G-BA ändert Nutzenbewertung

Erenumab: nun beträchtlicher Zusatznutzen im Vergleich zu Topiramat

Stuttgart - 25.10.2021, 15:15 Uhr

In einer neuen Nutzenbewertung zum Migräne-Antikörper Erenumab, bescheinigt der G-BA Aimovig nun auch einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen verglichen mit Topiramat. (Foto: primipil / AdobeStock)

In einer neuen Nutzenbewertung zum Migräne-Antikörper Erenumab, bescheinigt der G-BA Aimovig nun auch einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen verglichen mit Topiramat. (Foto: primipil / AdobeStock)


Der G-BA hat seine Nutzenbewertung von Erenumab überarbeitet. Sah er 2019 nur für austherapierte Migräniker verglichen mit „Best supportive Care“ einen Anhaltspunkt auf einen beträchtlichen Zusatznutzen in der Migräneprophylaxe mit Aimovig, erkennt er nun auch einen Zusatznutzen im Vergleich zur Therapie mit Topiramat.

Erwachsene mit mindestens vier Migränetagen pro Monat, für die eine konventionelle Migräneprophylaxe infrage kommt, können von Erenumab profitieren. Der G-BA sieht in der Prophylaxe mit dem CGRP-Rezeptor-Antikörper gegenüber Topiramat einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen. Als zweckmäßige Vergleichstherapie diente Metoprolol oder Propranolol oder Flunarizin oder Topiramat oder Amitriptylin oder Clostridium botulinum Toxin Typ A.

G-BA ändert seine Einschätzung

Mit dieser Einschätzung ändert der G-BA seine initiale Entscheidung zur Nutzenbewertung von Erenumab (Aimovog®) vom Mai 2019. Im Mai 2019 zeigte sich der G-BA in der Nutzenbewertung des Migräne-Antikörpers recht streng, er erkannte lediglich im Vergleich zu Best supportive Care einen Anhaltspunkt auf einen beträchtlichen Zusatznutzen in der Migräneprophylaxe mit Erenumab, sprich für austherapierte Patienten. Das bedeutet: Die Migränepatienten mussten bereits eine Prophylaxe mit Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat, Amitriptylin, Valproinsäure, Clostridium botulinum Toxin Typ A versucht und auf diese nicht angesprochen oder sie nicht vertragen haben oder sie durfte für die Migräniker nicht geeignet sein – erst dann könnten sie nach Einschätzung des G-BA von Erenumab profitieren. Der G-BA folgte mit seiner Entscheidung der Einschätzung des IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen).

Einer direkten Prophylaxe mit Erenumab – ohne vorherige Therapieversuche mit „alten“ Migräneprophylaktika – schob der G-BA einen Riegel vor. Hatten also zuvor unbehandelte Migräniker nicht alle verfügbaren Arzneimittel zur Migräneprophylaxe probiert, sondern nur einzelne Wirkstoffe – Metoprolol oder Propranolol oder Flunarizin oder Topiramat oder Amitriptylin –, sah der G-BA keinen belegten Zusatznutzen. Vor Erenumab müssten erst die anderen Therapeutika ausgeschöpft werden: „Bei diesen Patienten wäre der Einsatz oder der Wechsel auf eine dieser Optionen (Anmerkung der Redaktion: der alten Prophylaktika) sachgerecht“, erklärte der G-BA. Der Grund war gar nicht einmal, dass Erenumab nicht besser wirkte als die älteren Prophylaktika – man wusste es nur nicht, denn: „Für diese Patientenpopulation wurde seitens des pharmazeutischen Unternehmers keine Studie vorgelegt, die für die Bewertung des Zusatznutzens von Erenumab gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie geeignet gewesen wäre“.

Diesen Punkt – fehlende Studiendaten – monierte der G-BA auch bei der Patientengruppe, die bereits fünf prophylaktische Arzneimittelversuche – mit Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat, Amitriptylin – hinter sich haben. Ihnen bleibt als weitere Option zur Vorbeugung von Migräne Valproinsäure oder Clostridium botulinum Toxin Typ A (letzteres nur bei chronischer Migräne), somit wurde für die Nutzenbewertung von Erenumab auch mit Valproinsäure oder Clostridium botulinum Toxin Typ A verglichen. Doch: kein Zusatznutzen von Erenumab verglichen mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie.

Warum änderte der G-BA seine Einschätzung?

Der G-BA stützt seine neue Einschätzung auf Ergebnisse der von Novartis aufgelegten Studie HER-MES, in der eine Migräneprophylaxe mit Erenumab mit einer mit Topiramat an Patienten mit episodischer Migräne verglichen wurde. Den primären Endpunkt wählte Novartis durchaus klug: „Primärer Studienendpunkt ist der Therapieabbruch aufgrund von Nebenwirkungen“, definierte Novartis. Und gerade die unerwünschten Arzneimittelwirkungen gelten als großes Manko der Migräneprophylaxe mit den konventionellen Prophylaktika. Als sekundären Endpunkt interessiert Novartis der „Anteil der Patienten mit einer Reduktion der monatlichen Migränetage um 50 Prozent“.

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In beiden Punkten überzeugte Erenumab stärker als Topiramat. Nach dreimonatiger Behandlung kam es bei 55,4 Prozent der Erenumabpatienten (215 von 388) zu einer mindestens 50-prozentigen Reduktion der monatlichen Migränetage. In der Topiramatgruppe berichteten diesen Erfolg hingegen 31,2 Prozent (121 von 388). 10,6 Prozent der Erenumabpatienten (41 von 388) brachen ihre Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab, unter Topiramat lag die Abbruchrate bei 38,9 Prozent (151 von 388).

Der G-BA sieht in den Studienergebnissen damit Vorteile bei den Migränetagen pro Monat und bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und beim Abbruch aufgrund von unerwünschten Ereignissen.

Mit der geänderten Nutzenbewertung dürften nun auch Ärztinnen und Ärzte mehr Spielraum in der Verordnung von Erenumab in der Migräneprophylaxe bekommen, dürfen nun nicht ausschließliche völlig austherapierte Migräniker Erenumab erhalten.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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