2017

Ein Schicksalsjahr für Apotheker

Berlin - 29.12.2016, 13:20 Uhr

Quo vadis, Apotheke? Im Jahr 2017 könnten sich mehrere wichtige Weichen für die Apotheker stellen. Denkbar ist derzeit fast alles. (Foto: dpa)

Quo vadis, Apotheke? Im Jahr 2017 könnten sich mehrere wichtige Weichen für die Apotheker stellen. Denkbar ist derzeit fast alles. (Foto: dpa)


Während sich 2016 dem Ende nähert, blicken viele Apotheker bereits gespannt ins nächste Jahr: 2017 könnten sich gleich mehrere Weichen für Pharmazeuten stellen. Denkbar ist derzeit fast alles. Von einer Abschaffung der Rx-Preisbindung, der Einführung neuer Beratungspauschalen einerseits bis hin zur kompletten Erhaltung des Status Quo.

Vor einigen Tagen haben wir Sie darüber informiert, welche Gesetze und Regelungen sich zum 1. Januar für die Apotheker ändern. Mindestens genauso spannend  ist ein Blick darauf, was sich 2017 für die Apotheker ändern könnte. DAZ.online hat zusammengefasst, welche wichtigen politischen Entscheidungen im kommenden Jahr anstehen und in welche Richtungen sich der Apothekenmarkt verändern könnte:

Versandhandel: Könnten die Apotheker sechs Monate in die Zukunft blicken, hätten viele wahrscheinlich nur eine Frage: Hat der Bundestag das Rx-Versandhandelsverbot beschlossen? In der Tat fällt eine Beantwortung dieser Frage derzeit extrem schwer. Klar, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat einen umfassenden Referentenentwurf vorgelegt, der das Verbot vorsieht und sich wie ein Liebeslied für die inhabergeführte Apotheke vor Ort liest. Doch es ist überhaupt nicht gewiss, dass dieser Entwurf seinen Lauf nimmt und im Sommer vom Bundestag beschlossen wird. Zu viele Gegner hat Gröhes Plan: Der Koalitionspartner SPD wehrt sich vehement gegen die Pläne des Ministers, gleichzeitig wird Gröhe von den Medien beschossen, weil er vor der Apothekerlobby „einknicke“.

Unklar ist auch, ob Gröhe in der eigenen Fraktion Rückendeckung für das Rx-Versandverbot bekommt. Der letzte Apotheker im Bundestag und Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sieht das Verbot kritisch und will andere Lösungen. Auch andere Unionsabgeordnete hatten skeptisch reagiert. Sollte sich die SPD in dieser Frage durchsetzen, würde sich was den Versandhandel betrifft, wenig ändern: Die Gesundheitsexperten der SPD-Fraktion haben sich geschlossen gegen ein Rx-Versandverbot ausgesprochen. In einem anderen Punkt könnte sich nach dem Willen der SPD im kommenden Jahr allerdings einiges tun. Der wäre:

Rx-Boni: Der EuGH erlaubt es ausländischen Versandapotheken, Kunden in Deutschland Rx-Boni zu gewähren. DocMorris gewährt seinen Kunden seitdem wieder Boni bis zu 12 Euro pro Rezept. Spannend wird, wie sich die Boni-Frage in 2017 weiterentwickelt. Denn kommt das Rx-Versandverbot nicht, stehen die inländischen Versender bereits in den Startlöchern und wollen auch Rx-Boni anbieten. Ihr Vorschlag: Aufhebung der Rx-Preisbindung in Deutschland und Umstellung auf ein Höchstpreismodell. Unterstützung bekommen sie dabei übrigens von den Krankenkassen.

Wenn sich die SPD in der Versand-Frage im kommenden Jahr durchsetzt, wird also zu klären sein, inwiefern auch deutsche Versandapotheken Boni gewähren dürfen. Dabei fällt auf, dass sich die Sozialdemokraten in dieser Frage noch nicht einmal untereinander einig sind. Die Apothekenexpertin Sabine Dittmar und Edgar Franke (Vorsitzender des Gesundheitsausschusses) meinen, dass man die Boni im Sozialrecht sogar komplett verbieten könnte. Fraktionsvize Karl Lauterbach hingegen spricht sich für mehr Wettbewerb bei den Preisen aus. Im Gespräch wäre dann ein sogenannter Boni-Deckel, also ein gewisser Betrag, bis zu dem deutsche Apotheken Boni gewähren dürften.

Wird das Apothekenhonorar komplett reformiert?

Apothekenhonorar: An die Frage um die Zukunft der Rx-Boni in Deutschland schließt sich aber eine viel weitreichendere Thematik an: Wie geht es im nächsten Jahr weiter mit dem Apothekenhonorar? Die SPD und die Versandapotheken sehen das EuGH-Urteil als Chance und wollen das Vergütungssystem der Apotheker gänzlich umwälzen. Die Versender fordern Höchstpreise – Apotheken könnten dann ihrer Honorare bis zu einer gewissen Grenze selbst gestalten. Im Gespräch sind auch zusätzliche Beratungshonorare. Karl Lauterbach fordert gewissermaßen als Ausgleich für die Boni-Freigabe, dass Apotheken Pauschalen abrechnen können, wenn sie abgetrennte Beratungskabinen einrichten.

Kurioserweise ist es nur die SPD selbst, die eigentlich alle Honorar-Debatten in die nächste Legislaturperiode verbannen wollte. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) – zuständig für die Apothekervergütung – hatte im vergangenen Jahr eine umfassende Analyse des Honorars in Auftrag gegeben, um zu schauen, ob und wie sich die Vergütung verändern muss. Das Gutachten soll im Herbst 2017, kurz vor der Bundestagwahl, präsentiert werden. Bis dahin soll sich an der Arzneimittelpreisverordnung nach den Wünschen des BMWi gar nichts verändern. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hatte sich zuletzt jedenfalls gegen ein Beratungshonorar ausgesprochen. Das koste nur mehr Geld, vielmehr wolle er alles beim Alten belassen. Die Position der ABDA in dieser Frage für das Jahr 2017 ist klar: Das Fixhonorar und die 3-Prozent-Marge sollen auch nach dem 2017-Gutachten erhalten bleiben. Zusätzlich fordert DAV-Chef Fritz Becker regelmäßige Überprüfungen des Fixhonorars. Und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt wünscht sich dazu noch zusätzliche Honorare für pharmazeutische Dienstleistungen.

Fest steht, dass die Apotheker im kommenden Jahr an zwei Stellen mehr Geld bekommen werden. Noch im ersten Quartal des Jahres 2017 könnte der Bundestag das Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) beschließen. Darin enthalten: Ein neues Fixhonorar für die Rezepturherstellung sowie ein höherer Abschlag für die BtM-Abgabe. In den ersten Wochen des Jahres können die Bundestagsfraktionen das Gesetz allerdings noch über Änderungsanträge abändern. Im Sommer hatten sich einige Gesundheitsexperten der Union und SPD in diesem Zusammenhang dafür ausgesprochen, die 3-Prozent-Marge zu deckeln.

Kommen mehr pharmazeutische Dienstleistungen hinzu?

Pharmazeutische Dienstleistungen: Was die Weiterentwicklung des Apothekerberufes betrifft, mussten die Pharmazeuten in 2016 einige Niederlagen hinnehmen. Die erste Ausschüttung des millionenschweren Innovationsfonds lief an den Pharmazeuten vorbei. Gleichzeitig beschweren sich einige Aufsichtsbehörden der Krankenkassen weiterhin darüber, dass Apotheker laut Sozialrecht gar nicht dazu befähigt sind, andere Dienstleistungen als die Packungsabgabe anzubieten. 2017 könnten sich einige Chancen für die Apotheker bieten, ihre pharmazeutischen Kompetenzen über einzelne Projekte stärker in die Primärversorgung einzubringen.

Das Arzneimittelprojekt ARMIN in Sachsen und Thüringen könnte im kommenden Jahr ausgeweitet werden. Derzeit ist nur die AOK Plus an dem Projekt mit Ärzten und Apothekern beteiligt. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich schon bald andere Kassen anschließen und die Medikationsberatungen durch den Apotheker somit immer mehr Patienten zur Verfügung stehen. Außerdem könnten sich die Apotheker bei der zweiten Tranche des Innovationsfonds bewerben. Jährlich werden innovative Versorgungsmodelle mit Millionenbeträgen unterstützt. Vorstellbar wäre es, dass sich Apotheker-Projekte, die bei der ersten Tranche scheiterten, nochmals bewerben.

Zyto-Versorgung: Ebenfalls mit dem AMVSG will der Gesetzgeber exklusive Verträge zwischen Krankenkassen und Apotheken in der Zyto-Versorgung verbieten. Im Herbst hatten Apotheker und Ärzte vehement gegen die Ausschreibungen der Kassen protestiert. Auch in den Medien wurde von lückenhaften oder fehlerhaften Zyto-Belieferungen berichtet. Beschließt der Bundestag das AMVSG in seiner derzeitigen Fassung, könnten die Verträge im kommenden Jahr gestrichen werden. Dafür könnten 2017 dann Rabattverträge zwischen Herstellern und Kassen in der Zyto-Versorgung eingeführt werden. Allerdings ist derzeit noch mehr als fraglich, wie solche Verträge in einem sehr begrenzten Markt wie dem Zyto-Markt überhaupt praktisch umgesetzt werden könnten.

Wie verhalten sich Apotheker im Super-Wahljahr?

Wahljahr: Schließlich haben die Apotheker – so wie der Rest der Bundesrepublik – im kommenden Jahr die Möglichkeit, ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit der Politik Ausdruck zu verleihen. Denn Mitte September wählt das Land einen neuen Bundestag. Wie sich der Großteil der Apotheker bei dieser Wahl verhalten wird, dürfte sehr von den oben genannten Faktoren abhängen. Schafft es die CDU um Minister Gröhe, das Rx-Versandverbot gegen die Proteste der SPD durchzusetzen, dürften die Christdemokraten bei den Pharmazeuten ein Stein im Brett haben. Aber auch die Linke dürfte bei den Apothekern hoch im Kurs stehen: Erst kürzlich hatte die Oppositionsfraktion im Bundestag erneut einen Antrag zum Verbot des Rx-Versandes gestellt. Die Linke steht zur inhabergeführten Apotheke vor Ort und will die pharmazeutischen Kompetenzen in der Primärversorgung sogar noch stärker unterbringen.

Schwierig hingegen könnten es die Grünen und die SPD bei den Apothekern haben. Die Pläne von SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach nach dem EuGH-Urteil wurden in den Fachmedien der Apotheker in den vergangenen Wochen größtenteils negativ kommentiert. Und auch der Boni-Deckel würde den Pharmazeuten wohl nicht gefallen. Die Grünen setzen sich nachhaltig für eine umfassende Reform des Apothekenhonorars und für zusätzliche Honorare für Beratungen ein. Gleichzeitig hat auch die Arzneimittelexpertin der Grünen im Bundestag, Kordula Schulz-Asche, aber mehrfach den Versandhandel verteidigt.

Noch vor den Bundestagswahlen stehen in drei Bundesländern allerdings Landtagswahlen an (Schleswig-Holstein, Saarland, Nordrhein-Westfalen). Dass das Thema Apotheken in den Länderwahlkämpfen eine große Rolle spielen wird, ist unwahrscheinlich. Schließlich wird der größte Teil der Gesundheitspolitik in Berlin gestaltet. Allerdings könnten die Länder beim Rx-Versandverbot noch eine Rolle spielen im kommenden Jahr. Mit einer knappen Mehrheit hatte der Bundesrat nämlich vor einigen Wochen einen Antrag zum Rx-Versandverbot beschlossen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Länder verhalten, wenn Gröhes Referentenentwurf nicht durchkommt.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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