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Jens Spahn finanzierte Lobby-Agentur
„Das war ein blöder Fehler“
Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn steht seit einigen Wochen wieder vermehrt im Rampenlicht. Einerseits, um sein im September erschienenes Buch „Wir werden einander viel verzeihen müssen“ zu promoten. Andererseits, sichtlich weniger bereitwillig, wenn er zu den sogenannten Maskendeals befragt wird. Bei „Chez Krömer“ im RBB ging es auch um Spahns Beteiligung an der Lobby-Agentur Politas und die Liberalisierung des deutschen Apothekenmarkts.
Die einen warten noch auf ihre Bezahlung, die anderen haben offenbar zu viel und zu Unrecht verdient: Weil staatliche Stellen zu Beginn der Corona-Pandemie überfordert waren, ausreichend Schutzmasken für medizinisches Personal und die Bevölkerung zu beschaffen, wurden Lieferanten und Händler aus der freien Wirtschaft beauftragt. Das Bundesgesundheitsministerium etwa nutzte ein sogenanntes Open-House-Verfahren, um in relativ kurzer Zeit genügend Angebote für die dringend benötigten FFP2-Masken zu erhalten. 4,50 Euro netto pro Exemplar stellte das Haus von Jens Spahn (CDU) in Aussicht.
Goldgräberstimmung im Frühjahr 2020
Schnell wurden jedoch Stimmen laut, die mahnten, dass dieser Betrag viel zu hochgegriffen sei. Auch gab es Kritik am Ausschreibungsverfahren selbst, weil Schutzausrüstung ein Massengeschäft darstellt und sich der Markt nach Engpässen schnell wieder von alleine erholt. Doch viel lauter klang die oft zitierte Goldgräberstimmung, die damals im Frühjahr 2020 ausbrach. Auf die Ausschreibung des Ministeriums gab es so viele Rückmeldungen, dass sie vorzeitig beendet wurde. Zu den Lieferanten und Unternehmen, die schon lange im Handel mit Schutzausrüstung tätig sind, gesellten sich auch Branchenfremde, Privatleute und Start-ups. Insgesamt wurden auf diese Weise FFP2-Masken im Wert von ca. 6,3 Milliarden Euro angeschafft und den Steuerzahlern in Rechnung gestellt.
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Was die sogenannten Maskendeals rückblickend in ein äußerst unrühmliches Licht stellt: Einerseits wirft das Bundesgesundheitsministerium Unternehmen vor, qualitativ minderwertige Masken beschafft zu haben und verweigert den Händlern die Bezahlung. Andererseits sind Einzelpersonen Beraterhonorare und Vermittlungspauschalen in bis zu zweistelliger Millionenhöhe zugeflossen. Das Ministerium wird auch wegen der direkten Beauftragung von Logistikunternehmen öffentlich kritisiert. Gerichtsverfahren, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Untersuchungsausschüsse laufen derzeit und sollen für Klarheit sorgen. In einer Reportage des ARD-Magazins „Plusminus“ werden die Hintergründe dieser Maskendeals beleuchtet. Jens Spahn, inzwischen wieder gewöhnlicher Bundestagsabgeordneter, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender sowie Autor seiner persönlichen Corona-Rückschau mit dem Titel „Wir werden einander viel verzeihen müssen“, weicht dabei den Fragen der Journalisten aus und verweist – angeblich wegen fehlender Akteneinsicht – an das Bundesgesundheitsministerium.
Deutlich redseliger zeigte sich Spahn dagegen in der vor einigen Wochen beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ausgestrahlten Talkshow „Chez Krömer“. Gastgeber Alexander Bojcan alias Kurt Krömer zitiert darin die folgende Passage aus dem Buch des Ex-Ministers: „Einzelne, charakterlose Abgeordneten haben sich auf schäbige Art bereichert. All das ärgert mich sehr.“
Wen Spahn genau meint, bleibt im Text unerwähnt. „Das ist die spannendste Stelle im Buch, aber Sie nennen keine Namen“, stellt Kurt Krömer fest und konfrontiert Spahn mit Fotos der (Ex-)Unionspolitiker Nikolas Löbel, Georg Nüßlein, Mark Hauptmann und Alfred Sauter. Als „besonders schäbig“ bezeichnet Spahn diejenigen, „die mich angerufen haben und die mich benutzt haben für ihre Geschäfte“. Bei der Bildauswahl tippt er auf Georg Nüßlein, der für die Vermittlung von Maskendeals 660.000 Euro Provision erhalten haben soll, mit weiteren 540.000 Euro in Aussicht.
Aus Apothekersicht wird bei „Chez Krömer“ noch ein weiteres, bemerkenswertes Kapitel in Spahns Biografie aufgeschlagen: „Von 2006 bis 2010 waren Sie an der Lobby-Agentur Politas beteiligt, die die Medizin- und Pharmaindustrie berät. Gleichzeitig saßen Sie als Obmann der CDU im Gesundheitsausschuss und machten sich für eine Liberalisierung des Apothekenmarkts stark“, liest Krömer aus seinen Unterlagen vor, erläutert den Zusammenhang jedoch nicht näher.
Zum Hintergrund: Jens Spahn gründete 2006 zusammen mit seinem Büroleiter Markus Jasper und einem gewissen Max Müller die Agentur Politas, die Kunden aus dem „Medizin- und Pharmasektor“ Informationen aus der Gesundheitspolitik anbot. Laut „Focus“ warb Politas mit dem folgenden Slogan: „Ganz gleich, ob es um eine Anhörung, ein Hintergrundgespräch oder um eine Plenardebatte geht. Wir sind für Sie dabei.“ Für Apotheken besonders pikant: 2008 war auch das Jahr, in dem es vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) um die Frage ging, ob das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot im Apothekenwesen Bestand haben wird. Spahn gehörte seinerzeit zu jenen Politikern, die meinten, man müsse sich für den Fall, dass die Verbote kippen, vorbereiten. „Wir hatten beide Lust, die Gesundheitsbranche ein bisschen aufzumischen“, zitiert etwa Spahn-Biograf Michael Bröcker Max Müller. Der EuGH bestätigte das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Mai 2009 jedoch.
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Doch erst Jahre später, 2012, brachte „Focus“ das Politias-Konstrukt an die Öffentlichkeit, denn Spahn sitzt zu der Zeit bereits im Gesundheitsausschuss. Wiederum einige Zeit später, wird die Verbindung erneut thematisiert, unter anderem von der Links-Fraktion. Max Müller arbeitet inzwischen als Cheflobbyist für den niederländischen Arzneimittelversender DocMorris, im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht das Rx-Versandhandelsverbot, doch Widerstand kommt aus dem von Spahn geführten Bundesgesundheitsministerium.
Auch das Thema „Maskenbeschaffung“ bringt Jens Spahn mit Max Müller zusammen: Nachdem bereits ein Deal mit der Hubert Burda Media – dem Arbeitgeber von Spahns Ehemann – für ein Medienecho sorgte, räumte der Minister 2021 ein, auch von Müller, inzwischen beim Chemie-Konzern Bayer tätig, ein Angebot erhalten zu haben.
Zurück zur RBB-Show: „Das war auch ein Zufall?“, fragt Kurt Krömer seinen Gast. „Nö, das war ein Fehler, ein blöder“, antwortet Jens Spahn bezogen auf die „Startfinanzierung“, die er seinem Freund Jasper für die Gründung von Politas überließ. „Hätte ich besser nicht mitgemacht.“ Dadurch sei ein Eindruck entstanden, der ihn noch zwölf Jahre später begleitet. „Besser wäre gewesen: ohne“, resümiert Spahn. Interessenskonflikte habe es jedoch keine gegeben.
1 Kommentar
"Ein blöder Fehler....
von Dr.Diefenbach am 22.11.2022 um 17:12 Uhr
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