Was ist drin?

Kosmetik für das Mikrobiom der Haut

Stuttgart - 25.04.2023, 07:00 Uhr

Vor allem in der Behandlung von atopischer Dermatitis setzen viele Hersteller auf Inhaltsstoffe, die das Mikrobiom der Haut beeinflussen sollen. Welche sind das? (Foto: triocean / AdobeStock)

Vor allem in der Behandlung von atopischer Dermatitis setzen viele Hersteller auf Inhaltsstoffe, die das Mikrobiom der Haut beeinflussen sollen. Welche sind das? (Foto: triocean / AdobeStock)


Ist die natürliche Hautflora intakt, fühlt sich die Haut wohl – so die zugrunde liegende Idee mikrobiotischer Kosmetik. Woran aber erkennt man mikrobiotische Hautpflege, was ist drin und welche Effekte sind erforscht? 

Das Hautmikrobiom eines jeden Einzelnen ist äußerst individuell zusammengesetzt und von zahlreichen Faktoren abhängig, zum Beispiel: Alter, Klima, Hautzustand, Hauttyp und -areal, Ernährung, ethnische Zugehörigkeit, Haustierkontakt, Kosmetik und Hygiene. Die individuelle Besiedlung der Haut sollte stets in diesem Kontext betrachtet werden. Denn das gesunde Mikrobiom einer Person kann beispielsweise in einem anderen Umfeld weniger optimal sein. 

Wie sinnvoll sind dann überhaupt mikrobiotische Hautpflegeprodukte für die breite Anwendung, welche gibt es bereits auf dem Markt und was verbirgt sich dahinter?

Ein Phagen-Endolysin gegen Staphylococcus aureus 

Wer in der Apotheke regelmäßig zu Kosmetik berät, dem ist sicherlich schon die noch relativ neue „Lipikar Eczema med“ Creme von La Roche Posay aufgefallen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Kosmetik, sondern ein Medizinprodukt. Es wird damit beworben, dass es „auf Mikrobiomwissenschaft“ basiert und soll bei Anzeichen von Ekzemen helfen – wie Entzündungen, Hautreizungen, Juckreiz durch trockene Haut und Rötungen – und am besten im Kühlschrank aufbewahrt werden. Was ist drin, das unser Haut-Mikrobiom beeinflusst? 

Beworben wird der Inhaltsstoff „Endobioma“. Er soll gezielt gegen Bakterien wirken, die als Hauptursache für Entzündungen der Haut gelten. „Gleichzeitig unterstützt der Wirkstoff Endobioma die Haut dabei, die wichtigen Bakterien für die Gesundheit der Haut zu erhalten“, heißt es laut Hersteller, der sich dabei auf einen In-vitro-Test beruft.

Mehr zum Thema

Auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Antibiotika-Resistenzdilemma

Bakteriophagen auf dem Prüfstand

Bakteriophagen – die Lösung im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen?

Angriff der Bakterienfresser

La Roche Posay gehört zur Firma L’Oréal. Von Forschenden dieser Firma wurde im Jahr 2021 im „Journal of Drugs in Dermatology“ eine Studie veröffentlicht, die verrät, dass sich hinter dem Markennamen Endobioma ein Endolysin verbirgt. Dieses soll sich topisch angewendet gegen Staphylococcus aureus richten und so bei Menschen mit atopischer Dermatitis signifikant die Symptome und Lebensqualität verbessern. Endobioma wird teils auch „Staphefekt SA.100“ genannt. 

Wenn Apothekerinnen Endolysin lesen, denken sie vermutlich zunächst an Antibiotikaresistenzen und die Phagenforschung. Endolysine sind nämlich die Stoffe, mit denen Bakteriophagen die Zellwände von Bakterien zerstören. Was wurde in der Studie nun genau untersucht?

Auch an Kindern mit atopischer Dermatitis getestet

In-vitro-Untersuchungen im Rahmen der Studie zeigten, dass 1g der Endobioma-Formulierung innerhalb von 30 Minuten 99,99 Prozent von S. aureus zerstört. Die Nachweisgrenze war nach einer Stunde erreicht. Zudem wurden 43 Patienten (zwischen 7 Monaten bis 57 Jahren) mit leichter bis mittelschwerer atopischer Dermatitis in die zweiwöchige, offene Studie eingeschlossen. Der Schweregrad der Erkrankung, bewertet nach SCORAD-Kriterien (SCORing of Atopic Dermatitis), reduzierte sich – wenn die Patienten ihre bisherige Pflege gegen die neue austauschten – um 43 Prozent in 7 Tagen und um 68 Prozent in 14 Tagen. Kein Studienteilnehmer hatte Verträglichkeitsprobleme. Die Teilnehmenden gaben an, die Formulierung zwei bis dreimal täglich aufgetragen zu haben.

Zusätzlich durfte „Lipikar Syndet AP+“ zur täglichen Reinigung verwendet werden. Diese Duschcreme wird unter anderem mit dem Inhaltsstoff „präbiotisches Aqua Posae Filiformis“ beworben, einem thermischen Bakterienextrakt, der aus dem Bakterium Vitreoscilla Filiformis gewonnen werde. Es handelt sich aber um ein Kosmetikum, das nicht explizit mit einer mikrobiotischen Wirkung beworben wird.

Zur Einordnung der Ergebnisse verweisen die Forscher:innen auf eine Cochrane-Arbeit von 2019, die gezeigt habe, dass bislang Therapien bei atopischer Dermatitis, die sich gegen S. aureus richten, vor allem bei Kindern eher nicht zu einer Symptom-Verbesserung und Besserung der Lebensqualität geführt haben. Endobioma sollte man ihrer Meinung nach in dieser Anwendung aber weiter untersuchen.

Mikrobiotische Kosmetik – keine Resistenzgefahr?

Für einige Pharmazeuten klingt der Inhaltsstoff Endobioma wohl eher nach einem Arzneimittel als nach einem Medizinprodukt. Da liegt der Gedanke nicht fern, dass Antibiotika in Kosmetika (oder Medizinprodukten) aufgrund der Gefahr einer Resistenzentwicklung generell nicht zu empfehlen sind. Den Autoren der Studie zufolge besteht die Gefahr für eine Resistenzentwicklung bei Endolysin aber nicht – unter anderem, weil es sehr spezifisch S. aureus angreife, dabei andere (nützliche) Bakterien nicht schädige und durch den Angriff der Zellwand von außen viele Resistenzmechanismen umgehen könne.

In Kombination mit einer tatsächlichen Arzneimittel-Therapie, nämlich mit topischen Glucocorticoiden, brachte Endobioma laut den Erläuterungen in der Studie keinen Vorteil. Für Menschen, die aber „Cortison“ vermeiden wollen, erkennen die Forscher an dieser Stelle dennoch Potenzial für die Anwendung von Endobioma.

Jenseits von diesem konkreten Produkt – woran erkennt man eigentlich ein gesundes Mikrobiom der Haut?

Basistherapie bei Neurodermitis

Stabile Schutzschicht

Obwohl das Hautmikrobiom oder dessen mikrobiologischer Fingerabdruck in seiner Zusammensetzung von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind, und die Frage nach dem sogenannten gesunden Mikrobiom nicht pauschal zu beantworten ist, gibt es dennoch Merkmale, die eine gesunde oder kranke Hautflora auszeichnen. Studien zur atopischen Dermatitis haben gezeigt, dass antimikrobielle Peptide reduziert vorliegen können und in den Läsionen bei atopischer Dermatitis teils hohe Konzentrationen an Staphylococcus aureus gefunden werden, beziehungsweise eine deutlich verringerte Diversität der besiedelnden Mikroorganismen. Staphylococcus epidermidis wiederum gilt als „gesunder“ Gegenspieler von Staphylococcus aureus.

Pro-, Prä- und Postbiotika – was ist mikrobiotische Hautpflege überhaupt?

Mikrobiotische Hautpflege lässt sich laut einer Publikation der „Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche und angewandte Kosmetik“ in drei Gruppen gliedern:

  • „Unter Probiotika versteht man im Bereich der Kosmetik lebende oder lebensfähige Mikroorganismen, die, sofern sie auf die Haut appliziert werden, einen kosmetisch relevanten Effekt bewirken bzw. diesen vermitteln. Dieser Effekt kann direkt erfolgen oder über den Einfluss des Probiotikums auf das Hautmikrobiom.“ Dass die eingesetzten Mikroorganismen natürlich auf der Haut vorkommen, ist dabei keine Voraussetzung.
  • „Als Präbiotika im Bereich der Kosmetik werden Stoffe oder Substanzen bezeichnet, die, wenn sie auf die Haut aufgebracht werden, bestimmte Mikroorganismen des Hautmikrobioms in ihrem Wachstum oder ihrer Aktivität selektiv beeinflussen und dadurch einen kosmetisch relevanten Effekt hervorrufen.“ Beispiele wären Inulin, Joghurtextrakt, bestimmte Zucker oder Lipide.
  • „Als Postbiotika werden Substanzen bezeichnet, die direkt aus Mikroorganismen gewonnen werden oder aus inaktivierten Mikroorganismen [auch Paraprobiotika] bestehen (WHO, 2001), die, wenn sie auf die Haut aufgebracht werden, gewünschte kosmetische Attribute oder Effekte vermitteln.“ Ein typisches Beispiel wäre die Milchsäure, die von Lactobacillus Arten stammt.

Das oben erwähnte „präbiotische Aqua Posae Filiformis“ wäre nach dieser Definition also eher als „postbiotisch“ zu bezeichnen. Allerdings gibt diese Gliederung keinen Aufschluss darüber, welcher Inhaltsstoff in einem Kosmetikum im Einzelfall zielführend ist. Doch es gibt weitere mikrobiotische Hautpflegeprodukte auf dem Markt mit entsprechenden Werbeversprechen.

Ein in Apotheken bekannter Name ist „Symbioflor“, und tatsächlich gibt es parallel zu den Produkten zum Einnehmen aus dieser Reihe auch Hautpflege-Produkte unter dem Namen „Symbio Dermal“. Beworben werden sie als „probiotische Hautpflege“ und sollen unter anderem Bakterienlysat aus Enterococcus faecalis und Echerichia coli (Inaktivierte Bakterien) enthalten. In einer Pressemitteilung der Firma von Oktober 2022 heißt es: „Das Bakterienlysat aus nicht-krankmachenden E. coli und Enterococcus faecalis-Bakterien hat die Fähigkeit, Immunvorgänge in Hautzellen zu modulieren, wie eine Laborstudie für die Zulassung gezeigt hat.“ Die Präparate sollen bei trockener und zu Neurodermitis neigender Haut helfen.

AktivaDerm® ND bringt das Mikrobiom der Haut in Balance

Probiotische Pflege für atopische Haut

Das apothekenexklusive Kosmetikum AktivaDerm® ND wirbt wohl mit dem breitesten Spektrum an mikrobiotischen Inhaltsstoffen – es enthält den patentierten Bakterienkomplex Baplexin® 621, der sich aus neun probiotischen Bakterienstämmen zusammensetzt: Bifidobacterium lactis, Lactobacillus gasseri, Lactobacillus plantarum, Bifidobacterium longum, Lactobacillus johnsonii, Lactobacillus reuteri, Streptococcus thermophilus, Lactobacillus paracasei und Lactobacillus rhamnosus. Die Bakterien seien lyophilisert und liegen als Pulverkonzentrat im Gemisch mit den Präbiotika Inulin und Maltodextrin vor, heißt es. AktivaDerm® ND soll sich auch bei atopischer Dermatitis gegen problematische S.-aureus-Bakterien richten. Allerdings handelt es sich um keine Creme, sondern um ein Pulver, das in handwarmes Wasser eingerührt wird, in dem die betroffenen Hautstellen gebadet werden sollen.

Ein Lactobacillus-Extrakt-Filtrat für Staphylococcus epidermidis 

Die Firma „Belano Medical“ wirbt wiederum beispielsweise mit dem Wirkstoff Stimulans® in „ibiotics med“ aus dem Milchsäurebakterium Lactobacillus brevis DSM17250. Das Lactobacillus-Extrakt-Filtrat soll das Wachstum von Staphylococcus epidermidis stimulieren. In einer Studie aus dem Jahr 2016 von der Organobalance GmbH (Vorläufer von Belano Medical), welche die Hautpflege-Serie Ibiotics auf den Markt gebracht hat, wurde die Wirkung von Lactobacillus brevis DSM17250 auf das Hautmikrobiom und dessen spezifische stimulierende Wirkung auf das Wachstum von Staphyloccocus epidermidis untersucht: Gesunde Probanden mit diagnostizierter trockener Haut (Xerodermie, Xerosis cutis) wurden mit einer L. brevis DSM17250 angereicherten Salbenformulierung behandelt. 

Belano Medical entwickelt Produkte auf Bakterienbasis

Das Mikrobiom im Fokus

Nach vier-wöchiger täglicher Anwendung beschreiben die Autoren eine erhebliche mikrobielle Verbesserung des Hautzustands. Diese soll auch zu einer deutlich verbesserten Hautbarrierefunktion mit geringerem transepidermalen Wasserverlust (TEWL) und zu geringeren Symptomen durch Xerodermie (Xerosis cutis) geführt haben.  

Gibt es mikrobiotische Kosmetik gegen Akne?

Akne vulgaris geht mit einer vermehrten Besiedlung mit Propionibacterium acnes einher. Da liegt die Fragestellung nicht fern, ob mikrobiotische Hautpflege auch bei Akne Linderung schaffen könnte. In einem 2020 erschienen Review aus dem Iran auf Grundlage einer Datenbankrecherche haben Forscher beispielsweise festgestellt, dass Staphylococcus epidermidis auch übermäßiges Wachstum von P. acnes hemmen kann. Als antimikrobieller Zusatz in kosmetischen Formulierungen könne zudem Lactococcus sp. die von P. acnes produzierten Entzündungsmediatoren verringern, heißt es.

Auch die in der Apotheke bekannte Marke „Galderma“ bietet in der Produkteserie „Benzacare“ eine Feuchtigkeitspflege mit dem Namen „Mikrobiom Equalizer“ an. Sie soll zur Akne neigende Haut nach der Behandlung beruhigen. „Eine auf Probiotika basierende Technologie unterstützt das natürliche Haut-Mikrobiom“, heißt es auf der Internetseite. Der Lauer-Taxe (Stand: 12.4.2023) ist der Inhaltsstoff „Lactobacillus-Ferment“ zu entnehmen.

Werbeaussagen mit Haken

Ob lebende Mikroorganismen grundsätzlich als kosmetischer Rohstoff zugelassen sind, ist laut der „Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche und angewandte Kosmetik“ noch nicht abschließend geklärt. In einer Literaturrecherche aus den USA zu Studien und Übersichtsarbeiten bewerteten Forscher im Jahr 2019 die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse zu Probiotika für die Anwendung auf der Haut. Demzufolge haben topische Probiotika ihre Wirksamkeit in einigen begrenzten Studien gezeigt, insbesondere in der Behandlung von Akne, atopischer Dermatitis und Rosazea. Die Autoren verweisen etwa auf Studien, bei denen Hautmikroben wie Lactobacillus, Bifidobacterium oder Streptococcus kutane immunregulatorische Wirkungen zeigten. Dennoch gibt es laut den Autoren einen Mangel an Literatur zu den Sicherheitsprofilen, dem Wirkmechanismus und dem therapeutischen Potenzial von topischen probiotischen Produkten. Auch regulatorische Fragestellungen seien noch offen. 

Aktualisierte europäische Leitlinie empfiehlt Biologika und JAK-Inhibitoren

Was gibt es Neues bei atopischer Dermatitis?

Neue Strategien und Entwicklungen zur Prävention und Therapie der Neurodermitis

Proaktiv, mikrobiotisch, antientzündlich

Wie die Hautbarriere gestärkt werden kann

Schutz vor Schaden

Werbeaussagen für Kosmetika sind hierzulande nach gemeinsamen Kriterien gemäß Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 zu richten. Sie sollen dem Verbraucher eine fundierte Entscheidung für das kosmetische Mittel ermöglichen. Dennoch mangelt es auch in Deutschland im Kontext Mikrobiom an einheitlich definierten Bewertungskriterien. Aussagen zu Prä- und Probiotika in Kosmetika werden teilweise vom Darm-Mikrobiom-Kontext abgeleitet. Für Laien ist kaum zu beurteilen, ob diese gleichermaßen für Topika relevant oder zutreffend sind. Zudem basieren Aussagen wie „Mikrobiomfreundlich“ oder „Mikrobiom-schonend“ nicht auf einheitlichen Testmethoden. Sie reichen, je nach Produkt, von in-vitro Tests bis zu klinischen Studien. Dabei bleibt fraglich, ob in-vitro Tests ausreichen, um daraus auf eine Wirkung in-vivo zu schließen. 

Zusammengenommen bedeutet dies für Verbraucher, dass Aussagen von Herstellern, die zudem auch Marketingaspekten folgen, kaum zu bewerten sind, da schlicht eine Basis für Vergleiche fehlt.


Tatjana Ortinau, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.