Gesetzliche Lücke im AMG

Zoely zentral zugelassen – ist ein Import nach § 73 Abs. 3 überhaupt erlaubt?

Stuttgart - 14.06.2019, 07:00 Uhr

Ist ein Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG möglich, wenn es um zentral zugelassene Arzneimittel geht? (s / Foto: nmann77 / stock.adobe.com)

Ist ein Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG möglich, wenn es um zentral zugelassene Arzneimittel geht? (s / Foto: nmann77 / stock.adobe.com)


Zoely ist nicht lieferbar. Die Engpässe treffen jedoch nicht alle europäischen Länder. Und Apotheken können die Antibabypille importieren. Sicher? Denn Zoely wurde EU-weit zentral zugelassen, § 73 Absatz 3 AMG regelt jedoch nur den Einzelimport in Deutschland nicht zugelassener Fertigarzneimittel. Dieses Dilemma hat auch die Länderaufsicht erreicht, doch dort ist man sich uneinig. Eine heikle Sache – findet auch der Verband der Einzelimporteure internationaler Arzneimittel. DAZ.online hat mit der Vorsitzenden Sabine Fuchsberger-Paukert gesprochen. Sie sagt: „Deutsche Kleinstaaterei blockiert eine sichere Arzneimittelversorgung“.

Das Problem: Die Verhütungspille Zoely® ist nicht lieferbar, generische Alternativen mit der exakt gleichen Zusammensetzung bietet der Arzneimittelmarkt nicht. Rettung – für Anwenderinnen und Apotheken – scheint durch die Möglichkeit eines Importes greifbar. Allerdings agieren Apotheken hier derzeit in einem rechtsunsicheren Raum. Warum? Die Krux steckt im Detail und in § 73 Absatz 3 des Arzneimittelgesetzes.

§ 73 Absatz 3 AMG regelt, dass Apotheken auf einzelne Bestellungen Fertigarzneimittel, die in Deutschland nicht zugelassen sind, importieren dürfen. Exakt heißt es dort:

§ 73 Absatz 3 AMG

„...Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind und nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen, registriert oder von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind, (dürfen) in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, wenn

1. sie von Apotheken auf vorliegende Bestellung einzelner Personen in geringer Menge bestellt und von diesen Apotheken im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis abgegeben werden,

2. sie in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, und

 3. für sie hinsichtlich des Wirkstoffs identische und hinsichtlich der Wirkstärke vergleichbare Arzneimittel für das betreffende Anwendungsgebiet im Geltungsbereich des Gesetzes nicht zur Verfügung stehen."

§ 73 Abs. 3 AMG stammt aus Zeiten ohne zentrale Zulassung

Was ist aber nun mit Arzneimitteln, die durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA zentral zugelassen sind – so wie Zoely®? Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte definiert: „Zentrale Zulassungsverfahren sind europäische Verfahren, die es dem Antragsteller ermöglichen, mit einem einzigen Antrag die Zulassung für ein Arzneimittel in allen Mitgliedsstaaten des europäischen Wirtschaftsraums (EU-Mitglieder, Island und Norwegen) zu erhalten.“ Diese von der „Europäischen Union (...) erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen (...) steht einer nach § 25 erteilten Zulassung gleich“, erklärt das Arzneimittelgesetz in § 37.

Das bedeutet: Wegen der zentralen Zulassung sind auch „ausländische“ Zoely®-Präparate in Deutschland automatisch mitzugelassen – was § 73 Abs. 3 AMG aushebelt. Dieser bezieht sich nämlich nur auf nicht in Deutschland zugelassene Arzneimittel. Ist dann alles ganz einfach? Wenn das Arzneimittel doch zugelassen ist, stehen ja erst recht keine Hürden einer Verbringung nach Deutschland entgegen. Weit gefehlt. Denn: Wie sieht es mit der deutschen Kennzeichnung aus?

Das Dilemma mit der deutschen Packungsbeilage

Das Arzneimittelgesetz enthält zahlreiche und detaillierte Vorgben. So erklärt der Gesetzgeber in § 10 AMG  die Kennzeichnung von Arzneimitteln, und dass Fertigarzneimittel, die weder der klinischen Prüfung dienen noch von der Zulassungspflicht freigestellt sind „im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden (dürfen), wenn auf den Behältnissen und, soweit verwendet, auf den äußeren Umhüllungen in gut lesbarer Schrift, allgemeinverständlich in deutscher Sprache und auf dauerhafte Weise" bestimmte Angaben gemacht sind. Gleiches gilt für die Packungsbeilage nach § 11 AMG.

Ein Dilemma: Zentral zugelassen und somit eigentlich kein Import nach § 73 Abs. 3 AMG, aber einfach so verbringen darf man Zoely auch nicht, da die deutsche Kennzeichnung und Packungsbeilage fehlt. Dieses gesetzliche Vakuum existiert nicht erst seit Zoely®, sondern seit einer EU-Verordnung vom 31. März 2004, die es ermöglicht hat, Arzneimittel für alle Länder der EU zentral zuzulassen. Ist dies denn seither niemandem aufgefallen? Scheinbar schon. Doch man ist sich uneins.

„Deutsche Kleinstaaterei blockiert sichere Arzneimittelversorgung“

Sabine Fuchsberger-Paukert, Vorsitzende des Verbands der Einzelimporteure internationaler Arzneimittel e.V. (VEIA), erklärt gegenüber DAZ.online: Der Bezug zentral zugelassener Arzneimittel, die in Deutschland nicht lieferbar sind, wird von den Länderbehörden unterschiedlich interpretiert: Ob man also die Verhütungspille Zoely® über einen Einzelimport beziehen kann, hängt davon ab, ob man in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Mecklenburg-Vorpommern wohnt", so Fuchsberger-Paukert. Weil sich die Länderaufsicht nicht auf eine einheitliche Rechtsauffassung verständigen könne, bestehe die Gefahr, dass Anwenderinnen die Präparate auf dem Graumarkt oder illegal beschafften, so die Sorge der VEIA-Vorsitzenden.Sie findet: „Die deutsche Kleinstaaterei blockiert eine sichere Arzneimittelversorgung“.

Einzelimport: „Der sicherste Weg, Versorgungslücken zu schließen“

Nun ist es nicht so, dass der VEIA bislang untätig diesem Treiben zugeschaut hätte. Im Gegenteil: Der Verband bemüht sich seit geraumer Zeit um Rechtssicherheit beim Import zentral zugelassener Arzneimittel. Auch ein Rechtsgutachten habe der VEIA auf eigene Kosten bereits erstellt und den Behörden zukommen lassen. Nach Ansicht des VEIA wäre „der bewährte Weg des Einzelimportes die Lösung der Stunde", so Sabine Fuchsberger-Paukert. Es gehe schließlich um geringe Mengen, eine medizinische Notwendigkeit, also ein Problem, für das mit dem Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG in Deutschland ein bewährter, schneller und sicherer Weg zur Verfügung steht, erklärt die VEIA-Vorsitzende gegenüber DAZ.online.

BMG will keine Klärung der Einzelimportfrage

Allerdings ist der Verband mit seinem Bemühen bislang auf politischen und behördlichen Granit gestoßen: „Seit fast einem Jahr versuchen wir mit dem Bundesministerium für Gesundheit und den Länderbehörden zu klären, dass der § 73 Abs. 3 AMG der sicherste Weg wäre, die Versorgungslücke zu schließen“.

Doch die Länder könnten sich noch immer nicht auf eine einheitliche Rechtsauffassung verständigen, „das Bundesministerium will in dieser Frage keine Klarstellung“, ist Fuchsberger-Paukert überzeugt. Auch ein Appell an die zuständigen Bundestagsabgeordneten, im Rahmen der Verhandlungen des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) eine gesetzliche Klarstellung zu erreichen, wurde von diesen nicht aufgegriffen.

Nicht nur Zoely betroffen

Die Importlücke trifft nicht nur Zoely®. Keine Zoely® ist zwar ärgerlich für die Anwenderinnen, doch fraglos ist ein orales Kontrazeptivum kein lebensnotwendiges Präparat. In manchen Fällen fehlen Arzneimittel nicht nur temporär wie bei Zoely® durch aktuelle Verpackungsschwierigkeiten, die laut Hersteller MSD Sharp & Dohme der Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie mitgeschuldet sind. Sondern manchmal entscheiden Hersteller auch auf Basis der G-BA-Nutzenbewertung, ein Präparat vorläufig oder endgültig nicht auf den deutschen Markt zu bringen. Unter Umständen drohen Versorgungslücken, gerade bei schweren Erkrankungen wie Krebs und dem infolge der Behandlung oftmals geschwächten Immunsystem kann die Therapie nicht einfach umgestellt werden, ohne dass negative Auswirkungen zu befürchten wären, so Fuchsberger-Paukert.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Will doch sowieso niemand....

von Christian Becker am 14.06.2019 um 9:25 Uhr

Lieferzeit bei unseren GH ca. 3 Wochen.
37€ teurer.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Was spricht denn gegen...

von Michael Mischer am 14.06.2019 um 8:15 Uhr

... § 73 Abs. 1 AMG als Rechtsgrundlage eines Einzelimports? Nur die fehlende deutschsprachige Kennzeichnung?

Die fehlt aber ja auch dem Einzelimport nach Abs. 3 - wo ist denn die gesetzliche Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht für diese Fälle? ich habe die nicht gefunden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Was spricht denn gegen

von A. L. am 14.06.2019 um 8:39 Uhr

Arzneimittel, die nach § 73 Abs. 3 AMG importiert werden, müssen nicht in deutscher Sprache gekennzeichnet sein, weil sie entsprechend Abs. 4 ausgenommen sind. Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift.

AW: Was spricht denn gegen

von Michael Mischer am 14.06.2019 um 8:48 Uhr

Herzlichen Dank - das ist dann verzwickt

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