Europa, Deine Apotheken – Großbritannien

Zwischen Staatsversorgung und einem Markt ohne Regeln

London - 28.12.2016, 19:55 Uhr

Im staatlichen Gesundheitswesen Großbritanniens sollen bis 2021 insgesamt 28 Milliarden Euro eingespart werden. (Foto: DAZ.online)

Im staatlichen Gesundheitswesen Großbritanniens sollen bis 2021 insgesamt 28 Milliarden Euro eingespart werden. (Foto: DAZ.online)


Gebührenordnung für Apotheker

Die Gebührenordnung der Apotheker enthält zahlreiche weitere Abrechnungspositionen, die zeigen, wie sehr das britische Gesundheitssystem die Kompetenzen der Pharmazeuten schätzt. Die pharmazeutischen Dienstleistungen und deren Vergütung sind so diversifiziert, dass sie in drei verschiedene Bereiche aufgeteilt sind. Die erste Kategorie wird als „essenzielle“ Leistungen bezeichnet. Dazu gehören die Abgabe von Medikamenten, Hilfs- und Heilmitteln oder Verbänden. Zu dieser Liste gehört beispielsweise aber auch das „repeat dispensing“, also die Medikamentenabgabe ohne Folgerezept. Diese ist britischen Apothekern bei bestimmten Präparaten erlaubt, um die Ärzte zu entlasten. Dabei gilt: Je mehr Folgemedikamente die Apotheker abgeben, desto mehr Geld gibt es.

Zur Liste der „essenziellen“ Leistungen gehört aber auch, dass die Pharmazeuten Informationsmaßnahmen für die öffentliche Gesundheit übernehmen. Beispielsweise müssen sie für Präventionsleistungen des NHS werben und Patienten auf Vorsorgeuntersuchungen hinweisen. Eine weitere Honorarkomponente im Königreich ist die Beratung in Sachen Medikamentenabfällen. Apotheker müssen abgelaufene Medikamente entgegennehmen und erhalten dafür eine Pauschalzahlung.

In der zweiten Dienstleistungsliste geht es um „fortgeschrittene“ Services, die auch nur Apotheker mit einem bestimmten Fort- und Weiterbildungsprofil anbieten dürfen. Darunter fallen mehrere Medikationsberatungen. Beim „New Medicine Service“ beispielsweise beraten Apotheker Patienten, die von ihrem Arzt erstmals eine Dauermedikation verordnet bekommen haben. Ebenso erhalten die Apotheker eine Pauschale, wenn sie Impfungen im Auftrag des NHS durchführen. Die Pharmazeuten dürfen allerdings nur nach dem Erfüllen bestimmter Qualifikationsvoraussetzungen impfen.

Das klassische Medikationsmanagement, wie es hierzulande beispielsweise im ARMIN-Modell angeboten wird, nennt sich in Großbritannien „Medicine Use Review“. Die Apotheker erhalten pro Beratung 28 Britische Pfund. Zuletzt war die Apothekenkette Boots in die Schlagzeilen geraten, weil einige Mitarbeiter dem Konzern vorwarfen, die Angestellten zur Abrechnung dieser Leistung zu bewegen – selbst wenn der Kunde eigentlich nicht infrage komme. Zur Liste der fortgeschrittenen Dienstleistungen gehören außerdem noch Heil- und Hilfsmittelberatungen sowie Wundversorgungs-Beratungen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Wirklichkeit

von Reinhard Rodiger am 28.12.2016 um 15:56 Uhr

Das klingt so als ob das Ideal wäre und unsere Oberen in ihrer Fixierung bestärken .
Die Erträge werden um 20-40 % sinken. Etwa ein Viertel wird das nicht überleben. Distribution wird zentralisiert und automatisiert und damit entwertet . Das bedeutet Kapitaleinsatz, der nur von den Großen erwirtschaftet wird. DIenstleistungen sind zT gedeckelt - jedenfalls die , die hier als wahre Zukunft angepriesen werden(MUR).
Es soll ja gespart werden und nicht die Kosten anderswo wieder reingeholt werden.Wichtiger als hier ist die Einbindung in die Erstversorgerfunktion zur Entlastung der gnadenlos überlasteten Ärzte.Da ist schon ein interessanter Bereich, der haupsächlich von Preisunterschied und der leichteren Zugänglichkeit befeuert wird.Ohne die langen Wartezeiten gäbe es das nicht.Sind Personalengpässe eine Berufslegitimation?

Es wird der eine angestammte Bereich stranguliert und dessen Ausgleich wird den Großen überlassen, die ihre Macht dann ausspielen können.Da gibt es keinen Wettbewerb mehr, oder Interesse an Patientennöten.Alles in ein oder zwei Händen.

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