Reaktionen auf das Ampel-Aus

Frust und der Wunsch nach Verlässlichkeit

Berlin - 07.11.2024, 17:30 Uhr

Die FDP-Minister*innen sind entlassen. Was bleibt von der Ampel? (Foto: IMAGO / Political-Moments)

Die FDP-Minister*innen sind entlassen. Was bleibt von der Ampel? (Foto: IMAGO / Political-Moments)


Nach dem Ampel-Aus ist unklar, welche Vorhaben SPD und Grüne noch gemeinsam durchsetzen können und wann eine neue Regierung steht. Auch Pharmaindustrie, Kliniken und Ärzteschaft haben Erwartungen.

Der Bruch der Ampelkoalition wurde zwar in den vergangenen Wochen immer wieder diskutiert – dennoch hat es sicherlich die meisten überrascht, dass er just gestern kam, ausgerechnet dem Tag, da Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt wurde. Nun müssen sich alle sortieren – was ist noch von einer kurzfristigen Minderheitsregierung zu erwarten? Und will man überhaupt noch etwas erwarten?

Industrie auf der Suche nach Planungssicherheit

Der Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) Han Steutel forderte: „Wir brauchen Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Die Politik ist jetzt parteiübergreifend in der Pflicht, schnell wichtige Entscheidungen für das Land zu treffen: Das betrifft den Bundeshaushalt und wichtige Entlastungen, die für die Wirtschaft angekündigt wurden. Auch im internationalen Umfeld ist es jetzt mehr denn je geboten für Stabilität zu sorgen.“ 

Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), erklärte. „Wir brauchen so schnell wie möglich eine neue, handlungsfähige Regierung und politische Klarheit – auch mit Blick auf Ansprechpartner und Prioritäten.“ Es sei entscheidend, dass die Bundesregierung ihre politische Neuordnung nicht in die Länge ziehe, sondern schnell für einen zukunftsfesten Kurs sorge. „Die gesamte pharmazeutische Branche braucht dringend verlässliche Rahmenbedingungen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten – das sind wir unseren Patientinnen und Patienten schuldig.“

Ganz konkret findet Joachimsen einen Vorschlag des Ex-Finanzministers Christian Lindner gut: Ein Moratorium für neue Gesetze, die künftig nur dann erlassen werden sollen, wenn sie keine zusätzliche Bürokratie für die Wirtschaft bedeuten. 

 

Krankenhausreform: Noch zu retten?

Deutliche Meinungen gibt es überdies zur Krankenhausreform, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach noch durchsetzen will. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) betonte: „Die Länder haben eindringlich darauf hingewiesen, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Krankenhausversorgung in manchen Teilen Deutschlands gefährdet. Dennoch will Lauterbach das Vorhaben jetzt noch rasch durchboxen. Das ist unverantwortlich! Die Bundesregierung sollte jetzt rasch den Weg für Neuwahlen freimachen – und nicht unter dem Vorwand dringender Reformen künstlich hinauszögern.“

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Gerald Gaß meint zwar auch: „Die großen Unsicherheiten, die schon jetzt in den Krankenhäusern herrschen, werden sich durch die fragile politische Situation noch verschärfen. Wir brauchen hier schnell Klarheit“. Dennoch sieht er offenbar keinen Grund, die Reform ganz zu begraben. Sie dürfe zwar nicht in der jetzigen Form den Bundesrat passieren, sondern müsse am 22. November in den Vermittlungsausschuss überwiesen und dort nachgebessert werden. „Auch dann ist es noch möglich, die Reform auf die wichtigsten Punkte zurückzuführen und zum Erfolg zu führen“, meint Gaß.

Enttäuschung in der Ärzteschaft

Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier, ziehen eine klägliche Bilanz für Lauterbach. Man blicke auf drei verlorene Jahre zurück, wenn jetzt nichts mehr passiere. Sie verweisen darauf, dass das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) eigentlich auf der Zielgeraden sei. „Hätte man die letzten Jahre mit inhaltlicher Arbeit statt mit parteipolitischen Kleinkriegen verbracht, dann hätte man das Gesetz schon längst umsetzen können“. Der Gesetzentwurf enthält unter anderem Regelungen zur Entbudgetierung der Hausärzte. Ohne diese Reform müssten immer mehr Hausarztpraxen dauerhaft schließen – „mit verheerenden Folgen für die wohnortnahe Versorgung der Menschen“, wie Buhlinger-Göpfarth und Beier betonen.

Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) rechnet auch nicht mehr damit, dass die noch geplanten Gesetze noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden. Es gebe dringenden Reformbedarf, den die Gesetzentwürfe der Ampel aber nicht wirklich gelöst hätten, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. Es gehe etwa um das Gesetz zur Reform der Notfallversorgung, das GVSG und das Digitalagenturgesetz. „Ich glaube nicht, dass noch Mehrheiten für die Gesetze gesucht werden“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Stephan Hofmeister. Das Dilemma in der Gesundheitsgesetzgebung bestehe darin, dass der große Reformbedarf allseits anerkannt sei, „doch SPD, Grüne und FDP haben drei Jahre lang Zeit verschwendet“. Gassen ergänzte, dass es zwar traurig sei, dass es nun zumindest vorerst auch keine Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen geben werde. Auf der anderen Seite sei das GVSG handwerklich so schlecht gemacht gewesen, dass sich seine „Trauer in Grenzen hält“.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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