Apothekenreform, Lieferengpässe, Digitalisierung

Gesundheitspolitik – Das wird wichtig im Jahr 2020

Berlin - 06.01.2020, 17:45 Uhr

Auch in diesem Jahr wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wieder zahlreiche Gesetze und Verordnungen auf den Weg bringen. Welche davon könnten für Apotheker relevant sein? Was steht sonst noch an? Ein Überblick. (Foto: imago images / epd)

Auch in diesem Jahr wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wieder zahlreiche Gesetze und Verordnungen auf den Weg bringen. Welche davon könnten für Apotheker relevant sein? Was steht sonst noch an? Ein Überblick. (Foto: imago images / epd)


Das Jahr 2020 wird für Apotheker einige wichtige Entscheidungen mit sich bringen. Mit den Arzneimittel-Lieferengpässen und dem Versandhandelskonflikt gibt es für die Apotheker zwei größere Baustellen, die die Bundesregierung angehen will. Wichtige Neuregelungen dürfte zudem ein weiteres E-Health-Gesetz mit sich bringen. Und auch außerhalb der Arzneimittelpolitik plant der fleißige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn einige Gesetze und Verordnungen. Ein Überblick.

Apothekenstärkungsgesetz

Schon länger als drei Jahre ist der gesamte Apothekenmarkt im Unklaren. Denn seit Oktober 2016 dürfen EU-Versender nach einem EuGH-Urteil die hierzulande geltende Rx-Preisbindung missachten und Rx-Boni geben. Der amtierende CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn will mit dem sogenannten Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz wieder für mehr Gerechtigkeit im System sorgen. Im Zentrum des Vorhabens steht das geplante Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich, das Spahn als Alternative für das Rx-Versandverbot eingeplant hat, das aber juristisch höchst umstritten ist. Die Bundesregierung will das Verbot im Sozialgesetzbuch V verankern, dafür die von der EU-Kommission seit Jahren kritisierte Rx-Preisbindung für EU-Versender im Arzneimittelgesetz streichen.

Aber der Gesetzentwurf enthält noch weitere wichtige Neuregelungen für die Apotheker: Es geht auch um die erstmalige Einführung vergüteter pharmazeutischer Dienstleistungen. Die Kassen sollen verpflichtet werden, über solche Leistungen Verträge mit den Apothekern abzuschließen. Welche Leistungen dies zu welchen Preisen sein könnten, steht allerdings noch in den Sternen. Die dritte wichtige Neuregelung aus dem Apotheken-Stärkungsgesetz betrifft die Einführung des E-Rezeptes: Die Bundesregierung will ein striktes Makelverbot für Ärzte und EU-Versender im Gesetz verankern, das über das normale Zuweisungsverbot hinausgeht. So soll vermieden werden, dass mit E-Rezepten neuartige Geschäftsmodelle aufgebaut werden.

Schon in den ersten Wochen und Monaten dieses Jahres dürfte es bezüglich dieses Vorhabens Neuigkeiten geben: Die Bundesregierung stimmt sich derzeit mit der neuen EU-Kommission dazu ab. Die EU-Kommission sieht jegliche Boni-Beschränkungen für EU-Versender kritisch und die Bundesregierung hatte das Einbringen des Gesetzes ins Parlament von der Einschätzung der EU-Kommission abhängig gemacht. Gibt die EU-Kommission grünes Licht, könnte das parlamentarische Verfahren hierzulande beginnen, ein Beschluss in diesem Jahr wäre dann möglich.

Kompliziert wird es allerdings, wenn aus Brüssel deutliche Widersprüche signalisiert werden. Denn dann müsste Spahn sein Vorhaben umschreiben – Deregulierungen im Bereich der Rx-Preisbindung sind dann nicht mehr ausgeschlossen. Denkbar wäre ein Boni-Deckel, wie er ursprünglich vom Minister favorisiert wurde. Das wiederum dürfte auf heftigen Protest im Apothekerlager stoßen, was das Verfahren nicht vereinfachen würde. Unabhängig davon haben auch die Krankenkassen heftigen Widerstand gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen angekündigt.

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Neuregelungen gegen Lieferengpässe

Arzneimittel-Lieferengpässe

Deutlich weiter ist hingegen das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG), das eigentlich die Mechanismen in der GKV-Finanzierung neu regeln soll. Das Gesetz ist schon im parlamentarischen Verfahren, die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen wollen darin auch auf die zunehmenden Arzneimittel-Lieferengpässe reagieren. Derzeit ist vorgesehen, dass das Vorhaben im Frühjahr 2020 im Bundestag beschlossen werden soll.

In einem Änderungsantrag zu dem Gesetz wollen Union und SPD beispielsweise festlegen, dass Apotheker 24 Stunden nach Auftauchen eines Defekts unter gewissen Bedingungen ein nicht-rabattiertes Arzneimittel abgeben dürfen. Unter anderem die ABDA kritisiert dies, weil die Regelung schlechter sei als die Möglichkeiten, die der Rahmenvertrag aktuell bietet. Außerdem soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mehr Kompetenzen bekommen: Es soll künftig leichter sein, ausländisch gekennzeichnete Arzneimittel bei einem Engpass in Umlauf zu bringen. Außerdem soll sich ein Beirat mit mehreren Akteuren aus dem Gesundheitswesen bilden, der die Versorgungslage regelmäßig checkt – er soll den bisherigen Jour Fixe ablösen. Das BfArM soll im Engpass-Fall auch weitere Maßnahmen anordnen dürfen und etwa Daten zur Versorgungslage bei Herstellern und Großhändlern abrufen sowie eine Bevorratung anordnen können.

Allerdings ist in dem Gesetzgebungsverfahren noch Bewegung: Sowohl die Union als auch die SPD hatten sich beispielsweise für die Abschaffung exklusiver Generika-Rabattverträge ausgesprochen. Es könnte also sein, dass sich die oben genannten Regelungen während des weiteren parlamentarischen Verfahrens im Januar und Februar noch ändern werden.

Hier sehen Sie nochmals alle geplanten Neuregelungen im Überblick.

Weitere Gesetzesvorhaben

Digitalisierung, E-Patientenakte

Erwartet wird zudem, dass das Bundesgesundheitsministerium schon bald ein weiteres Gesetzesvorhaben vorlegt, in dem es um die Digitalisierung geht. Das BMG musste im vergangenen Jahr Teile seines Gesetzentwurfes zum Digitale Versorgung Gesetz (DVG) streichen und kündigte danach an, diese in einem weiteren Vorhaben erneut aufgreifen zu wollen. Konkret ging es um die Ausgestaltung der E-Patientenakte (ePA), die es ab 2021 geben soll. Das BMG will neue Anwendungen für die ePA festlegen, im Gespräch waren der Mutterpass, der Impfausweis und das Untersuchungsheft für Kinder.

Für die Apotheker könnte das Gesetz auch mit Blick auf andere Forderungen relevant werden. Sollte das Apotheken-Stärkungsgesetz kippen oder weiter verzögert werden, wäre es denkbar, dass zumindest das Makelverbot für E-Rezepte mit diesem Vorhaben aufgegriffen wird. Des Weiteren hatte es im vergangenen Jahr in einem Entwurf zum DVG kurzzeitig den Vorschlag gegeben, dass Apotheker für das Bearbeiten der E-Medikationspläne vergütet werden sollen. Und: DAV-Vizechef Dr. Hans-Peter Hubmann hatte erst im November erklärt, dass er hoffe, dass die Web-App des DAV zum „natürlichen Vermittler“ des E-Rezeptes erklärt werde. Sollte das BMG eine solche Regelung planen, könnte sie ebenfalls in diesem Digital-Gesetz unterkommen.

Ein Entwurf liegt hierzu aber noch nicht vor.

Sexuelle-Orientierung-und-geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz

Mit dem „Gesetz zum Schutz vor Behandlungen zur Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität“ will das BMG sogenannte Konversionstherapien verbieten. Das Verbot soll auch jegliches Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen bei Personen unter 18 Jahren einschließen. Bei Personen ab 18 Jahren sollen die öffentliche Werbung, das öffentliche Anbieten sowie Vermitteln verboten werden. Verstöße sollen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einem hohen Bußgeld geahndet werden. Im November war ein erster Referentenentwurf bekannt geworden, der Kabinettsbeschluss folgte kurz vor Weihnachten. Das parlamentarische Verfahren beginnt im ersten Quartal dieses Jahres.

Gesetz zur Stärkung der intensivpflegerischen Versorgung und Rehabilitation (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz - IPREG)

Mit diesem Vorhaben will das BMG die Versorgung von Intensiv-Pflegebedürftigen verbessern. Das Ministerium veröffentlichte im Dezember einen zweiten, veränderten Referentenentwurf, mit dem es auf heftige Kritik an den Plänen reagierte. Im Bereich der außerklinischen Intensivpflege wird laut Entwurf ein neuer Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege eingeführt. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung insbesondere den Bereich der Beatmungspatienten neu regeln. Die Beatmungsentwöhnung im Übergang zwischen akutstationärer und ambulanter Behandlung soll verbessert und finanziell unterstützt werden. Für die Rehabilitation sieht der Entwurf vor, dass Ärzte auch ohne vorherige Prüfung der medizinischen Notwendigkeit eine geriatrische Reha verordnen dürfen. Der Kabinettsbeschluss könnte schon in den ersten Wochen des Jahres anstehen.

Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz – MPEUAnpG

Das Bundeskabinett hat am 6. November 2019 den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Verordnung (EU) 2017/745 und die Verordnung (EU) 2017/746 (Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz – MPEUAnpG) beschlossen. Der Gesetzentwurf dient laut BMG in erster Linie der technischen Anpassung des nationalen Medizinprodukterechts an die neuen EU-Vorgaben. Besonderer Fokus des Gesetzes ist die Durchführung der Vorschriften für Medizinprodukte nach Europäischem Recht (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz –MPDG). Außerdem sollen das BfArM und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) künftig auf der Grundlage eigener Risikobewertung ermächtigt werden. Schon im Februar soll das Vorhaben im Bundestag in 2. Und 3. Lesung besprochen werden.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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Telematik-Infrastruktur und ärztliche Schweigepflicht

von Maghein am 06.01.2020 um 22:24 Uhr

Die zentrale Speicherung der Gesundheits- und Sozialdaten von 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten ohne deren Einwilligung und ohne Widerspruchsmöglichkeit verstösst nicht nur gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch gegen die DSGVO und gegen die ärztliche Schweigepflicht nach Paragraph 203 StGB. Deshalb verweigern viele Ärztinnen und Ärzte den Zwangsanschluss an die Telematik-Infrastruktur und nehmen Honorarkürzungen und ggf. weitere Sanktionen in Kauf. Wer etwas tun möchte, unterzeichne und teile bis 16.1.2020 die Online-Petition 98780 des Bundestages. Bei mehr als 50.000 Unterschriften MUSS sich der Petitionsausschuss mit dem Anliegen befassen. 40.000 Unterschriften auf Papier liegen bereits vor.

https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_09/_02/Petition_98780.html

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