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Deutscher Ärztetag
BÄK-Präsident Reinhardt: Dispensierrecht wichtiger als impfende Apotheker
Digitalisierung, Impfen, Gebührenordnung: Die Ärzteschaft hat eine Woche lang in Bremen getagt und zahlreiche Beschlüsse gefasst. Inwieweit die Politik diese aufgreift, bleibt abzuwarten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wollte jedenfalls nicht zu viel versprechen.
Die Ärzteschaft steht vor einer enormen Ruhestandswelle. Darauf hat der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, beim 126. Deutschen Ärztetag (DÄT) in Bremen hingewiesen. „Da bricht uns richtig etwas weg“, sagte Reinhardt und warnte davor, dass ältere Kolleg:innen „aus Frust wegen unausgereifter digitaler Technik“ noch früher als geplant aus der Versorgung ausstiegen.
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Geschwindigkeit dürfe nicht vor Gründlichkeit gehen, etwa bei der Einführung des E-Rezepts. Das E-Rezept habe zwar enormes Potenzial, die Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland weiter zu verbessern und die Abläufe in den Praxen sowie zwischen den Sektoren zu vereinfachen, betonte der BÄK-Präsident. Allerdings müsse die Technik funktionieren. Die bisherige Bilanz sei niederschmetternd.
Dankbar für E-Rezept-Verschiebung
Reinhardt dankte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die flächendeckende Einführung des E-Rezepts verschoben und die Testphase ausgeweitet zu haben. „Das war richtig (…). Denn wir brauchen intensive Tests in einer dauerhaft betriebenen Testregion unter realen Bedingungen“, so Reinhardt.
Die Ärzteschaft erwarte, dass Anwendungen nur dann verpflichtend zum Einsatz kämen, wenn sie „tatsächlich und nachweislich ausgetestet sind und ihre Alltagstauglichkeit bewiesen haben, und das sollte auch für die Gematik, in der das BMG Mehrheitsgesellschafter ist, bindend sein. Alles andere würde das Vertrauen der Ärzteschaft in die Digitalisierungskompetenz des BMG nachhaltig stören.“
Proteste bei Lauterbachs Ankunft
Lauterbach sprach bei der Eröffnung des Ärztetages im Bremer Konzerthaus „Die Glocke“. Bei seiner Ankunft spielten sich dort zunächst tumultartige Szenen ab, rund um das Gebäude hatten sich etwa 60 Personen versammelt. Sie beschimpften den Minister als „Lügner“, forderten mit „Hau ab“-Rufen seinen Rücktritt und wollten „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“. Zu den genauen Beweggründen wollte sich kaum jemand äußern, „ich bin eben hier, um meine Meinung zu sagen“, erklärte ein Mann auf Nachfrage durch sein Megaphon. Eine Frau sagte, sie sei da, weil sie „wegen der Verweigerung dieser genmanipulierten Impfung“ nicht arbeiten dürfe. „Das ist Erpressung“.
Nichts unternehmen, was das „filigrane Gleichgewicht zwischen PKV und GKV verändern könnte“
Wegen Lauterbachs Besuch galten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen, ein Sprengstoffspürhund war im Einsatz. Lauterbach twitterte wenige Minuten nach dem Einzug in das Gebäude: „Es ist der Hass von wenigen Frustrierten. Aber die Mehrheit der Bürger, auch kritische Menschen, sind friedlich. Das schätze ich an ihnen.“
In seiner Rede ging es hauptsächlich um die Corona-Pandemie, die noch nicht vorbei sei. Dabei hatte die Ärzteschaft vor allem ein Thema herbeigesehnt: die Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Deren Novelle lässt seit Jahren auf sich warten, obwohl es einen zwischen der BÄK, dem Verband der privaten Krankenversicherung und der Beihilfe abgestimmten Entwurf über die Bepreisung von knapp 6.000 ärztlichen Leistungen gibt.
Hoffnung auf eine zügige GOÄ-Reform erschlagen
Die Hoffnung auf eine zügige GOÄ-Reform dürfte sich nun erneut zerschlagen haben, denn Lauterbach ging kaum auf die Forderung der Ärzteschaft ein, die neue GOÄ zeitnah umzusetzen. Immerhin versprach er, den Entwurf „vorurteilsfrei“ prüfen zu wollen. Lauterbach betonte in diesem Zusammenhang, dass politisch vereinbart worden sei, nichts zu unternehmen, was das „filigrane Gleichgewicht zwischen PKV und GKV verändern könnte“.
Er hätte sich zwar größere Verschiebungen zu einer der Seiten vorstellen können. „Aber vermutlich nicht auf die gleiche Seite wie Sie“, sagte Lauterbach als Befürworter einer Bürgerversicherung gegenüber Reinhardt. Zudem verteidigte sich Lauterbach gegen den Vorwurf, wichtige Reformen im Gesundheitswesen noch nicht angestoßen zu haben. Er neige dazu, Sachen gut vorzubereiten und zu planen. In der Vergangenheit hätten viele gesetzliche Schnellschüsse nicht gut funktioniert, sagte der Minister mit einem Seitenhieb auf seinen Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU).
„Fragwürdig, dass Apotheken offensiv Aufgaben einer befreundeten Profession zu übernehmen“
Zu Gast in Bremen war zudem Andriy Bazylevych, Präsident der Weltföderation Ukrainischer Ärztlicher Vereinigungen. Er dankte dem deutschen Volk und der deutschen Ärzteschaft für die geleistete Hilfe. Verletzte Ukrainer seien nach Deutschland ausgeflogen, Medikamente und medizinische Geräte zur Verfügung gestellt worden. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagte Bazylevych und berichtete von den Zuständen in seinem Heimatland. Demnach sei das Gesundheitssystem der Ukraine seit Beginn des Krieges schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. „Die Lage ist dramatisch, hunderte Kliniken sind in unterschiedlichem Ausmaß zerstört.“ Auch medizinische Geräte seien zerstört oder gestohlen worden, bei medizinischem Personal habe es – nach dem, was bekannt sei - mindestens zwölf Todesfälle und 50 Verwundete gegeben. Dringende Operationen werden Bazylevychs Schilderungen zufolge in Luftschutzkellern oder auf Fluren durchgeführt, „Frauen bringen ihre Kinder in Kellern zur Welt“.
„Impfende Apotheker tun nicht Not“
Auch das Thema Impfen stand auf der Agenda des DÄT. BÄK-Präsident Reinhardt erklärte, Impfen sei eine ärztliche Aufgabe und es tue nicht Not, dass Apotheker ins Impfen einbezogen werden. Wichtiger wäre, Ärzten das Dispensierrecht zu übertragen, um Patient:innen etwa im Notdienst besser behandeln zu können.
Bei der KBV-Vertreterversammlung, die traditionell am Vortag des Ärztetages stattfindet, monierte KBV-Vize Stephan Hofmeister das Werben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) für das Impfen in Apotheken: „Die ABDA behauptet immer wieder, dies wäre der Schlüssel, um die Impfquoten in Deutschland – insbesondere bei der Grippeschutzimpfung – deutlich zu steigern. Aber haben die Menschen wirklich darauf gewartet?“ Laut Hofmeister ließen Zahlen aus den bisherigen Modellregionen „arge Zweifel an der Euphorie“ aufkommen.
Ab Herbst 2022 dürfen Apotheken bundesweit Grippeschutzimpfungen durchführen. Letztendlich sei es, so Hofmeister weiter, aus berufspolitischer Sicht der Apotheken fragwürdig, offensiv Aufgaben einer befreundeten Profession zu übernehmen. „Als freie und überwiegend selbstständige Heilberufler sind Apothekerinnen und Apotheker eigentlich unsere natürlichen Verbündeten – die meisten von ihnen sehen das zum Glück genauso.“
Umstrittene Entscheidung: Homöpathie wird aus der Musterweiterbildungsordnung gestrichen
Im Verlauf der mehrtägigen Beratungen hat der DÄT seine Forderung bekräftigt, in die aktuellen Beratungen über ein sogenanntes Triagegesetz im Gesundheitswesen eingebunden zu werden. In der Debatte über eine gesetzliche Regelung müsse berücksichtigt werden, dass sich die behandelnden Ärztinnen und Ärzte im Fall einer pandemiebedingten Triage in einer extremen Entscheidungssituation befinden, hieß es im Beschluss der Delegierten.
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Die Forderungen der Ärzteschaft
Hintergrund ist, dass das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2021 ein entsprechendes Gesetz verlangt hatte. Demnach muss der Bundestag „unverzüglich“ Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen im Fall einer Triage treffen. Daneben begrüßt der DÄT die von der Bundesregierung angestrebte Streichung des § 219a StGB. Dieser regelt bislang das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben.
Der Ärztetag teilt die Auffassung von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), wonach der momentane Rechtszustand für Ärztinnen und Ärzte unhaltbar sei. Der Paragraf 219a StGB habe in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass betroffenen Frauen der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch trotz bescheinigter Indikation nach § 218 StGB erschwert wurde.
Mehr Studienplätze
Zudem hat der DÄT mehr Studienplätze in der Humanmedizin an staatlichen Universitäten gefordert. Bund und Länder müssten künftig eine ärztliche Ausbildung sicherstellen, die wissenschaftlich und didaktisch hochwertig ist. „Wissenschaftlichkeit muss Prämisse jeglicher medizinischen Ausbildung in Deutschland sein“, betonten die Abgeordneten, die auch Druck bei der Novellierung der Approbationsordnung machen wollen.
Die Delegierten forderten das Bundesministerium für Gesundheit zur Wiederaufnahme des entsprechenden Gesetzgebungsverfahrens auf. „Das Medizinstudium muss endlich an die aktuellen Herausforderungen der medizinischen Versorgung angepasst werden“, heißt es in dem Beschluss des Ärzteparlaments. Nur so könnten Ärztinnen und Ärzte nach dem aktuellen Kenntnisstand ausgebildet und die Qualität des Studiums gewährleistet werden. Die Abgeordneten kritisierten, dass auch fünf Jahre nach der Verabschiedung des Masterplans Medizinstudium 2020 noch kein entsprechender Gesetzesentwurf vorliege. Da auch der Bundesrat über die neue Approbationsordnung entscheide und die Universitäten die neuen Strukturen einführen müssten, sei ihr geplantes Inkrafttreten im Jahr 2025 in Gefahr.
Auch in Sachen Weiterbildung gibt es eine Änderung: Die Zusatzbezeichnung Homöopathie wird aus der Musterweiterbildungsordnung gestrichen. Zur Begründung im entsprechenden Antrag hieß es, es fehlten wissenschaftliche Studien, die einen evidenzbasierten Einsatz der Homöopathie belegen. Damit fehlten auch die Grundsätze, nach denen in einem kollegialen Gespräch der Wissenserwerb in der Weiterbildung überprüft werden kann. Die Entscheidung des DÄT ist allerdings nicht unumstritten. Denn der Bedarf an homöopathischen Angeboten sei bei den Patienten vorhanden. Es bestehe nun die Gefahr, dass diese Patienten vermehrt zu Heilpraktikern gingen.
3 Kommentare
Dispensierrecht / Homöopathie
von C.Barth am 31.05.2022 um 20:27 Uhr
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Nix gelernt
von Stefan Haydn am 31.05.2022 um 19:07 Uhr
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Dispensierrecht
von Dr. Radman am 31.05.2022 um 11:10 Uhr
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