Pandemie Spezial

Selbsttests in Laienhand funktionieren!

Der Grund: Nasale Abstriche sind zuverlässiger als gedacht

Über der Selbsttestung auf SARS-CoV-2 hängt das Damoklesschwert des falsch negativen Resultates. Aktuelle Studien zeigen: Die Furcht ist weitgehend unbegründet. Motivierte Laien sind in der Lage, einen Antigentest auf Basis eines nasalen Abstriches in Eigenregie durchzuführen und auszuwerten. Die Ergebnisse waren in Studien an der Testambulanz der Charité, Berlin, kaum schlechter als beim geschulten Personal. Voraussetzung für eine breite Anwendung sind spezielle nasale Testkits und genaue Verbraucher­informationen.

Ob und wie Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 von medizinischen Laien selbst durchgeführt werden sollten, wird gegenwärtig lebhaft debattiert. Während z. B. in den USA ein erster Heimtest zugelassen wurde, ist die Durchführung der Antigen-Schnelltests hierzulande Ärzten, geschultem Personal und neuerdings auch Apotheken vorbehalten. Den von den meisten Testsets vorgeschriebenen tiefen nasopharyngealen Abstrich korrekt und ohne Komplikationen durchzuführen, ist für Laien sehr schwierig. Ohnehin wird der Abstrich im Nasen-Rachenraum von den meisten Menschen als unangenehm empfunden, gerade wenn er richtig durchgeführt wird. Nicht wenige reizt das Stäbchen zum Niesen, Husten oder Würgen, verbunden mit einem Aerosolausstoß, der wiederum das entnehmende Personal gefährdet, das sich in Schutzkleidung hüllen muss. Praktikabler in jeder Hinsicht, auch schneller, wären Speichelproben oder Abstriche von der Zunge oder aus der Nase. Diese könnten Betroffene auch selbst gewinnen. Aber wie zuverlässig sind diese Methoden?

Foto: Mike Fouque – stock.adobe.com

Evidenz für nasale Abstriche

Neue Studien unterstützen die Validität nicht-nasopharyngealer Abstriche zur Detektion von SARS-CoV-2. Eine amerikanische Untersuchung fand für den Abstrich in der vorderen Nasenhöhle wie auch für den etwas tieferen Abstrich in der Nasenmuschel (vgl. Kasten „Was heißt ‚Nasenabstrich‘?“) „klinisch akzeptable“ Ergebnisse. Um die 90% lag die Übereinstimmung der Testung der nasalen Abstriche, die symptomatische Patienten selbst gewonnen hatten, mit nasopharyngealen Proben, entnommen durch medizinisches Personal, jeweils gegengetestet mittels PCR.

Zwei direkte Vergleichsstudien von Selbst- versus professioneller Durchführung von Antigentests wurden in der SARS-CoV-2-Testambulanz der Charité-Universitätsmedizin, Berlin, im Herbst 2020 unter Federführung von PD Dr. Claudia Denkinger, Universitätsklinikum Heidelberg (s. a. S. 27) und Prof. Dr. Frank Mockenhaupt, Charité Berlin, durchgeführt.

In der ersten Studie nahmen die Probanden einen Selbstabstrich in der Nasenmuschel (s. Kasten) unter mündlicher Anleitung vor, und das Personal wertete ihn aus. In der zweiten Studie blieben Abstrich und Testdurchführung nach schriftlicher Anleitung wie auch die Auswertung den Probanden komplett selbst überlassen. Im Ergebnis stimmten in beiden Studien positive Testresultate bei Laien und bei Profis zu über 90% überein. Zwar testeten die Laien insgesamt etwas weniger sensitiv (2,5 bis 5% Abweichung gegenüber Profis), aber hohe virale Besiedelungen entdeckten sie zuverlässig. Dies, obwohl die Durchführung der Testungen durch Laien mehrheitlich nicht ganz korrekt ablief – die Testkits erweisen sich als durchaus fehlerverzeihend. Falsch-negative Ergebnisse waren seltene Ausnahmen. Sowohl Probanden als auch Ärzte zogen Schlüsse, wie man die Testkits und die Instruktionen weiter verbessern könnte.

Was heißt „Nasenabstrich“?

Der Begriff nasaler Abstrich (nasal sampling) wird in der medizinischen Literatur nicht immer uniform verwendet. Nach den CDC-Richtlinien wird bei der anterioren Probeentnahme im Nasenloch (anterior nasal sampling) ein Tupfer mit der wattierten Spitze 1 – 1,5 cm ins Nasenloch geführt und viermal in 15 Sekunden entlang der Nasenwand gedreht. Beim Abstrich in der Nasenmuschel (nasal midturbinate sampling) wird der Tupfer ca. 2 cm parallel zum Gaumen in den unteren Nasengang eingeführt, bis Widerstand spürbar ist, und mehrmals gedreht. Bei beiden Methoden wird derselbe Tupfer anschließend im zweiten Nasenloch angewendet. Spezielle Tupfer für nasopharyngeale und nasale Abstriche haben unterschiedliche Steifigkeit und Wattierung. Für den nasalen Abstrich sind sie starrer, dafür mit einer größeren, flockigen Oberfläche ausgestattet, die erlaubt, mehr Probenmaterial zu gewinnen. Derzeit erhältliche Tests sind i. d. R. mit Anleitungen und Tupfern für einen Nasopharyngeal-Abstrich ausgestattet und daher für Laien wenig geeignet.

Selbstabstrich: 75% Sensitivität

Die erste, mittlerweile im „Journal der European Respiratory Society“ publizierte Studie schloss 289 Erwachsene mit klinischen Hinweisen auf eine SARS-CoV-2-Infektion ein. Die Teilnehmer waren durchschnittlich 35 Jahre alt, zu 43% weiblich, und nahezu alle (97,6%) hatten zum Testzeitpunkt ein oder mehrere auf COVID-19 deutende Symptome. Sie wurden lediglich mündlich über die Durchführung des Abstrichs instruiert. Verwendet wurde der Standard Q Covid-19 Ag-Test von Biosensor, Korea. Der auch als SARS­-CoV­-2 Rapid Antigentest von Roche vertriebene Lateral-Flow-Test sieht einen „durch das medizinische Fachpersonal aus dem Nasen­-Rachen-­Raum“ zu entnehmenden Abstrich vor. Die Probanden wurden angewiesen, den Tupfer 2 bis 3 cm horizontal in die Nasenmuschel einzuführen und für 15 Sekunden an der Schleimhaut rotierend zu reiben, dies beidseits. Anschließend wurde mit dem gleichen Antigentest-Set von Charité-Personal der konventionelle nasopharyngeale Abstrich (NP) aus einem Nasenloch entnommen. Schließlich nahm das Fachpersonal für die RT-PCR-Kontrolle einen kombinierten oro/nasopharyngealen Abstrich (OP/NP) aus dem anderen Nasenloch vor. Das restliche Prozedere mit Puffern, Aufbringen der Testlösung auf das Testfeld und Ablesen des Ergebnisses oblag ebenfalls medizinischem Personal.

Primärer Endpunkt war die prozentuale Übereinstimmung der Ergebnisse bei Selbstentnahme und professioneller Entnahme. Die positive Übereinstimmung erreichte 90,6% (KI 75,8 – 96,8, zwei falsch-positive Re­sultate bei nasalem Abstrich, eine bei NP). Die Übereinstimmung der Negativergebnisse lag bei 99,2% (KI 97,2 – 99,8). Laut PCR-Testung waren 39 Teilnehmer (13,5%) SARS-CoV-2-positiv; von ihnen wiesen 23 eine hohe virale Last auf (> 7 log10 RNA SARS-CoV-2/ml). Die Selbsttestungen mit dem Antigen-Kit deckten 29 von 39 positiven Fällen auf (Sensitivität 74,4%), die Testung durch Fachpersonal zwei Fälle mehr (31/39, Sensitivität 79,5%). Bei einem der beiden „Selbsttester“ war ein Fehler beim Entnehmen maßgeblich (Tupfer nicht richtig gedreht), beim zweiten eine sehr niedrige virale Last. Bei Probanden mit hoher viraler Last erreichte die Sensitivität des nasalen Abstriches im Durchschnitt 95,7%, gegenüber 100% beim fachlichen NP-Abstrich.

Komplette Selbsttestung mit 83% Sensitivität

Die zweite, aktuell als Preprint publizierte Untersuchung der Berliner Testambulanz hatte ein ähnliches Head-to-head-Design, mit dem Hauptunterschied, dass die Durchführung und Auswertung des Antigentests nun vollständig in der Hand der Probanden lag. Endpunkte der Studie waren neben dem Genauigkeitsvergleich „Laie vs. Profi“ die praktische Durchführbarkeit des Tests und die Akzeptanz der Nutzer. Es nahmen 146 Erwachsene nach Kontakt mit bestätigten COVID-Fällen und/oder Fieber oder Geruchs/Geschmacksstörungen teil. Weitere Voraussetzungen bestanden in ausreichenden Sprachfertigkeiten in Deutsch oder Englisch. Denn den Probanden wurde lediglich eine in diesen Sprachen verfasste, illustrierte Anleitung zur Testdurchführung an die Hand gegeben, außerdem ein Spiegel und eine Stoppuhr. Den Test führten sie ohne Zeitdruck in einem separaten Raum durch, beobachtet durch einen Studienarzt, der auf Fragen nicht antwortete und keine Hilfestellung gab.

In dieser Testreihe wurde der Biosensor Antigentest in einer für Forschungszwecke angepassten Version verwendet. Für den nasalen Abstrich ist der Tupfer starrer ausgeführt, was angenehmer in der Selbstanwendung ist, er verursacht weniger Kitzelreiz. Dafür ist er mit einer größeren, flockigen Oberfläche ausgestattet, die die Gewinnung von mehr Probenmaterial erlaubt.

Das Vorgehen nach schriftlicher Anleitung war sicherlich für viele nicht trivial. Die Probanden sollten nach einmaligem Naseputzen den Kopf zurückneigen („70 Grad“) und den Tupfer mit dem Baumwollende voran langsam (ein Proband musste abgehalten werden, das falsche Ende einzuführen) ca. 2 cm tief in die untere Nasenmuschel einführen, „Tupfer parallel zum Gaumen, Richtung Kehle, nicht aufwärts, bis Widerstand spürbar“. Der Tupfer war während 15 Sekunden (Stoppuhr) mindestens viermal zu drehen, die Prozedur im anderen Nasenloch mit demselben Tupfer zu wiederholen. Anschließend mussten sie den Tupfer gemäß Anleitung in der Pufferlösung auswaschen, vier Tropfen auf das richtige Testfeld geben, um nach 15 Minuten zu entscheiden, ob sie das Ergebnis für positiv, negativ oder ungültig hielten. Wie in der ersten Testreihe wurde durch medizinisches Personal ein nasopharyngealer Abstrich für einen Antigentest und ein oro/nasopharyngealer Abstrich für die Standard-PCR – als Kontrolle – entnommen.

Foto: Lisa – stock.adobe.com

Selbsttests in Laienhand erfordern Aufklärung über die limitierte Sensitivität.

Von den 40 PCR-positiven Teilnehmern (40/146 = 27,4%) diagnostizierten sich 33 durch den Selbsttest richtig, entsprechend einer Sensitivität von 82,5% (KI 68,1 – 91,3). Die professionellen Tester detektierten 34 von 40 Infizierten richtig positiv, ihre Trefferrate war nur 2,5% besser (85%, KI 70,9 – 92,9). Als positive Übereinstimmung berechneten die Autoren 91,4%, als negative Übereinstimmung 99,1%. Von 29 Probanden mit hoher Viruslast (> 7 log10 RNA SARS-CoV-2 Kopien/ml) entdeckten Laien wie Profis übereinstimmend 28, entsprechend einer hohen Sensitivität von 96,6% (KI 82,8 – 99,8). Nur einer der 40 SARS-CoV-2-positiven Laien kam zu einem falsch-negativen Testergebnis, durch eine Fehlinterpretation des Ergebnisses trotz bei zuvor korrekter Testdurchführung. Ein weiteres falsch-negatives Resultat produzierte ein professioneller Tester, trotz hoher Viruslast beim Probanden.

Die guten Ergebnisse sind umso bemerkenswerter, als die Prüfärzte beim Ausführen der Testung durch die Laien sehr häufig Fehler beobachteten, auch bei 25 der 40 positiven Probanden. Als schwierig erwiesen sich v. a. die Probenahme selbst (Tupfer verkehrt/zu steil angesetzt, zu tief/zu wenig eingeführt, zu wenig Schleimhautkontakt), das korrekte Auswaschen des Tupfers und das Applizieren von exakt vier Tropfen auf das Testfeld. An der richtigen Tropfenzahl scheiterte ein Drittel der im Durchschnitt gut gebildeten, verständigen und relativ jungen Probanden (Durchschnittsalter 35 Jahre). Auf der anderen Seite gaben einige Nervosität und Beeinträchtigung durch Krankheitssymptome während des Testens an. Vier von fünf Teilnehmern fanden den Test leicht oder ziemlich leicht durchführbar, 16% mittelschwer, nur 2,8% taten sich ziemlich schwer.

Fazit der Autoren

Selbsttestung mit nasalem Abstrich für Antigentests ist praktikabel, stößt in unselektierten Populationen auf Akzeptanz und ist ausreichend genau. Eine breite Anwendung von Antigen-Selbsttests sollte aber begleitet werden durch eine Informationskampagne über die limitierte Sensitivität, die bleibende Notwendigkeit von Hygiene- und Abstandsregeln in der Pandemie und die Notwendigkeit von Quarantäne und PCR-Testung bei Positivtest. In gesellschaftlichem Maßstab könne häufig wiederholbares und schnelles Testen, in Verbindung mit sofortigen Konsequenzen wie Quarantäne, die Verbreitung des Virus deutlich reduzieren, wobei die gegenüber PCR-Tests eingeschränkte Testsensitivität dann von untergeordneter Bedeutung sei. |

Literatur:

Lindner AK et al.: Head-to-head comparison of SARS-CoV-2 antigen-detecting rapid test with self-collected anterior nasal swab versus professional-collected nasopharyngeal swab.European Respiratory Journal DOI: 10.1183/13993003.03961-2020

Lindner AK et al. SARS-CoV-2 patient self-testing with an antigen-detecting rapid test: a head-to-head comparison with professional testing.medRxiv. doi: https://doi.org/10.1101/2021.01.06.20249009

Autor

Ralf Schlenger ist Apotheker und arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

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