„Darstellung der Evidenz bezüglich der Effekte einer medikamentösen Eradikationstherapie im Vergleich zur konservativen, nicht antibiotischen Therapie bei Patientinnen und Patienten mit ≥ 3 Tonsillitiden oder Tonsillopharyngitiden in den letzten 12 Monaten.“
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Rezidivierende Tonsillitis / Mandelentzündung
Antibiotika bei Halsschmerzen – welche, wann und wie lange?
Das Gebot der Stunde lautet, der Entstehung von Antibiotika-Resistenzen vorzubeugen – Antibiotika also beispielsweise nicht bei viralen Atemwegsinfekten einzusetzen. Handelt es sich tatsächlich um eine bakterielle Infektion, wie beispielsweise eine rezidivierende Mandelentzündung, sollte das richtige Antibiotikum über die richtige Dauer angewendet werden. Allerdings ist es in diesen Fragen um die Evidenz bei Tonsillitis relativ schlecht bestellt, wie eine aktuelle Recherche des IQWiG zeigt.
Nicht wenige Patient:innen in der Apotheke suchen diese aufgrund von Halsschmerzen auf. Die S3-Leitlinie zu Halsschmerzen wurde Ende 2020 veröffentlicht und ist noch bis Ende 2025 gültig. Einleitend wird darin als „Versorgungsproblem“ beschrieben, dass bei über 60 Prozent der Halsschmerzpatient:innen Antibiotika verschrieben werden, obwohl bakterielle Ursachen bei Halsschmerzen eher selten seien. Bei der Diagnose Tonsillitis erhöhe sich die Verschreibungsrate sogar auf weit über 80 Prozent.
Warum Antibiotika bei Halsschmerzen?
Es wird betont, dass Halsschmerzen keine generelle Indikation für eine Antibiotikagabe darstellen, selbst wenn sie tatsächlich bakteriell verursacht sind: Das Ziel einer antibiotischen Behandlung von Patient:innen ≥ 3 Jahren mit akuten Halsschmerzen ohne Risikosignale sei in Ländern wie Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden die Verkürzung der Dauer von Krankheitssymptomen und nicht die Vermeidung von Komplikationen.
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Ein extra Kapitel der Leitlinie widmet sich den „Halsschmerzen durch rezidivierende akute Tonsillitiden“. Darin heißt es, dass bei Patient:innen (Alter ≥ 3 Jahre) mit rezidivierenden akuten Tonsillitiden, bei denen eine Tonsillektomie nicht möglich oder nicht erwünscht ist, einmalig ein Versuch zur medikamentösen Eradikation der Erreger unternommen werden kann. Dies soll während der Episode einer akuten Tonsillitis mit
- Amoxicillin/Clavulansäure oder
- Clindamycin geschehen.
So sollen beta-hämolysierende Streptokokken im Pharynx beseitigt werden. Die medizinisch bedeutendste Art der β-hämolysierenden Streptokokken ist Streptococcus (S.) pyogenes – „die landläufig auch als ‚A-Streptokokken‘, Gruppe A-Streptokokokken (GAS) bezeichnet wird, da sie (aber nicht ausschließlich) das C-Polysaccharid-Antigen der Gruppe A enthalten“.
S. pyogenes kann eine Vielzahl von Krankheitsbildern verursachen, darunter die bekannte Tonsillopharyngitis / „Angina“ oder auch Scharlach – eine Angina mit einem charakteristischen Exanthem.
Leitlinie zur Tonsillitis wird für mehr Evidenz überarbeitet
Während S3-Leitlinien dem höchsten Evidenzgrad entsprechen, gibt es auch noch eine S2k-Leitlinie zur Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis. Da das Wissen in einer solchen Leitlinie nicht systematisch gesammelt und bewertet wurde, ist die Grundlage für die Empfehlungen weniger verlässlich. Die Tonsillitis-Leitlinie war jedoch nur bis August 2020 gültig und befindet sich derzeit in Überarbeitung. Mit der Überarbeitung soll auch aus der S2k-Leitlinie eine S3-Leitlinie werden, das erklärt eine vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im November veröffentlichte Evidenzrecherche, die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Oktober 2021 beauftragt hatte. Die Recherche umfasst insgesamt fünf Evidenzberichte, wovon zwei sich mit der medikamentösen Eradikation und der Dauer der Antibiotikatherapie bei Tonsillitis befassen. In einem Bericht wurde folgende Fragestellung hinsichtlich der Evidenzlage bewertet:
Es konnten demnach drei randomisierte klinische Studien zu dieser Frage identifiziert werden. Nur zwei berichteten jedoch verwertbare Daten zu den kritischen Endpunkten und auch diese ließen sich nicht direkt auf die Situation in Deutschland übertragen, etwa wegen anderer Dosierungen als sie in Deutschland üblich sind. „Für den Großteil der kritischen Endpunkte (Mortalität, Häufigkeit von Scharlachepisoden, eitrige Folgeerkrankungen, nicht eitrige Folgeerkrankungen und Häufigkeit von Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen) wurden keine oder keine verwertbaren Daten berichtet“, heißt es. Damit können keine hochwertigen, nicht randomisierten prospektiv vergleichenden Studien zu der Fragestellung identifiziert werden. Lediglich eine ältere Studie ist gesichtet worden. Aufgrund der geringen Stichprobengröße (N = 54) und geringer Qualität wurde diese jedoch nicht berücksichtigt. In dieser Studie von 1991 wurde die Anwendung von Clindamycin untersucht. Es gibt also zu der oben genannten Fragestellung laut den Recherchen des IQWiG keine verwertbaren Daten.
Wie lang sollte die Antibiotikatherapie bei Tonsillitis sein?
Ist es um die Evidenz zur zweiten Fragestellung besser bestellt – also dazu, wie die Effekte einer kurzen Antibiotikatherapie im Vergleich zu einer länger andauernden Antibiotikatherapie bei Patientinnen und Patienten mit akuter Tonsillitis / Pharyngitis oder Tonsillopharyngitis zu beurteilen sind?
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Doch nicht immer die ganze Antibiotika-Packung?
Tatsächlich konnten in dieser Evidenzrecherche 14 Studien mit verwertbaren Daten identifiziert werden – sieben davon zu Kindern, fünf zu Erwachsenen, eine zu Jugendlichen (plus Erwachsene) und eine ohne Altersgruppenzuteilung. Fast alle Studien machten laut dem Evidenzbericht Angaben zur Eradikation der GABHS (Gruppe A beta-hämolysierende Streptokokken) und die meisten haben über unerwünschte Ereignisse berichtet. Allerdings handelt es sich größtenteils um ältere Studien, sodass die Übertragbarkeit auf den aktuellen deutschen Versorgungskontext fraglich ist. Zudem wurden in einigen Studien unterschiedliche Wirkstoffe aus einer Wirkstoffgruppe miteinander verglichen, sodass Effekte nicht nur auf die unterschiedliche Dauer der Antibiotika-Therapie zurückzuführen sind. Es bleibt also auch in diesem Fall spannend, was die überarbeitete Leitlinie empfehlen wird.
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Orientierung bei Halsschmerzen
Laut RKI ist die Therapie der Wahl bei Rachen- und Hautinfektionen mit S. pyogenes die 10-tägige Gabe von Penicillin bzw. Amoxicillin oder Ampicillin (oral oder parenteral). „Einige Veröffentlichungen empfehlen kürzere Therapiedauern“, heißt es. Ein auf 5 Tage verkürztes Regime mit oralen Cephalosporinen sei für Kinder gleichwertig. Die S3-Leitlinie zu Halsschmerzen empfiehlt derzeit
- „Amoxicillin/Clavulansäure (Kinder: 60-100 mg/kg KG/Tag verteilt auf 3 ED, Erw.: 2 x 1 g/Tag per os für 7 Tage) oder
- Clindamycin (Kinder: 20 mg/kg KG/Tag verteilt auf 3 ED bzw. Erw.: 3 x 300 mg/Tag per os für 7 Tage)“ für einen Eradikationsversuch bei rezidivierenden akuten Tonsillitiden.
Jedoch sind auch vor der Indikationsstellung zur medikamentösen Erregereradikationstherapie deren unerwünschte Nebenwirkungen immer gegen die Spontanheilungsrate auch bei rezidivierender akuter Tonsillitis abzuwägen.
Drei Tage Penicillin-Einnahme nicht ausreichend
Wird bei Halsschmerzen generell eine Antibiotika-Therapie erwogen – also nicht bei rezidivierender aktuer Tonsilits – heißt es zur Auswahl des Wirkstoffs und Therapiedauer in der Leitlinie, dass Penicillin das Antibiotikum der ersten Wahl ist, „da es aufgrund seines engen Spektrums das geringste Schadenpotenzial hat“. Auf Cephalosporine solle in Anbetracht der Resistenzprobleme und auch der Kosten verzichtet werden. Die Länge der Therapie ergebe sich aus dem Therapieziel:
„Geht es primär um die Verkürzung der Symptomdauer, reicht eine Einnahmedauer von fünf bis sieben Tagen Penicillin aus. Eine genauere Eingrenzung ist nach Datenlage derzeit nicht möglich. Drei Tage Penicillin-Einnahme werden jedoch als nicht ausreichend erachtet.“
Eine 10-tägige Penicillin-Einnahme wird laut Halsschmerz-Leitlinie lediglich beim Therapieziel der Eradikation als notwendig erachtet.
Es gibt also bereits Empfehlungen, wann welche Antibiotika bei Halsschmerzen wie lange angewendet werden sollten. Da es um die Evidenz dazu aber auch aktuell noch eher schlecht bestellt ist – wie die Evidenzberichte des IQWiG zeigen –, bleibt abzuwarten, was die neue Leitlinie zur Tonsillitis künftig empfehlen wird.
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