Kammergericht

Berliner Apotheke darf Ein-Euro-Gutscheine anbieten

Berlin - 14.03.2018, 11:10 Uhr

Ein Apotheken-Gutschein im Wert von Euro: Zu geringwertig, um den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen? (Foto: by-studio / stock.adobe.com)

Ein Apotheken-Gutschein im Wert von Euro: Zu geringwertig, um den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen? (Foto: by-studio / stock.adobe.com)


Im Jahr 2015 hatte das Landgericht Berlin einem Apotheker verboten, Kunden, die ein Rezept einlösen, Ein-Euro-Gutscheine zu gewähren. Nun hat das Kammergericht dieses Urteil aufgehoben. Es bringt offenbar wieder die früher auch bei Apotheken-Boni bemühte wettbewerbsrechtliche Spürbarkeitsschwelle ins Spiel – und hält sie in diesem Fall für noch nicht überschritten.

Fast drei Jahre ist es her, da das Landgericht Berlin der Klage der Wettbewerbszentrale gegen einen Berliner Apotheker stattgab. Im Mittelpunkt standen Ein-Euro-Gutscheine, die der Apotheker seinen Kunden aus den verschiedensten Anlässen gewährte: etwa wegen längerer Wartezeiten, der Fußball-Weltmeisterschaft des Jahres 2014, eines sogenannten „Seniorenfreitags“ oder der Wiedereröffnung der Apotheke. Diese Gutscheine hielt das Gericht für unzulässig. Sie seien auch nicht durch die genannten Anlässe gerechtfertigt, da diese sach- und apothekenfremd seien. Die Boni-Gewährung, so die Richter verstoße gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz Heilmittelwerbegesetz (HWG), wonach Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel nicht zulässig sind, soweit sie entgegen der auf Grundlage des Arzneimittelgesetzes geltenden Preisvorschriften gewährt werden.

Der klagende Apotheker hatte seinerzeit vor dem Landgericht beantragt, das Verfahren auszusetzen bis das damals schon vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängige Verfahren gegen die Rx-Boni von DocMorris entschieden ist. Doch dies hielt das Landgericht nicht für nötig. „Allein die Möglichkeit, dass eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs mittelbar Einfluss auf die Verpflichtung zur Einhaltung der Preisbindung durch deutsche Apotheken haben könnte, reicht nicht, zumal da der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes entschieden hat, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht mit dem Unionsrecht im Einklang steht“, hieß es damals im Urteil.

Kammergericht: Keine erhebliche Beeinflussung

Der Apotheker ging gegen die Entscheidung aus dem Jahr 2015 in Berufung. Am gestrigen Dienstag entschied das Kammergericht – und wies die Klage der Wettbewerbszentrale ab. Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. In der mündlichen Verhandlung wies der Senat jedoch laut Gerichtspressestelle darauf hin, dass eine wettbewerbliche Handlung geeignet sein müsse, das Verbraucherverhalten wesentlich zu beeinflussen, um als wettbewerbswidrig angesehen zu werden. Diese Erheblichkeit sei bei der Ausgabe eines Ein-Euro-Gutscheins an Kunden, die ein Rezept für ein preisgebundenes Arzneimittel einlösen, zweifelhaft.

Damit wird ein alter Streit neu entflammt: Lange Zeit waren sich Verwaltungs- und Berufsgericht auf der einen Seite und Zivilgerichte auf der anderen Seiten nicht einig über die „Spürbarkeitsschwelle“. Im Wettbewerbsrecht wurde diese akzeptiert, weil sie die Verbraucher nicht zu sehr beeinflusst sahen. Doch ordnungsrechtlich konnte sich diese Schwelle nicht durchsetzen. Der Gesetzgeber änderte daraufhin im Jahr 2013 § 7 HWG in die oben genannte Fassung, um Rx-Boni auch im Wettbewerbsrecht ein Ende zu setzen. Doch diese Norm wurde von jeher auch kritisch gesehen – und gerade nach dem Urteil des EuGH vom 16. Oktober 2016 kam die Frage auf, ob die Gerichte sie nun möglicherweise anders auslegen. Offenbar unterschiedlich, wie sich nun zeigt.

Damit wird die Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG möglicherweise zum Thema für den Bundesgerichtshof. Das Kammergericht hat die Revision jedenfalls zugelassen. Das Urteil ist damit noch nicht rechtskräftig.

Urteil des Kammergerichts Berlin vom 13. März 2018, Az.: 5 U 97/15


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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