Monoklonaler Antikörper Briumvi

Zulassungsempfehlung für Ublituximab bei Multipler Sklerose

Stuttgart - 06.04.2023, 16:44 Uhr

Bei Multipler Sklerose führt eine Demyelinisierung der Nervenfasern zu motorischen und neuralen Symptomen. (Foto: freshidea / AdobeStock)

Bei Multipler Sklerose führt eine Demyelinisierung der Nervenfasern zu motorischen und neuralen Symptomen. (Foto: freshidea / AdobeStock)


Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA empfiehlt die Zulassung von Briumvi (Wirkstoff Ublituximab) für die Therapie der schubförmigen Multiplen Sklerose. Die Schubrate und die Zahl inflammatorisch bedingter Läsionen konnten durch den CD20-Antikörper in Studien deutlich reduziert werden. 

Am 30. März 2023 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) die Weichen für die Zulassung von Briumvi gestellt. Das Präparat soll künftig bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit aktiver schubförmiger Multipler Sklerose (MS) eingesetzt werden können. Das intravenös zu verabreichende Arzneimittel soll als 150-mg-Konzentrat für Infusionslösungen verfügbar werden. Antragsteller ist die „Propharma Group The Netherlands B.V.“. In Briumvi ist der monoklonale Antikörper Ublituximab enthalten. Dieser bindet an CD20-exprimierende B-Zellen, die bei Entzündungen des zentralen Nervensystems von MS-Patienten und -Patientinnen beteiligt sind. 

Die monoklonalen CD20-Antikörper Ocrelizumab, Ofatumumab und Rituximab (off-label) sind bereits auf dem Markt und können bei MS eingesetzt werden. Das „glykotechnisch“ veränderte Ublituximab ist durch eine alterierte Glykosylierung auf der Antikörperoberfläche besonders zytotoxisch gegenüber B-Zellen und depletiert diese in Zellversuchen sehr effektiv. Wie waren Vorgehen und Ergebnisse der Zulassungsstudien?

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In den Studien ULTIMATE I und ULTIMATE II konnte Ublituximab die jährliche Rezidivrate akuter Nervenentzündungen um ungefähr die Hälfte (59 Prozent und 49 Prozent) senken. In den zwei Phase-3-Studien hat eine Patientengruppe den CD20-Antikörper in verschiedenen Dosierungen via Infusion erhalten (150 mg beim ersten Mal, dann insgesamt viermal 450 mg), die andere Studiengruppe nahm täglich oral 14 mg Teriflunomid ein. 

Teriflunomid gehört laut Leitlinie zu den MS-Wirkstoffen der Wirksamkeitskategorie 1, die eine relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 30 bis 50 Prozent aufweisen. Alemtuzumab, die bereits verfügbaren CD20-Antikörper (Ocrelizumab, Ofatumumab, Rituximab) und Natalizumab zählen zur Wirksamkeitskategorie 3. Das bedeutet, dass sie die Schubrate um > 60 Prozent im Vergleich zu Placebo oder > 40 Prozent im Vergleich zu Substanzen der Kategorie 1 reduzieren.

Ublituximab mindert körperliche Einschränkungen gegenüber Teriflunomid nicht signifikant

Die randomisierten, doppel-blinden, aktiv kontrollierten Studien wurden mit 549 (ULTIMATE I) bzw. 545 (ULTIMATE II) Patientinnen und Patienten (durchschnittlich 24,5 bis 37,0 Jahre alt) über 96 Wochen durchgeführt. Vor den Studien erlebten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Durchschnitt 1,2 bis 1,4 Schübe jährlich, unter Ublituximab 0,08 und unter Teriflunomid 0,19 (ULTIMATE I), bzw. 0,09 und 0,18 akute Krankheitsanfälle im Jahr in der ULTIMATE-II-Studie. Entzündlich bedingte Läsionen, die im Magnetresonanztomografen sichtbar wurden, waren unter Ublituximab ebenfalls geringer als mit Teriflunomid.

Bei Verschlechterungen von körperlichen Einschränkungen, die durch die Läsionen im Gehirn entstehen, konnte Ublituximab allerdings keine signifikante Überlegenheit gegenüber Teriflunomid zeigen: Bei 5,2 Prozent der Teilnehmenden verschlechterten sich körperliche Einschränkungen unter Ublituximab, bei 5,9 Prozent unter Teriflunomid, ermittelt durch eine gemeinsame Analyse beider Studien.

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Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren Reaktionen auf die Infusion (Hautrötungen, Schmerzen an der Einstichstelle, bei knapp 50 Prozent der Teilnehmenden) und Infektionen, hauptsächlich der oberen Atemwege. 

Die verschiedenen Formen der Multiplen Sklerose

Multiple Sklerose ist eine entzündlich-demyelinisierende Erkrankung des zentralen Nervensystems, die chronisch verläuft. B-Zellen sind bei der Zerstörung der Myelinscheiden der Nervenzellen mitbeteiligt, daher gilt die Depletion der B-Zellen als vielversprechender Therapieansatz. 

Der Großteil der Patientinnen und Patienten wird bei Krankheitsbeginn mit einer schubförmig-remittierenden MS diagnostiziert, bei der zwischen den Schüben eine vollständige Remission eintritt. Bei der schubförmig-progredienten MS ist ein fortschreitender Verlauf erkennbar, jedoch sind einzelne Schübe klar abzugrenzen und es kann zur vollständigen Remission zwischen den Schüben kommen. Von den schubförmig verlaufenden MS-Ausprägungen sind die chronisch-fortschreitenden Formen zu unterscheiden, bei denen die Erkrankung im Zeitverlauf an Schwere zunimmt, ohne dass Schübe auszumachen sind. 

„Aus arzneimittelregulatorischer Sicht wichtig ist zudem die Einteilung der MS-Verlaufsformen durch die European Medicines Agency (EMA). Sie unterscheidet in RMS (relapsing MS: MS mit Schüben), SPMS [sekundär progrediente MS] und PPMS [primär progrediente MS], wobei die RMS die RRMS [schubförmig remittierende MS] und SPMS mit überlagerten Schüben (d. h. aktive SPMS) umfasst“, heißt es in der aktuellen MS-Leitlinie.


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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