendet werden. Gegebenenfalls muss die Substanz auch fein vermahlen werden. 

Bei Paracetamol-Suppositorien mit hohem Wirkstoffanteil wird häufig Lecithin dazugegeben, denn der Hilfsstoff verbessert die Gießfähigkeit der Schmelze bei einem hohen Anteil an Feststoffen. Auf diesen Zusatz kann bei niedrig dosierten Kinderzäpfchen jedoch verzichtet werden. Weiterhin ist in Fertigarzneimitteln zur Verbesserung der Resorption häufig Macrogol-40-stearat enthalten, auch dies ist bei der rezepturmäßigen Herstellung nicht nötig.  

Alternative: Verdünnung von Erwachsenenzäpfchen 

Steht keine Paracetamol-Rezeptursubstanz zur Verfügung, können niedrig dosierte Zäpfchen für Kinder auch aus Erwachsenenzäpfchen mit 500 mg oder 1.000 mg Paracetamol hergestellt werden. Dabei kommt üblicherweise das Herstellungsverfahren nach Münzel zum Einsatz. 

Um auftretende Verluste auszugleichen, wird auch bei dieser Methode der Ansatz um mindestens ein Zäpfchen im Überschuss berechnet. Sollen z. B. 15 niedrig dosierte Suppositorien mit je 125 mg Wirkstoff hergestellt werden, wird mit 16 Zäpfchen gerechnet. Für die Herstellung sind dann zwei 1.000 mg-Zäpfchen (oder vier 500 mg-Zäpfchen) notwendig.

Bei der Herstellung werden die Erwachsenenzäpfchen aufgeschmolzen und die flüssige Masse möglichst gleichmäßig auf 16 Bohrungen in der Gießform verteilt. Anschließend werden die teilweise gefüllten Bohrungen mit reinem Hartfett ausgegossen und die überstehende Gießschwarte abgestreift und verworfen. Nach dem Erkalten werden die Zäpfchen aus der Form entnommen, erneut aufgeschmolzen, gut durchgerührt und schließlich 15 Zäpfchen mit homogen verteiltem Wirkstoff ausgegossen. 

Wichtiges zur Kennzeichnung von Paracetamol-Zubereitungen

Bei der Kennzeichnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit Paracetamol (zur Anwendung am Menschen), muss die Analgetika-Warnhinweis-Verordnung beachtet werden. Rezepturarzneimittel müssen daher auf ihrem Behältnis mit folgendem Warnhinweis versehen werden: „Ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als von der Apothekerin oder vom Apotheker empfohlen!“ 

Der entsprechende Hinweis wurde zum 1. November 2022 leicht angepasst und gilt selbstverständlich auch für rezepturmäßig hergestellte Fiebersäfte oder Zäpfchen mit Ibuprofen. 


Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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