- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Zwischen Staatsversorgung...
Europa, Deine Apotheken – Großbritannien
Zwischen Staatsversorgung und einem Markt ohne Regeln
Maximal regulierter Gesundheitsdienst NHS
Trotz umfassender Reformen in den vergangenen Jahren hat das staatliche Gesundheitssystem in England Finanzprobleme. Im Wahlkampf vor der Volksabstimmung zum Brexit war die NHS-Finanzierung eines der Hauptthemen. Nach wie vor gehört der NHS aber zu einem der größten Arbeitgeber des Landes, aufgrund seiner Beschäftigtenzahlen sogar der ganzen Welt. Alle vier NHS-Systeme zusammen beschäftigten 2015 mehr als 1,6 Millionen Menschen. Mehr Staat in der Versorgung geht eigentlich nicht.
Gleichzeitig leistet sich Großbritannien allerdings einen der dereguliertesten Apothekenmärkte Europas. Oder besser gesagt: Im Vereinigten Königreich hat es noch nie viele Regeln im Apothekenbereich gegeben, jedenfalls was den Apothekenbesitz und den Versandhandel betrifft. Denn während die meisten europäischen Länder in den vergangenen Jahrzehnten politisch gewollt liberalisiert wurden, hat es bei den Briten nie ein Fremd- oder Mehrbesitzverbot gegeben. Bei vielen Liberalisierungen, wie zum Beispiel in Schweden, galt Großbritannien daher als Blaupause oder „Beispielmarkt“ – man schaute ins Königreich, um die Auswirkungen einer marktfreien Arzneimittelversorgung auf die Versorgungsqualität zu untersuchen.
Und gerade weil Unternehmen in Großbritannien Apotheken eröffnen dürfen, versuchten die immer größer werdenden internationalen Pharmahandelskonzerne in den Neunzigerjahren zuerst auch dort, sich zu vertikalisieren – aus britischen Großhändlern wurden Apothekenketten international tätiger Pharmahandelskonzerne. Der Stuttgarter Großhändler Gehe übernahm im Jahr 1995 beispielsweise zunächst den Großhändler AAH Pharmaceuticals, der heutzutage schon mehr als 6.000 Apotheken beliefert. Zwei Jahre später folgte die Übernahme der Apothekenkette Lloydspharmacy, die inzwischen mehr als 1.500 Standorte in Großbritannien hat.
Der Werdegang der größten britischen Apothekenkette Boots ist ein Beispiel dafür, wie aus einem englischen Unternehmen ein internationaler Multi-Konzern wurde. Die Kette als solches existiert in England schon länger als 150 Jahre und war einer der angesehensten Arbeitgeber im Königreich. 1849 eröffnete John Boot im mittelenglischen Nottingham die erste Boots-Apotheke. Das Geschäft wuchs und wuchs. 1933 eröffnete die Kette ihren tausendsten Standort. Im Jahr 2005 bekam das britische Traditionsunternehmen dann eine italienische Komponente: Der von Stefano Pessina aufgebaute Apothekenkonzern Alliance UniChem fusionierte mit der Boots-Gruppe. Zwei Jahre später übernahm Pessina gemeinsam mit einem Investitionsfonds den neu gebildeten Konzern Alliance Boots.
1 Kommentar
Wirklichkeit
von Reinhard Rodiger am 28.12.2016 um 15:56 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.