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Schlussanträge im Verfahren AKNR vs. DocMorris
EuGH-Generalanwalt hat kein Problem mit DocMorris-Rabattaktionen
EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar schätzt den grenzüberschreitenden Wettbewerb – auch im Arzneimittelbereich. Das zeigen seine am heutigen Donnerstag vorgelegten Schlussanträge im Verfahren, das die Weichen für die Schadenersatzklage von DocMorris gegen die Apothekerkammer Nordrhein stellt. Wie es am Ende für die AKNR ausgeht, ist aber noch offen.
DocMorris verlangt von der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) Schadensersatz in Höhe von über 18 Millionen Euro. Der Versender meint, er habe darauf Anspruch, weil sich einstweilige Verfügungen, die die AKNR zwischen 2013 und 2015 wegen diverser Gutschein- und Rabattaktionen gegen ihn erwirkt hat, nach dem 2016 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als von Anfang an ungerechtfertigt erwiesen hätten. Der EuGH hatte damals das umstrittene Urteil gefällt, dass es europarechtswidrig sei, im grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel die deutsche Rx-Preisbindung einzufordern. Es war der Freibrief für die zuvor von deutschen Gerichten für unzulässig befunden Rx-Boni der EU-Versender.
DocMorris schritt zum Gegenschlag. Schließlich hatte die AKNR einige Ordnungsgelder gegen das Unternehmen erwirkt – und DocMorris behauptet, noch weitergehende Schäden erlitten zu haben. Wenn also die Verfügungen zu Unrecht ergangen waren, kann dem Grunde nach tatsächlich ein Anspruch auf Schadenersatz bestehen. Denn wer aus einem nicht endgültigen Titel (wie die einstweilige Verfügung einer ist) vollstreckt, tut dies auf eigene Gefahr. Allerdings scheidet der Anspruch aus, wenn der Betroffene (hier: DocMorris) das durch die ungerechtfertigt ergangene Verfügung untersagte Verhalten auch aus anderen rechtlichen Gründen hätte unterlassen müssen.
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Und so wies das Landgericht Köln die Klage der Niederländer zunächst auch ab – DocMorris habe mit seiner Werbung nämlich ohnehin gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot verstoßen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf sah es jedoch anders. Im März 2022 bejahte es das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach– zur Höhe gab es allerdings keine Entscheidung. Die AKNR zog in der Folge vor den Bundesgerichtshof (BGH). Und dieser rief einmal wieder den EuGH an: Auch der BGH will jedenfalls in drei von fünf Fällen die Rabattaktionen als Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz werten – sofern zuvor das Luxemburger Gericht bestätigt, dass dies mit den Vorgaben des Humanarzneimittelkodex (Richtlinie 2001/83/EG) vereinbar ist.
Ende Juni wurde vor dem EuGH verhandelt. Am heutigen Donnerstag folgten die Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar, der deutschen Apotheker:innen bereits aus verschiedenen Verfahren bekannt sein dürfte – auf ihrer Seite stand er in der Regel nicht. Auch diesmal zeigt er wenig Verständnis für einige der Argumente, die im Sommer in Luxemburg seitens der AKNR vorgetragen wurden.
Szpunar setzt sich mit der jüngeren EuGH-Rechtsprechung zur Arzneimittelwerbung auseinander und kommt zu dem Schluss: Die hier beanstandeten Aktionen von DocMorris fallen nicht unter den Humanarzeimittelkodex, der im Übrigen ein „klassisches Beispiel für eine Harmonisierungsmaßnahme im Bereich des Binnenmarktes“ sei. Vorliegend handele es sich gar nicht um Werbung für Arzneimittel, sondern nur um Werbung für das Unternehmen. Es gehe nämlich nicht darum, den Patienten in der Entscheidung für ein bestimmtes Arzneimittel zu beeinflussen, sondern in der nachgelagerten Entscheidung für eine bestimmte Apotheke. Schließlich sei das Arzneimittel schon verordnet.
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Der Generalanwalt streitet nicht ab, dass Arzneimittel – wie von der AKNR immer wieder betont – keine Produkte wie jede anderen seien. Dennoch hat er kein Problem mit den Aktionen von DocMorris: So seien sie nicht geeignet, einen unzweckmäßigen Absatz von Arzneimitteln oder einen Missbrauch zu fördern, weil ja zuvor eine hierzu berechtigte Person dieses Arzneimittel verschrieben hat. Die Argumentation der AKNR, Patienten könnten Ärzte verleiten, unnötig zu verschreiben („Geldverdienen auf Rezept“), weist Szpunar zurück. Damit werde versucht, „ein schlechtes Licht auf andere zu werfen: Angeheizt durch gierige – in der Regel ausländische – Versandapotheken verleiten schwache Patienten skrupellose Ärzte dazu, ihnen eine übermäßige Menge an Arzneimitteln zu verschreiben“.
„Das vorrangige Ziel der Rabattaktionen ist es, die Patienten dazu zu bewegen, sich für die Apotheke DocMorris und nicht für eine andere Apotheke zu entscheiden. Sie sollen die Patienten nicht dazu verleiten, mehr Arzneimittel zu verbrauchen, als sie es sonst tun würden. Vielmehr versucht eine ausländische Apotheke, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, indem sie einen stabilen Strom von Bestellungen generiert: Da Patienten, die auf verschreibungspflichtige Arzneimittel angewiesen sind, häufig an chronischen, möglicherweise unheilbaren Krankheiten leiden, sind sie über einen längeren Zeitraum auf solche Arzneimittel angewiesen. Die Apotheken wollen natürlich an diesem lukrativen Markt teilhaben, bei dem ein Rezept oft Teil eines größeren „Abonnements“ ist.“
Wenn also keine Werbung im Sinne des Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG anzunehmen ist, müssen bei der Bewertung der Werbeaktionen die europäischen Grundfreiheiten beachtet werden. Wir kennen es bereits aus dem Verfahren von 2016: Auch hier sah man die Warenverkehrsfreiheit beschränkt – und keine Rechtfertigungsgründe hierfür. Solche Gründe können sich aus dem Gesundheitsschutz grundsätzlich durchaus ergeben. Auch im vorliegenden Fall sagt Szpunar, dass er nach dem Urteil Deutsche Parkinson Vereinigung „keinen Raum für eine Rechtfertigung“ sehe.
Der Generalanwalt äußert sich überdies auch noch zu den beiden anderen Vorlagefragen des BGH, die eigentlich nur für den Fall gestellt wurden, dass die Werbeaktionen unter den Humanarzneimittelkodex fallen: Sollte der EuGH es anders sehen als er selbst, so wären die Rabattaktionen unzulässig.
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AKNR-Rechtsanwalt Morton Douglas, der die AKNR vertritt, kommentiert das Plädoyer Szpunars in einer Pressemitteilung der Kammer wie folgt: „Die Schlussanträge überraschen, da sie entgegen der jüngeren Urteile des Gerichtshofs den Anwendungsbereich des Gemeinschaftskodex deutlich einschränken, sodass eines der wichtigsten Ziele, nämlich die Vollharmonisierung des Arzneimittelvertriebs in der EU nicht erreicht werden kann.“ Diese Annahme würde zu einem schwer verständlichen Auseinanderfallen des Begriffs der „Werbung für Arzneimittel“ im Bereich der verschreibungspflichtigen und der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel führen – was wiederum Folgefragen aufwerfe, „etwa wenn der Versender die Bonifizierung nur bei Verschreibung einer bestimmten Indikation vornimmt“. Dies führt aus seiner Sicht gerade mit Blick auf das zunehmende Angebot von Plattformen, auf denen sich der Patient sein Arzneimittel und die Verschreibung aus einer Hand besorgt, zu erheblichen Gesundheitsgefahren.
AKNR-Justiziarin Bettina Mecking ergänzt: „Sollte der Gerichtshof den Schlussanträgen folgen, so würden das Ziel des europäischen Rechts der Schaffung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus, das durch die jüngsten Entscheidungen zu nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel geschaffen wurde, im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel geopfert werden, obgleich nicht erkennbar ist, dass der Verbraucher in Zusammenhang mit Blick auf die unsachliche Beeinflussung weniger schutzwürdig ist“, so Mecking weiter.
Douglas und Mecking verweisen letztlich darauf, dass das Urteil entscheidend sein wird. Zuletzt hatte etwa der EuGH beim Urteil zum Arzneimittelverkauf über Amazon eine andere und strengere Linie eingeschlagen, als der Generalanwalt (ebenfalls Szpunar!) in seinen Schlussanträgen vorgeschlagen hatte. Und das letzte Wort hat das BGH.
3 Kommentare
Gesundheitssystem ist Staatensache
von Rainer W. am 25.10.2024 um 9:31 Uhr
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AW: Gesundheitssystem
von Rayan Badawi am 08.11.2024 um 14:09 Uhr
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von TiLaRO am 24.10.2024 um 20:41 Uhr
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