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Management
Grundkurs Apothekenmarketing
Teil 10: Wachstumsstrategien für Apotheken
Der in Wladiwostok geborene amerikanische Ökonom Harry Igor Ansoff hat bereits vor über einem halben Jahrhundert beschrieben, welche Wachstumspfade es für Unternehmen gibt. Seine Erkenntnisse haben im Wesentlichen bis heute ihre Gültigkeit behalten. Die ursprünglich für das Sortiment von Produktionsunternehmen gedachte berühmte Wachstumsmatrix zeigt auch für Apotheken, welche unterschiedlichen Wachstumsmöglichkeiten es gibt (s. Abb. unten).
Die Wachstumspfade werden jeweils aus der Kombination von bestehenden und erweiterten Angeboten sowie vorhandenen und neuen Kunden bestimmt. Demnach ergeben sich die folgenden vier Wachstumsstrategien:
1. Strategie der Marktdurchdringung
2. Strategie der Marktentwicklung
3. Strategie der Angebotsentwicklung
4. Strategie der Diversifikation
Marktdurchdringung
Die Strategie der Marktdurchdringung ist der naheliegende Wachstumspfad, der mit keinem Risiko und auch mit keinerlei Investitionen verbunden ist. Marktdurchdringung bedeutet, dass das vorhandene Leistungsangebot sowie die vorhandenen Ressourcen besser und damit intensiver genutzt und eingesetzt werden, um die vorhandenen Kunden der Apotheke immer besser und umfassender zu bedienen.
Bei der Marktdurchdringung oder Intensivierung wächst die Apotheke mit ihrer bestehenden Klientel. Hierbei heißt Intensivierung Erhöhung der Bonwerte, also des Kaufbetrags pro Kunde. Dies wird erreicht durch Ausschöpfung des Cross-Selling-Potenzials, also der Zusatzempfehlung von OTC- oder Freiwahlprodukten bei einer Rezepteinlösung oder beim OTC-Verkauf.
Voraussetzungen hierfür sind eine intelligente Abstimmung von Sicht- und Freiwahl und ein ständiges Training des Apothekenteams sowie eine Intensivierung der Hinwendung und der Beziehung zu den Kunden.
Marktentwicklung
Die Strategie der Marktentwicklung bedeutet eine Ausweitung des Kundenkreises, ohne das Leistungsangebot oder die gewählte Profilbildung zu verändern. Es gilt herauszufinden, welche Personenkreise bzw. Patienten aus dem Einzugsgebiet in der Apotheke unterrepräsentiert sind. Im Einzelnen ist zu fragen, welche Ärzte bzw. Indikationen auffällig niedrig vertreten sind. Mit dem sogenannten Customer-Spotting-Verfahren wird optisch dargestellt, von welchen Stadtteilen die Rezepte stammen. Auf diese Weise kann man die Potenziale lokalisieren, welche noch nicht ausreichend ausgeschöpft sind. Ebenso sollten alle verfügbaren Kundendaten ausgewertet werden, um festzustellen, welche Personenkreise nicht genügend erreicht worden sind.
Als Konsequenz können ganz gezielte kommunikative Maßnahmen erfolgen, um möglichst genau die gewünschten Personen anzusprechen. Zum Beispiel sind Büroangestellte eine Zielgruppe, die häufig übersehen wird. Es gibt Apotheken, welche die Firmen in der direkten Nachbarschaft anschreiben. Dabei werden die Mitarbeiter auf die bequeme Möglichkeit aufmerksam gemacht, nach Feierabend ihre Arzneimittel in der Apotheke abzuholen – ein Angebot, das rege genutzt wird.
Ein weiteres Beispiel sind Patienten mit bestimmten Indikationen. Sie können erreicht werden, wenn die Apotheke über einen Seminarraum verfügt und z. B. einen entsprechenden Facharzt als Referent gewinnt. Die Interessenten werden über die Patientendatei, aber vor allem mit einer Anzeige in der lokalen Zeitung eingeladen – eine gute Möglichkeit, um zusätzliche Patienten zu erreichen.
Der Kundenkreis der Apotheke kann zudem ausgeweitet werden, wenn man daran denkt, neben der Abgabe in der Offizin andere Vertriebswege zu nutzen. Beispiele sind die Versorgung von institutionellen Verwendern wie Alten- und Pflegeheimen sowie der Vertrieb via Internet.
Schließlich kann der Kundenkreis in regionaler Hinsicht durch die Übernahme einer Filialapotheke erweitert werden. Auch dieser Schritt muss gut überlegt und geplant sein. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Personalkostensatz in Filialen höher ausfällt und dass außerdem die Managementkapazität des Apothekenleiters in erheblichem Umfang gebunden wird. Dagegen können häufig die erwarteten Synergieeffekte nicht realisiert werden.
Angebotsentwicklung
Die Strategie der Angebotsentwicklung verfolgt das Wachstum der Apotheke, indem Sicht- und/oder Freiwahl wesentlich ausgeweitet werden. Außerdem werden zusätzliche Dienstleistungen angeboten, welche die Apotheke deutlich attraktiver machen.
Bei dieser Strategie ist naturgemäß die Offizinfläche der Engpassfaktor. Daher können die entsprechenden Maßnahmen meistens nur mit einer intelligenten Neugestaltung der Offizin oder sogar mit einem Umbau realisiert werden. Die Offizinfläche kann auch – und dies sollte immer geprüft werden – durch Installation eines Kommissionierautomaten erweitert werden. Dies sind gravierende, aber immer sinnvolle und erfolgreiche Maßnahmen, die durch eine „Apotheken-Neueröffnung“ gekrönt und mit vielen zusätzlichen Kunden belohnt werden.
Angebotsentwicklung heißt auch, eine mögliche zusätzliche Profilbildung in Angriff zu nehmen, um ein weiteres Kunden- bzw. Patientensegment intensiv an die Apotheke zu binden.
Apotheken in frequentierten Citylagen können das Kundenpotenzial im Einzugsbereich der Apotheke umfassender abschöpfen, indem sie bewusst eine Filialapotheke mit einem völlig anderen Profil unmittelbar in der Nachbarschaft betreiben. Mit dieser Filiale wird ein anderer Kundenkreis angesprochen, den die Hauptapotheke nicht erreicht. Beispielsweise kann die Hauptapotheke ein ethisches Konzept haben und die Filiale eine große Freiwahl und ein „preiswertes“ Image.
Diversifikation
Der Wachstumspfad der Diversifikation soll nur erwähnt werden; für Apotheken ist er sicher nicht zu empfehlen. Diversifikation bedeutet, dass Geschäftsbereiche übernommen oder aufgebaut werden, die außerhalb der bisherigen Aktivitäten liegen. Die Synergien bestehen – wenn überhaupt – nur indirekt. Außerdem erfordern die neuen Aktivitäten neues fachkundiges Personal.
Es gibt Apotheken, die zusätzlich einen kleinen pharmazeutischen Großhandel betreiben. Hier sind möglicherweise geringfügige Synergien denkbar. Wenn man jedoch an die Kapitalbindung sowie die erforderlichen Managementkapazitäten denkt, dann sind die Erfolgsaussichten eher gering.
Früher bestand die Diversifikation in der Übernahme von Drogerien oder Reformhäusern. Heute sind das Gesundheitsläden mit Naturkost, Kleingastronomie mit Gesundheits-Imbiss etc. Synergien sind hier nicht zu erwarten, daher ist davon dringend abzuraten.
Die Umsetzung der Apothekenstrategie
Mit dem Marketingmix wird sichergestellt, dass die eingeschlagene Strategie wirkungsvoll umgesetzt wird. Damit wechseln wir von der strategischen zur operativen Seite des Apothekenmarketings. Hierzu gehören die folgenden Marketinginstrumente:
- Standortpolitik
- Sortiments- und Servicepolitik
- Distributionspolitik
- Preispolitik
- Kommunikationspolitik
Die Distributionspolitik mit der Möglichkeit, sich über das Internet einen zusätzlichen Vertriebsweg zu schaffen, erwähnen wir hier der Vollständigkeit halber. Wir werden jedoch in diesem Grundkurs nicht näher darauf eingehen.
In den nächsten Folgen lesen Sie, wie diese Marketinginstrumente in der Apotheke effizient eingesetzt werden. Zunächst wird es um die Standortpolitik gehen. Sie ist nicht nur für Neugründer wichtig. Jede Apotheke sollte die Bedingungen des Makro- und Mikrostandortes regelmäßig überprüfen, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. |
Grundkurs Apothekenmarketing
Bislang sind erschienen:
- Teil 1: Grundlagen des Marketings AZ 2015, Nr. 47, S. 6
- Teil 2: Der Marketingmix als klassisches Instrument für Apotheken AZ 2015, Nr. 49, S. 6
- Teil 3: Der Kunde im Fokus AZ 2015, Nr. 51, S. 7
- Teil 4: Auch paradoxes Kundenverhalten gehorcht oft klaren Regeln AZ 2016, Nr. 1, S. 7
- Teil 5: Marktforschung als Muss AZ 2016, Nr. 3, S. 6
- Teil 6: Kundenzufriedenheit und Apotheken-Image ermitteln AZ 2016, Nr. 6, S. 6
- Teil 7: Befragung, Beobachtung und Experiment als Entscheidungsbasis AZ 2016, Nr. 8, S. 6
- Teil 8: Die Marketingstrategie entwickelnAZ 2016, Nr. 10, S. 6
- Teil 9: Das Apothekenprofil entwickeln AZ 2016, Nr. 12, S. 6
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