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Interview mit GKV-Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis
„Der Versandhandel ist kein ‚Fremdkörper'“
GKV-SV: Es kommt in keiner Region zu Versorgungsengpässen
DAZ.online: Sie wissen schon, dass diese von Ihnen gewünschten Abgabeautomaten mehrfach gerichtlich verboten wurden. Warum fordern Sie sie trotzdem?
Stoff-Ahnis: XXX
DAZ.online: Wir haben eben schon die Apothekenstruktur angesprochen. Wie beurteilen Sie die derzeitige Apothekenzahl mit Blick auf ihre Entwicklung in den vergangenen Jahren sowie die Verteilung der Apotheken und der Apothekendichte?
Stoff-Ahnis: Das allseits bekannte Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums aus 2018 hat sich auch mit diesem Aspekt befasst. Laut Gutachten gibt es in keiner Region so wenige Apotheken, dass es zu Versorgungsengpässen kommt. Insofern ist die Zahl der Apotheken durchaus ausreichend.
Das Gutachten hat aber auch gezeigt: Durch die packungsbezogene Vergütung profitieren vor allem Apotheken mit einem hohen Arzneimittelabsatz. Außerdem: Aufgrund dieser hohen Absatzzahlen haben diese Apotheken auch die geringsten Kosten pro abgegebener Packung, da sie ihr Personal optimal auslasten können. Beide Aspekte erklären, warum die Apothekenzahlen in stärker besiedelten Regionen nach wie vor hoch sind. Um Apotheken auch in dünnbesiedelten Gegenden zu halten, bräuchten wir eine andere Vergütung. Eine Umverteilung von Apotheken mit hohem Absatz in Ballungszentren hin zu Apotheken mit geringeren Umsätzen, aber einer wichtigen Funktion für Menschen in schwächer besiedelten Regionen. Landapotheken profitieren stärker von Zahlungen aus dem Nacht- und Notdienstfonds, da diese Dienste in schwachbesiedelten Regionen stärker nachgefragt sind. Wir schlagen daher eine Umverteilung vor – mehr Geld für patientenorientierte Leistungen zulasten des packungsbezogenen Zuschlags.
DAZ.online: Wie beurteilen Sie denn auch mit Blick auf die Apothekenstruktur den seit Jahren andauernden Konflikt um Rx-Boni und sonstige Preisnachlässe? Finden Sie, dass der Gesetzgeber nach dem EuGH-Urteil die Preise liberalisieren sollte?
Stoff-Ahnis: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2016 ist für ausländische Versandapotheken der Preiswettbewerb bei der Arzneimittelabgabe erlaubt. Dies ließe sich aber auch erreichen, wenn für Versandhandel-Arzneimittel die Arzneimittelpreisverordnung in Form eines Höchstpreismodells gelten würde. Preisabweichungen nach unten könnten dann im Rahmen von Selektivverträgen mit Krankenkassen realisiert werden und wären nicht der Willkür bestimmter Akteure unterworfen. Boni würden auf Basis der Vertragskonditionen durch die Krankenkassen festgelegt werden, wenn auch für die Solidargemeinschaft entsprechende Einsparungen entstehen. Diese Lösung würde dem Grundgedanken der gesetzlichen Krankenversicherung sehr viel mehr entsprechen: In einer Solidargemeinschaft sollen ja gerade nicht Einzelne profitieren, wie es derzeit durch die Boni-Zahlung der Fall ist. Ein solches Modell würde den vom EuGH geforderten Preiswettbewerb im Rahmen der angepassten nationalen Gesetzgebung europarechtskonform zulassen, ohne inländische Versandhändler zu benachteiligt oder die Arzneimittelpreisverordnung vollständig aufzuheben.
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Die wahren Apotheken-Feinde
DAZ.online: Eine solche Lösung könnte Millionen von Patienten in den Versandhandel treiben, der übrigens keine Not- und Nachtdienste leistet. Apotheken würden wegbrechen. Nochmals die Frage: Kann das im Sinne der Krankenkassen sein?
Stoff-Ahnis: XXX
DAZ.online: Laut der sogenannten „Länderliste“ müssen Versandapotheken aus dem EU-Ausland eine Präsenzapotheke haben, wenn Sie hierzulande an der Versorgung teilnehmen wollen. Haben DocMorris und Shop Apotheke Ihres Wissens nach eine solche Präsenzapotheke? Wenn nein, warum sind beide weiterhin zur Versorgung zugelassen? Und wie beurteilen Sie den Fakt, dass deutsche Behörden die großen EU-Versender gar nicht kontrolliert und niederländische Behörden nur sehr sporadisch?
Stoff-Ahnis: Die Länderliste unterliegt nicht der Verantwortlichkeit des GKV-Spitzenverbandes, sondern des Bundesgesundheitsministeriums. Auch wir müssen uns darauf verlassen können, dass die Aufsicht der Behörden im Interesse unserer Versicherten gut funktioniert.
DAZ.online: Kommen wir nochmals zum E-Rezept. Sollte bei der Einführung des E-Rezeptes aus Ihrer Sicht darauf geachtet werden, dass die freie Apothekenwahl erhalten bleibt?
Stoff-Ahnis: Ich sehe keinen Grund von der freien Apothekenwahl abzuweichen, nur weil wir vom Papier-Rezept zum E-Rezept wechseln. Die Erfahrungen zeigen, dass in Bereichen, in denen Rezepte zugewiesen werden dürfen, also bei parenteralen Zubereitungen wie Zytostatika, Fehlanreize entstehen. Es gibt immer wieder Hinweise, die nahelegen, dass Ärztinnen und Ärzte finanzielle Anreize für die Zuweisung von Rezepten erhalten. Ein Umstand, der nicht akzeptabel wäre. Und es drängen sich weitere Fragen auf: Wird verordnet, weil die Apotheke bezahlt? Bestimmen finanzielle Interessen die Arzneimittelauswahl oder doch die Suche nach der optimalen Behandlungsoption? Solche Entwicklungen in der Versorgung wollen wir nicht.
DAZ.online: Wie stehen Sie zu alternativen Arzneimittel-Versorgungsformen? Sollte es Abgabeautomaten, Apothekenbusse oder Ähnliches geben, um die Versorgung zu sichern?
Stoff-Ahnis: Wenn die GKV für flexible Versorgungsformen plädiert, wollen wir die Patientenversorgung absichern und zugleich verbessern. Wie bereits vorhin ausgeführt, brauchen unsere Versicherten Versorgungswege, die zu ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit passen. Ideal sind also Lösungen, die gleich verschiedene Patientenbedürfnisse befriedigen. Die von Ihnen genannten Formen sind gute Beispiele hierfür. Und deshalb sollte es auch Apotheken ermöglicht werden, diese Versorgungsformen anzubieten.
DAZ.online: Forschung und die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass Apotheker mit patientenbezogenen pharmazeutischen Beratungsleistungen die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern und dadurch auch die Gesamtkosten der Versorgung senken können. Welche solcher Leistungen wünscht sich der GKV-Spitzenverband von Apothekern, wenn das geplante Apothekenstärkungsgesetz dafür künftig eine Rechts- und Finanzierungsgrundlage schafft?
Stoff-Ahnis: Die pharmazeutische Patientenberatung bei der Abgabe eines Arzneimittels wird ja bereits heute durch den Festzuschlag in der Arzneimittelpreisverordnung vergütet. Es ist deshalb zunächst wichtig, weitere Beratungs- und Betreuungsleistungen hiervon trennscharf abzugrenzen. Eine Doppelfinanzierung von Leistungen zulasten der Beitragszahlenden in der GKV muss ausgeschlossen werden. Zusätzliche Beratungs- und Betreuungsangebote müssen zeigen, dass sie die Versorgung tatsächlich verbessern. Um die heterogenen Bedarfe bei der Arzneimittelversorgung zu berücksichtigen, scheint mir ein einheitlicher Katalog auf Bundesebene wenig sinnvoll. Besser wäre es sicherlich, zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen über Selektivverträge oder regionale Vereinbarungen zu organisieren. Vor Ort wissen die Krankenkassen sehr gut, was die Menschen in ihrer Region brauchen.
DAZ.online: Welche Voraussetzungen müssen für Sie denn erfüllt sein, damit die Krankenkassen pharmazeutische Dienstleistungen honorieren? Muss es einen Nutzennachweis geben?
Stoff-Ahnis: Natürlich müssen pharmazeutische Dienstleistungen ihren Nutzen für Patientinnen und Patienten nachweisen. Es kann ja nicht wirtschaftlich sein, finanzielle Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung für Leistungen ohne Nutzen auszugeben. Wie dies im Detail funktioniert, müssen dann – je nach Bedarf – die entsprechenden Vertragspartner vor Ort festlegen.
13 Kommentare
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von Heiko Barz am 06.05.2020 um 20:41 Uhr
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von Christian Timme am 07.05.2020 um 10:09 Uhr
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