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Arzneimittel- und Wirkstoffimporte in die EU
Wird die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten überschätzt?
Spätestens seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie ist die Abhängigkeit der Europäischen Union von asiatischen Arzneimittel- und Wirkstofflieferanten ein großes Thema. Aber ist diese wirklich so groß, wie es oft behauptet wird? Eine neue Studie des European Centre for International Political Economy (ECIPE) zeigt eher das Gegenteil. Die Versorgung stammt danach im Wesentlichen aus der EU selbst. China spielt jedoch als maßgeblicher Wirkstoff-Lieferant eine immer größere Rolle.
Schon vor der Coronakrise gab es in Europa bei Arzneimitteln immer mehr Lieferengpässe und seit dem vergangenen Jahr werden die Forderungen immer lauter, die Produktion wieder stärker nach Europa zurückzuholen. Aber beruht dieser „gefühlte“ Mangel wirklich auf harten Zahlen und wäre eine stärkere Abkoppelung von internationalen Lieferketten tatsächlich der richtige Ausweg aus dem Dilemma?
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Eine neue Studie des European Centre for International Political Economy (ECIPE) hat die Im-und Exportbilanz der EU für pharmazeutische Erzeugnisse im Detail aufgearbeitet. Die Analyse, die vom europäischen Dachverband der forschenden Arzneimittelhersteller EFPIA in Auftrag gegeben wurde, stellt nicht nur die „düsteren“ Aussichten auf die Versorgung infrage. Sie belegt auch, dass die globalen Lieferketten während der Pandemie tatsächlich eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit gezeigt haben.
Rund drei Viertel der EU-Pharmaimporte kommen aus Europa
Nach Angaben in der ECIPE-Studie wird mehr als die Hälfte (51 Prozent) der in der EU konsumierten pharmazeutischen Erzeugnisse im Inland hergestellt. Als Haupterzeugerländer (nach Wert) werden Irland, Deutschland und Frankreich angegeben. Bei den Wirkstoffen (APIs) rangieren ebenfalls Irland und Deutschland und dahinter Italien auf den ersten drei Plätzen.
China wichtigster Drittland-Importeur
Die EU-27 importierten im Jahr 2019 pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von 286 Milliarden Euro. 81 Prozent (71,6 Prozent nach Menge) der Einfuhren von Fertigarzneimitteln und APIs stammen aus Europa, das heißt aus der EU-27 plus Schweiz und Großbritannien. Nach Wert kommen 8,9 Prozent aus den USA, 2,5 Prozent aus Singapur, 2,4 Prozent aus China und 1,4 Prozent aus Indien.
Speziell bei den Wirkstoffen kommen wertmäßig allerdings nur 53,4 Prozent der Einfuhren aus der EU-27 selbst (72,7 Prozent aus Europa insgesamt), gefolgt von 8,4 Prozent aus den USA, 7,2 Prozent aus China und 3,4 Prozent aus Indien. Auch mengenmäßig sind die Importanteile aus Drittländern bei APIs deutlich höher. Der wichtigste außereuropäische Importpartner ist China mit 22,6 Prozent. Im Jahr 2010 hatte der Anteil noch bei 11,8 Prozent gelegen. Die Autoren betonen jedoch, dass der Wert immer noch weit entfernt sei von den 75 oder 80 Prozent, den die European Fine Chemicals Group (EFCG) oder andere Quellen behauptet hätten.
Importabhängigkeiten auf Produktebene EU27 sind sehr begrenzt
Für 87,5 Prozent aller EU-27-Einfuhren (nach Wert bzw. 82,6 Prozent nach Volumen) erachten die Studienautoren die Abhängigkeit der EU von Importen als gering. Das heißt, es wird wenig von außerhalb der EU importiert und es gibt eine diversifizierte Lieferantenbasis. Bei 6,4 Prozent (wertmäßig) erkennen sie eine begrenzte Abhängigkeit, entweder weil die EU-27 einen erheblichen Anteil aus Drittländern importieren oder die Anzahl von Lieferanten begrenzt ist. Lediglich bei 6,1 Prozent (wertmäßig, 14 Produkte, davon zwölf APIs) stammen mehr als 75 Prozent aus Ländern außerhalb der EU und es gibt nur wenige Lieferanten. Bei diesen Produkten könnte die EU prüfen, wie die Zahl der Lieferanten diversifiziert werden könnte, so ihr Ratschlag, und/oder den Anteil der Extra-EU-Einfuhren verringern, indem sie Anreize für die Produktion in der EU schafft und/oder bilateral oder vertraglich sicherstellt, dass ein Teil des weltweiten Angebots weiterhin für die EU bestimmt ist.
Hohes Maß an Resilienz
Zwischen 2010 und 2019 sind die Einfuhren von Arzneimitteln aus anderen EU-27- und Drittländern in die EU-27 um 71 Prozent gestiegen. Sie nahmen jedoch langsamer zu als die Ausfuhren, was für die Studienautoren darauf hindeutet, dass die EU-27 in den vergangenen zehn Jahren mehr im Inland produziert und/oder einen höheren Exportwert erzielt haben. Außerdem bescheinigt ECIPE der europäischen Arzneimittel- und Wirkstoffproduktion ein hohes Maß an Gesamtresilienz. Auch die COVID-19-Pandemie habe keine wesentlichen Auswirkungen auf den Handel der EU-27 mit Arzneimitteln innerhalb und außerhalb der EU-27 gehabt, so ihre Feststellung. Im Jahr 2020 seien die Einfuhren innerhalb der EU in den akutesten Monaten der Pandemie (März bis Juni 2020) höher als 2019 gewesen, aber danach sei der Handel mit pharmazeutischen Erzeugnissen wieder auf das frühere Niveau zurückgekehrt.
EU hat eine starke und diversifizierte Exportleistung
Die ECIPE-Studie analysiert neben den Import- auch die Exportschwachstellen. Als „Spiegelbild von Importabhängigkeiten“ würden diese häufig ignoriert, schreiben die Autoren, obwohl sie gleichermaßen wichtig seien.
Die EU weist für alle pharmazeutischen Kategorien eine sehr starke Exportleistung auf. Im Jahr 2019 exportierten die EU-27 Erzeugnisse im Wert von 366 Milliarden Euro, von denen 49 Prozent innerhalb der EU gehandelt wurden. Zwischen 2010 und 2019 stieg der Wert der EU-27-Ausfuhren von Arzneimitteln in andere EU-27- und Drittländer um 78 Prozent. Auf letztere entfallen nach Menge 16 Prozent der Ausfuhren. Die EU exportiert hauptsächlich Humanarzneimittel, bei denen sie einen hohen Handelsüberschuss aufweist, aber auch APIs, von denen sie jedoch mengenmäßig mehr ein- als ausführt.
Andere Länder sind stärker von der EU abhängig als umgekehrt
Die ECIPE-Wissenschaftler ziehen aus ihrer Studie einige wichtige Schlussfolgerungen: Die EU-27 selbst sind und bleiben die wichtigste Quelle für Importe und Ausfuhrziele für die Pharmaindustrie der Union. Dies gilt für alle pharmazeutischen Kategorien, einschließlich Generika, Wirkstoffe und komplexere Humanarzneimittel. Zwar mag die EU für einige Produkte vom Rest der Welt abhängig sein kann, aber die Nicht-EU-Länder sind für die Exporte der EU-27 nach Meinung der Autoren viel bedeutsamer als deren Abhängigkeit von Einfuhren aus Drittländern. Sie befürchten deshalb, dass Eingriffe in das System zu Vergeltungsmaßnahmen seitens der Handelspartner der EU-27 führen und damit die Arzneimittel-Ausfuhren beeinträchtigen könnten.
Protektionismus und Autonomie nicht der richtige Weg
Ansätzen wie dem Zurückholen der Produktion, Zwangslokalisierung des verarbeitenden Gewerbes oder Zwangsherstellung von APIs in der EU sowie einem allgemeinen Vorstoß für „mehr Autonomie“ erteilen die RECIPE-Experten deshalb eine klare Absage. Stattdessen empfehlen sie den EU-27, andere Wege zu prüfen, mit denen die strategische Widerstandsfähigkeit weiter erhöht werden könnte. Unter anderem schlagen sie vor, die globalen Lieferketten von Unternehmen zu stärken und sie bei deren Diversifizierung besser zu unterstützen. Außerdem könnten mehr Anreize für die Produktion von Zwischen- und Endprodukten auf EU-27-Basis geschaffen werden.
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Die Autoren verweisen im Übrigen auf ein Arbeitsdokument der EU-Kommissionsdienststellen (Commission Staff Working Document (SWD)) über „Strategische Abhängigkeiten und Kapazitäten“ vom Mai dieses Jahres.
Dieses kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass Protektionismus und Autonomie nicht der richtige Weg zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Arzneimittelproduktion in der EU sind.
2 Kommentare
Keine Aussagekraft
von Jan Oesterwalbesloh am 28.06.2021 um 9:15 Uhr
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Wert und Volumen - toll
von David Becker am 28.06.2021 um 8:48 Uhr
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