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Mitgliederversammlung beim AVSH
Lund bereitet Mitglieder auf „nächste Eskalationsstufe“ vor
In seiner ersten Mitgliederversammlung als neuer Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein kündigte Hans-Günter Lund die „nächste Eskalationsstufe“ für Proteste der Apotheken nach dem jüngsten Streik an. Vor allem wegen der erwarteten GKV-Strukturreform werde dies nötig sein. In der MV wurden viele drohende Belastungen von neuen Parallelstrukturen über eine mögliche Mehrwertsteuersenkung bis zu Änderungen bei der Hochpreiserhonorierung angesprochen.
Bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Schleswig-Holstein am vergangenen Samstag in Kiel erinnerte der Verbandsvorsitzende Hans-Günter Lund an die hervorragenden Leistungen der Apotheken in der Pandemie. Diese seien großen Dank wert. Daher sei es „eine Frechheit sondergleichen“, wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jetzt von irgendwelchen Effizienzreserven bei den Apotheken spreche.
Lund betonte, dass viele Apotheken in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten um das Überleben kämpfen. Darum habe der jüngste Streik zeigen sollen, was ist, wenn die Apotheken nicht da sind. Dafür sei bewusst ein Mittwochnachmittag gewählt worden. Denn es sollte keine Aktion gegen die Menschen sein, sondern die Apotheker wollten ins Gespräch kommen – und dies sei gut gelungen.
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Der stellvertretende Verbandsvorsitzende Christian Stolzenburg ergänzte, in 30 Jahren sei keine Meldung über die Apotheken in den Medien deutschlandweit so gut gelaufen wie über den jüngsten Streik. Doch „das war nur der Anfang“, erklärte Lund und kündigte weitere Aktionen an, „nicht nur Reaktion“. Er forderte die Verbandsmitglieder auf, politische Kontakte auf allen Ebenen zu nutzen. Außerdem freue er sich auf „schöne Ideen“ der Mitglieder „für die nächste Eskalationsstufe“.
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Zum E-Rezept betonte Lund, in der digitalen Welt gebe es nur schwarz und weiß, aber keine Abstufungen – und das könne im Versorgungsalltag schwierig sein. Außerdem verdeutlichte Lund die Probleme mit der E-Rezept-Übermittlung per E-Mail, die ursprünglich von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein propagiert worden war. Lund befürchtet, die Übertragung über diesen nicht vorgesehenen Weg hätte auch zum Anlass für Retaxationen werden können.
Im Mittelpunkt stehe jedoch der Datenschutz. Dabei gehe es um die Sicherheit der Patientendaten und um die Gefahr, dass Hacker das Versorgungssystem lahmlegen. Als Ergebnis konstatierte Lund, das E-Rezept komme nicht zum Laufen. Zu Erfolgsmeldungen über die Zahl abgerechneter Rezepte gab er zu bedenken, dass beim E-Rezept jede Verordnungszeile als ein Rezept zählt. Verbandsgeschäftsführer Georg Zwenke ergänzte, nachdem Schleswig-Holstein nun offiziell keine Modellregion mehr sei, werde eine Liste mit Ärzten erstellt, die E-Rezepte ausstellen und für Tests bereitstehen. Außerdem zeichne sich eine kleine Clusterlösung für die weitere Erprobung ab, voraussichtlich in Lübeck.
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Außerdem vertiefte Zwenke die Einschätzungen zur berufspolitischen Entwicklungen. Dabei orientierte er sich am Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Angebote wie Gesundheitskioske oder -lotsen seien als zusätzliche Strukturen nicht nötig, weil ein niedrigschwelligeres Angebot als die Apotheken nicht möglich sei. Das Geld sollte besser zu den Apotheken fließen. Auch bei den erwarteten Plänen der Bundesregierung zur Notfallversorgung bestehe die Gefahr, dass neue Parallelstrukturen aufgebaut werden. Mit Blick auf Lieferengpässe verwies Zwenke auf die angekündigten Zuschüsse zur Behebung, die auch für rezepturmäßig herstellte Ibuprofen-Säfte gewährt werden müssten. Zur Digitalisierung betonte Zwenke, der Koalitionsvertrag sehe ausdrücklich nutzenbringende Anwendungen vor. Dies sei aber bei einem E-Rezept auf Papier nicht erkennbar.
Neue Belastung durch Mehrwertsteuersenkung verhindern
Außerdem wurde für das Frühjahr 2023 eine GKV-Strukturreform angekündigt. Zwenke betonte, der Streik sei zur Vorbereitung auf das Frühjahr wichtig gewesen, denn dann werde eine andere Gangart nötig sein. Es werde möglicherweise im nächsten Jahr „heiß hergehen“.
Zwenke betonte, dass es im GKV-Arzneimittelmarkt zwar Umsatzsteigerungen, aber keine langfristigen Steigerungen der Packungszahl gebe. Dabei sei die Forderung des GKV-Spitzenverbands, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf 7 Prozent zu senken, durchaus nachvollziehbar. Denn es könne nicht sein, dass der Anteil des Staats an den GKV-Arzneimittelausgaben stärker steige als die Arzneimittelausgaben selbst.
Doch eine Mehrwertsteuersenkung würde die Apotheken wegen des Kassenabschlags erheblich treffen. Während die jetzt beschlossene Erhöhung des Kassenabschlags die Apotheken mit 19 Cent netto pro Rx-Packung belaste, würde die Einbuße dann auf 38 Cent netto pro Rx-Packung steigen. Die Apotheker müssten daher vorher unbedingt erreichen, dass der Kassenabschlag als Netto-Betrag formuliert werde. Dazu verwies Zwenke auf die uneinheitliche Nomenklatur zum Abschlag. Er regte an, diesen im Gesetz einheitlich als Großkundenrabatt zu bezeichnen und dann konsequenterweise als Netto-Betrag zu betrachten.
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Als zunehmendes Problem hob Zwenke die Hochpreiser hervor. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte das BMG nach den Folgen einer Deckelung des dreiprozentigen Aufschlags gefragt. Zwenke betonte, dass dies die Apotheken weit stärker als die Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro belasten würde. Dazu verwies er auf die geschätzte Belastung von etwa 276 Millionen Euro pro Jahr gemäß der Berechnung der DAZ. So könne es nicht gehen. Aber die Apotheker müssten jetzt Vorschläge dazu machen. Denn in den USA gebe es zunehmend Arzneimittel mit Preisen in Millionenhöhe in der Pipeline, auf die wir uns in Deutschland einstellen müssten.
Außerdem sieht Zwenke bereits im verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ein bisher wenig beachtetes Problem. Da der Herstellerabschlag um eine Milliarde Euro erhöht wird, steige auch das Inkassorisiko der Apotheken. Umso wichtiger sei die Forderung, die Apotheken davon endlich freizustellen.
Honorarforderung statt Abwehrkampf
Doch es gehe jetzt nicht nur um die Abwehr neuer Belastungen, sondern auch um die Forderung nach mehr Honorar für die Apotheken. Die Apotheken sollten mindestens 10 Prozent mehr Honorar fordern, um höhere Kosten zu kompensieren, erklärte Zwenke. Angesichts der Inflation sei vermutlich noch mehr nötig. Zugleich wies Zwenke die Behauptung zurück, der Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen könne die Belastungen kompensieren. Dies gehe nicht, weil das Honorar für diese Leistungen gemäß dem Schiedsspruch ohne Unternehmerlohn kalkuliert ist. Außerdem fehle vielfach das Personal, um diese Leistungen zu erbringen. Der diesbezügliche Ansatz von Minister Lauterbach sei daher verfehlt.
Ökonomische und juristische Argumente für die Diskussion
Als wichtigen Ansatzpunkt für Honorarforderungen sieht Lund die vielen unbezahlten Leistungen der Apotheken. In der Diskussion wurde auf eine Berechnung der ABDA für das Jahr 2021 verwiesen, nach der die Apotheken 5,52 Milliarden Euro als Honorar aus der GKV erhalten haben, aber dem GKV-System 17,38 Milliarden Euro eingebracht haben, insbesondere durch die Umsetzung der Rabattverträge und Festbeträge sowie die eingezogenen Patientenzuzahlungen und Herstellerrabatte. Daher sollte für alle diese Leistungen eine Gebühr erhoben werden, hieß es in der Diskussion.
Doch Zwenke betonte, die Apotheken seien zu diesen Leistungen gesetzlich verpflichtet. Dazu „können“ die Krankenkassen gemäß § 129 Abs. 5 SGB V Verträge schließen, aber das Gesetz sehe keine Pflicht für eine Honorierung vor. Allerdings stelle sich die Frage, wann die Verpflichtungen aus dem Sicherstellungsauftrag des Apothekengesetzes eine Pflicht zu einer Gegenleistung des Staats auslösen. Berufsausübungsregeln seien zu akzeptieren, aber es könne nicht beliebig viele entschädigungslose Eingriffe geben. Zwenke fragte daher: „Wann kippt das?“ Es sei eine wichtige juristische Aufgabe, dies zu prüfen. Insgesamt sieht Zwenke wegen der Verknüpfung aus Kontrahierungszwang, Kostensteigerungen und erhöhtem Kassenabschlag eine zunehmende Insolvenzgefahr für Apotheken. Er folgerte: „Es ist viel zu tun.“
1 Kommentar
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von Anita Peter am 31.10.2022 um 12:50 Uhr
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