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22. Februar 2022
Was da Mayd, ein Start-up-Fahrradkurierdienst für Arzneimittelauslieferungen, seinen potenziellen Investoren über Apotheken erzählte, ist stark, echt so stark, dass man sich nicht wundern muss, wenn solche Start-ups schon bald wieder floppen. So seien die Apotheken in den Augen der Mayd-Gründer so gar nicht auf der Höhe der Zeit, ohne Innovationskraft, nicht digital, sie böten keine Online-Käufe oder Sofortlieferungen, sie hätten Öffnungszeiten, die nicht zu einem urbanen Lebensstil passten (kein 24/7-Service). Und die Beratung sei mangelhaft, es gebe hauptsächlich ungelerntes Verkaufspersonal statt medizinische Berater. Und da die Lieferung aus Holland erfolge, hätten die Apotheken lange Lieferzeiten. Mein liebes Tagebuch, mehr schräges Wissen darüber, wie Apotheken funktionieren, gibt es kaum. Meine Güte, was werfen diese Start-ups da alles durcheinander, um an Investoren-Millionen zu kommen. Mittlerweile soll Mayd diese Aussagen korrigiert haben, wie das Unternehmen wissen ließ. Bei diesem Apothekenbild soll es sich um eine interne, nicht autorisierte Version einer Präsentation aus dem zweiten Quartal 2021 gehandelt haben, die längst korrigiert sei. Die alte Version hätte nicht nach außen gehen sollen. Wie aus einer Stellungnahme von Mayd hervorgeht, scheint man die Meinung über Apotheken mittlerweile geändert zu haben. Gerade die Beratungsqualität der Vor-Ort-Apotheke sei das Kriterium, warum Mayd auf die Zusammenarbeit mit Apotheken setze. Die Mayd-Unternehmer setzen jedenfalls voll und ganz aufs E-Rezept, auf einen 20 Milliarden-Markt, und wollen mit ihren Fahrradkurieren die Rx-Arzneimittel den Apothekenkunden nach Hause liefern. Mein liebes Tagebuch, sie werden merken, dass da mindestens drei dazugehören: der Fahrradkurier, der Patient und die Apotheke.
Dass die Parfümeriekette Douglas den Arzneimittelversender Disapo übernimmt, schreckt den Ärzteverband Freie Ärzteschaft auf. Der Verband warnt davor, der geplante E-Rezept-Start könne „zum Türöffner für die Übernahme des ambulanten Medizinbetriebes durch Großkonzerne“ werden. Dass ein ärztlicher Verband vor solchen Zusammenschlüssen und Übernahmen warnt, begrüßt wiederum die Freie Apothekerschaft. Deren Vorsitzende, Daniela Hänel, nahm dies zum Anlass, einen Leserbrief zu schreiben, in dem sie darauf hinweist, dass durch die Übernahme von Telemedizinern durch Großkonzerne das Edikt von Salerno ausgehebelt wird. Mein liebes Tagebuch, man kann ihr da nur zustimmen. Wer ein Rezept ausstellt, soll nicht an der Abgabe des Arzneimittels verdienen. Wenn allerdings die Telemediziner unter dem Dach eines Konzerns angesiedelt sind, der auch Arzneimittelversand betreibt, dann ist das Prinzip der Trennung von Arzt und Apotheker infrage gestellt. Beispiel: Übernahme des Telemedizinanbieters Teleclinic durch den DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose im Sommer 2020. Ärzte sehen zudem mit großer Sorge die großen Telemedizin-Praxen wie Zava, Dr. Ansay, Gospring und anderen, denn die verdienten an Pseudoverordnungen und elektronischen Krankschreibungen. Die Vorsitzende der Freie Apothekerschaft will nun mit der Freien Ärzteschaft gemeinsam die Politik wachrütteln, um solche Telemedizin-Geschäftsmodelle zu unterbinden. Mein liebes Tagebuch, es muss gelingen, die Politik auf solche Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen. Wenn das E-Rezept erstmal da ist und die Telemedizin-Praxen der Konzerne die Rezepte am Fließband raushauen, kann es zu spät sein. Das muss in die öffentliche gesundheitspolitische Diskussion!
4 Kommentare
@sabine
von Karl Friedrich Müller am 27.02.2022 um 21:43 Uhr
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Personal
von Karl Friedrich Müller am 27.02.2022 um 13:48 Uhr
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AW: Personal
von Sabine Schmeider am 27.02.2022 um 21:14 Uhr
AW: Personal
von FrankConnySabine am 28.02.2022 um 5:48 Uhr
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